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Stadtleben

Den Kiez pflegen, Gemeinschaft tanken

Die Radtanke im Leipziger Osten möchte im September wiedereröffnen

  Den Kiez pflegen, Gemeinschaft tanken | Die Radtanke im Leipziger Osten möchte im September wiedereröffnen  Foto: Yi Ling Pan

Wenn man die Bautzmannstraße im Leipziger Osten zu Ende läuft, fallen acht knallrot-türkise, kreisförmig aufgestellte Fahrräder ins Auge. Hinter ihnen ragt eine kleine, ebenso knallige Tankstelle empor, die mit »Radtanke« überschrieben ist. Benzin gibt es hier schon lange nicht mehr, stattdessen Bier und Kaffee, Konzerte und Nachbarschaftstreffs. Eigentlich. Denn im Mai musste die Radtanke schließen. Am heutigen Nachmittag trinkt hier nur eine Frau im rosa T-Shirt Limonade und öffnet mir die Tür zum Garten. Sammie kommt gleich, sagt Lea, die hier ehrenamtlich mitarbeitet. Er trage die Hauptverantwortung für die Radtanke. Einige Minuten später begrüßt er uns mit breitem Lächeln und stellt sein Fahrrad ab.

Jahrelang fuhr er täglich auf seinem Arbeitsweg an dieser leerstehenden Tankstelle vorbei, die zuvor ein Autohandel war, erinnert Sammie sich. 2022 entschließt er sich, die Tankstelle zu pachten, um sie mit neuem Leben zu füllen. Anstatt von Autos sollten Leute hier ihre Fahrräder »tanken«, also reparieren können. Gleichzeitig sollte es Café, Bar und Kulturort werden. »Außer das mit der ›Tankstelle‹ für Fahrräder ist es das auch geworden«, stellt der Veranstalter fest und lacht. Zunächst renoviert und möbliert Sammie allein die leeren Räume, später helfen ihm Freundinnen und seine Partnerin Marguerite bei der Organisation. Im Februar dieses Jahres starten sie einen Aufruf auf den sozialen Medien nach Freiwilligen und es gründet sich das 15-köpfige Kollektiv Manolo.

Neben dem Biergartenbetrieb können Leute den Garten und die Räume auch für Geburtstage mieten, sowie für Konzerte. Die Tickets sind zumeist auf Spendenbasis und die Einnahmen gehen an die Kunstschaffenden. Die Veranstaltungen kommen gut an. Bis sich einige wenige Nachbarn beschweren, wegen der Lautstärke. »Wir haben viel versucht: den Schall gedämpft, den Biergarten nur bis 22 Uhr geöffnet, Nachbarschaftstreffs veranstaltet«, erzählt Lea. Nach mehreren Anfragen derselben Personen sei das Ordnungsamt aber doch gekommen. Das Ergebnis: Nutzungsuntersagung des Biergartens. Sie hätten damals zwar das Gewerbe angemeldet, aber nichts von der nötigen Nutzungszwecksänderung von Autohandel zu Biergarten gewusst, sagt Sammie etwas zerknirscht. Nun liegt der Antrag der Stadt vor und die Nachprüfungen laufen. Dafür braucht Manolo Architekten, Anwältinnen und: Geld, das ohne die üblichen Einnahmen umso mehr fehlt. Daher bittet das Kollektiv mit einer Crowdfunding-Kampagne um Spenden. 11.000 Euro sollen insgesamt zusammenkommen.

Zusammen gegen die Ohnmacht

Fest steht, dass die Radtanke Ende September wieder aufmachen möchte. »Solche niedrigschwellige Orte für Kultur und fürs Miteinander muss es einfach weitergeben«, Leas Ton wird entschlossen. »Ich finde es superwichtig, den Kiez, wo man lebt, aktiv zu pflegen und mitzugestalten, denn nur so kann Veränderung passieren. Gerade jetzt in politisch bewegten Zeiten ist Engagement wichtig, um aus einer Ohnmacht rauszukommen. Es ist sehr schön, dass man hier sehen kann: es geht was voran. Man kommt in Kontakt, und man kann auch zusammen lachen, das gibt einem ein stabilisierendes Gefühl.« Sammie fügt hinzu, wie wichtig es für ihn sei, diskriminierungs- und rassismusfreie Orte in Leipzig zu behalten.

