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Kultur

Die eigene Identität feiern

Das True-Colours-Kollektiv und der Verein Rosalinde Leipzig geben Leipzigs Ballroom-Szene einen Treffpunkt im Leipziger Osten

  Die eigene Identität feiern | Das True-Colours-Kollektiv und der Verein Rosalinde Leipzig geben Leipzigs Ballroom-Szene einen Treffpunkt im Leipziger Osten  Foto: Cristóbal Z. Arellano

Freitagabend gegen neun Uhr in der Hermann-Liebmann-Straße. Die Garage Ost füllt sich langsam, alles ist in rosa Licht getaucht und wartet auf die Friday-Function. In der Mitte des Raums bedeckt eine weiße Plane eine rechteckige Fläche – den sogenannten Runway. Ein DJ legt auf, fast alle tanzen, auch auf dem Runway. Spielerische Dance-Battles, die Musik fühlen, für Freundinnen und Freunde performen. Durch die vielen tanzenden Menschen wird es schon jetzt so warm, dass die Tür an der Seite geöffnet werden muss.

Gegen halb zehn betritt ein MC die Bühne, bittet darum, den Runway freizumachen, begrüßt alle Anwesenden und gibt einen Awareness-Hinweis: »Erinnert euch immer daran, warum wir heute hier sein können.« Die Leipziger Friday Functions laufen zwar erst seit April, die Ballroom-Szene, der sie entsprungen sind, entstand aber schon vor mehr als 50 Jahren in New York. Queere, Schwarze und Latina-(trans-)Frauen schafften Ballroom als Ort, in dem sich speziell die Schwarze und queere Szene sicher und gefeiert fühlt. An diese Pionierinnen wird beim Zusammentreffen der Leipziger Community in den Moderationen immer wieder erinnert: »Give trans women their flowers«, fordert der MC mehrmals im Laufe des Abends.

»Ich habe das in Deutschland nie erlebt, dass es was Schönes ist, of Colour oder queer zu sein. In Ballroom wird man dafür zelebriert«, erzählt uns Phenix, einer der Leader der Leipziger Community und verantwortlich für die Organisation der Friday Functions. Seit 2017 gebe es Ballroom-Strukturen in Leipzig: »Wir haben angefangen mit einer wöchentlichen Session, wo wir einfach zusammen trainiert haben, später kamen Voguing-Kurse dazu.« Trainiert werden die einzelnen Kategorien, in denen man bei einer Function antreten kann. Die wahrscheinlich bekannteste ist »Vogue Old Way«, ein Tanzstil, der sich an den Posen der Models auf den Covern der Vogue orientiert und auch schon von Madonna adaptiert wurde.

Seit April gibt es neben den Kursen und Sessions die Friday Functions: Eine Veranstaltung in Kooperation mit der RosaLinde Leipzig e.V., bei der die geübten Performances der Öffentlichkeit präsentiert werden können. Phenix, aktiv in der RosaLinde und True Colours, hat sie zusammengebracht, damit die Ressourcen beider Organisationen genutzt und queere Organisationen gestärkt werden können.
Schon bei der ersten Function im April kamen so viele, dass nicht alle eingelassen werden konnten. »Da war diese Energie im Raum. Das war alles so super echt«, erinnert sich Phenix. Die Veranstaltung habe viel Potenzial, da sie marginalisierten Gruppen einen Ort biete, sich selbst zu feiern. Doch obwohl eine Function hauptsächlich queere, Schwarze, inidgene und andere People of Color (BIPoC) feiert, ist sie offen für alle. »Das ist ja kein exklusives Event«, betont Phenix. Der MC erinnert die »Spectator« aber immer wieder daran, wo Ballroom herkommt und dass es ein Raum sein sollte, in dem sich besonders queere und Schwarze Personen wohlfühlen sollen.

Walk the Runway

Die Function beginnt damit, dass alle anwesenden Mitgliederinnen und Mitglieder der Leipziger Ballroom-Community vorgestellt werden und einzeln den Runway betreten. Sie präsentieren sich und werden begeistert angefeuert. Klatschen, Schnipsen, Rufen. Als letztes betritt die Judge den Raum und nimmt am Kopf des Runways auf einem Lederstuhl Platz. Die Judge? Bei einer Function wird in verschiedenen Kategorien gegeneinander angetreten. »Es ist ein bisschen wie unsere Olympischen Spiele«, erklärt Phenix. Traditionelle Ballroom-Kategorien sind unter anderem »Face«, »Realness«, »Runway«, »Body« und »Voguing«. Der MC sagt die Kategorie an, der DJ startet die Musik und dann können alle, die in dieser Kategorie »laufen« wollen, den Runway nacheinander betreten. In der ersten Runde schreiten oder tanzen, je nach Kategorie, die Contestants auf die Judge zu. In der Kategorie »European Runway« werden der Walk und die Posen gezeigt, die in den Sessions trainiert wurden. Die Judge ist immer ein renommiertes Mitglied der Szene. Dieses achtet darauf, dass die Regeln eingehalten werden und entscheidet, ob man eine Runde weiter ist. Die verbleibenden Contestants treten dann in 1:1-Battles gegeneinander an. So lange bis eine Person gewonnen hat.

Die Battles sind intensiv. In der Kategorie »Body« laufen die Personen über den Runway und präsentieren ihren Körper. Durch das Outfit, die Art des Walks und die Posen versuchen die Contestants, die Vorzüge ihres Körpers in Szene zu setzen – und die andere Person zu überschatten. »Traditionell ist es so, dass man für die 30 Sekunden des Battles kurz nicht an den Community-Aspekt denkt, sondern der Wettbewerb im Vordergrund steht«, sagt Phenix. »Man denkt sich: I’m here to win. I’m the most fabolous person and you could never.« Sobald aber feststehe, wer gewonnen hat, sei »alles wieder in Ordnung und man gönne sich gegenseitig den Sieg«. Auch an diesem Abend nehmen sich die Contestants nach den Battles in den Arm  – sie seien auch untereinander eng befreundet: »Ballroom ist halt wirklich Familie. Ja, es gibt diese eine Seite mit dem Wettbewerb, aber die andere Seite ist Gemeinschaft«, betont Phenix. Die Szene in Leipzig sei sehr eng vernetzt und motiviert, mehr Veranstaltungen zu organisieren. »Wir machen das, weil wir diese Community groß machen wollen und wir merken, dass die Leute das wertschätzen«, erzählt Phenix. Das Ziel ist klar: »Wir wollen Leipzig einnehmen!« 

> Friday-Functions: seit April immer am ersten Freitag des Monats, 19:00 Uhr Garage Ost, Instagram @truecolours_______


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