Für die Zukunft hat das Team viele Ideen von Kneipenquiz bis Minigolf. Auch Initiativen von Besuchenden seien herzlich willkommen. Ziel sei es, Jung und Alt anzusprechen und zum Mitmachen zu animieren. Auch das »Rad tanken« soll in Zukunft möglich sein.

Crowdfunding: www.startnext.com/radtanke

 

 


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2 Kommentar(e)

bewohnerIn ost leipzigs 20.09.2024 | um 21:15 Uhr

Erstmal: Das niederschwellige Kulturangebote da sind ist gut. Dass die Stadt mal wieder pennt und alles kaputt verwaltet anstatt die Bürokratie wenigstens den aktiven ordentlich zu kommunzieren ist schlecht. Und wieso wird da nicht mal der Nachtbürgermeister eingeschaltet, damit der a) vermittelt und b) Amtsprozesse beschleunigt? Neben wenig kostenenden und relativ offenen Kulturangeboten leidet auch der Gastroumsatz, wenigstens die Sprache wird das von oben herab agierende Amt doch verstehen oder? Hier macht immer noch das Ordnungsamt die meiste (Nicht-)Kulturarbeit und das obwohl es seit Jahren Initiativen noch und nöcher gibt, die das endlich ändern sollen. ABER: "Diskriminierungsfrei" ist der Ort dann doch nicht so, oder? Wenn nämlich defacto an dem links im Bild seienden Essenstand in lila per Aufkleber steht: "Kein Verkauf an Zionisten". Antisemitismus ist wohl keine Diskrimierung mehr, oder was? Solche Islamistenversteher haben nicht verstanden, was Diskriminierung ist aber halten sich selber für woke. Unfassbar. Ich möchte mal sehen was passieren würde, wenn da einer mit Judenstern auf dem Shirt was kaufen will. Aber sich für progressiv halten. Kulturorte mit solch einem rechten Geist braucht dann eigentlich auch keiner, so schade es auch ist.

bewohner ost leipzigs 23.09.2024 | um 19:03 Uhr

Dieser Artikel ist einseitig geschrieben und gibt keinesfalls die genauen Tatsachen wieder. Das Team der Rad Tanke stellt sich hier als Opfer dar. Es sind aber die Anwohner des Wohngebietes, die monatelang unter nächtlichem Lärm leiden mussten und nicht schlafen konnten. Die Rad Tanke war vor der Schließung vor allem ein Ort, an dem regelmäßig Veranstaltungen mit Live-Musik und DJs stattfanden. Diese Events wurden immer von 22 bis 4 Uhr veranstaltet – begleitet von starkem Lärm durch die Besucher vor, während und vor allem nach dieser Uhrzeit. Denen war es egal, dass zu diesen Zeiten die Anwohner (vor allem Kinder) schlafen wollten. Dass der Biergarten nur bis 22 Uhr geöffnet war (so wie Lea in dem Artikel zitiert wird), ist gelogen. Teilweise war er bis 2.30 Uhr nachts geöffnet und wurde erst geschlossen, nachdem man den Betreiber telefonisch darauf hingewiesen hatte, dass der Lärm unerträglich ist. Wenn der Betreiber der Rad Tanke sich immer an die gesetzlichen Ruhezeiten (nachts, sonntags, feiertags) gehalten hätte, und er sowie die Besucher der Rad Tanke sich rücksichtsvoll gegenüber den Anwohnern verhalten hätten, würde die Rad Tanke wahrscheinlich jetzt noch offen sein, und als Ort für Kulturveranstaltungen sowie als Café und Biergarten dienen können. Gehört es nicht zum Handwerk einer Journalistin, sich ein objektives Bild zu verschaffen? Vor allem, wenn man auf eine Spendenkampagne verweist, sollte man etwas genauer hinschauen, nicht nur blind aufschreiben, was einem gesagt wird, sondern auch mal hinterfragen bzw. die andere Seite zu Wort kommen lassen.