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Kultur

»Kunst schenkt uns unbegrenzte Freiheit«

Ardian Gega im Interview zum Ende seines Eisler-Stipendiums in Leipzig

  »Kunst schenkt uns unbegrenzte Freiheit« | Ardian Gega im Interview zum Ende seines Eisler-Stipendiums in Leipzig  Foto: Marie-Luise Calvero

Ardian Gega wurde 1990 im Kosovo geboren und lebt in Hamburg. Als sechster Hanns-Eisler-Stipendiat der Stadt Leipzig hat er die letzten Monate in Eislers Geburtshaus in Leipzig verbracht. Wir sprachen mit dem Komponisten, der im Kosovo, in den Niederlanden und in Deutschland bei Mendi Mengjiqi, Alex Manassen, Cornelius Schwehr und Johannes Schöllhorn studiert hat.

Wonach suchen Sie in Ihrer Musik?

Komponieren ist eine besondere Möglichkeit, Gedanken und Gefühle auszudrücken. Ich suche immer nach einer Sprache, die auf die tiefste und aufrichtigste Weise das ausdrückt, was ich denke und empfinde.

 

Sie sind Komponist und gleichzeitig Musiklehrer an einer Schule in Hamburg. Ist das ein Widerspruch?

Es bereitet mir große Freude, mit der neuen Generation zu arbeiten und mich auszutauschen. Besonders berührend ist es zu sehen, wie Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Ländern, die unterschiedliche Kulturen, Traditionen und Sprachen mitbringen – oft auch traditionelle Musik, die sich von der westlichen unterscheidet –, zusammenfinden. In einigen Fällen kommen sie sogar aus Ländern, wo Krieg herrscht. Das ist einfach außergewöhnlich. Junge Menschen in der Kunst zu unterrichten, die das Wertvollste und Aufrichtigste ist, was die Menschheit hat, bedeutet, Teil ihres Lebens zu werden.

 

Spielt die musikalische Tradition Ihrer Heimat eine Rolle in Ihrem musikalischen Denken?

Die Musiktradition meines Landes hat eine entscheidende Rolle in meiner Entwicklung als Musiker und Komponist gespielt, insbesondere die Rhythmen und die Iso-Polyphonie (mehrstimmiger folkloristischer Gesangsstil, Anm. d. Red.) Südalbaniens. Auch wenn ich sie nicht bewusst in meinen Werken einsetze, sie ist tief in mir verankert.

 

Womit beschäftigten Sie sich in Ihrer Komposition, die während Ihres Stipendiums in Leipzig entstanden ist?

Während meiner Stipendiatenzeit habe ich ein Stück für Kammerensemble geschrieben. Es trägt den Titel »Copëza mendimesh«, was auf Albanisch »Gedankenstücke« bedeutet. Das circa zwölfminütige Werk für Flöte, Klarinette, Violine, Cello, Schlagzeug und Klavier besteht aus zehn Teilen, die ohne Pause ineinander übergehen. Jeder Teil hat seinen eigenen klanglichen Charakter, wiederkehrende Motive ziehen sich durch das gesamte Stück, um die Verbindung der Gedankenströme aufzuzeigen. Es symbolisiert eine gedankliche Reise, die von kontemplativen Momenten hin zu kraftvollen Ausbrüchen führt, bevor es wieder in Stille mündet. Es ist eine Reflexion über die Komplexität des menschlichen Geistes und die Art und Weise, wie Gedanken uns in verschiedenen Lebensphasen beeinflussen – flüchtig und schwer greifbar, aber immer tief verwurzelt in unseren inneren Welten.
 

Sie arbeiten viel mit erweiterten instrumentalen Spieltechniken, klanglichen Spezialeffekten. Wären elektronische Mittel der Klangerzeugung für Sie eine Alternative?

Ich liebe Instrumentalmusik und es begeistert mich, für Instrumente zu komponieren. Wenn ich dies tue und eine Idee oder ein bestimmter Moment besondere Effekte benötigt, nutze ich Geräuschklänge als Ausdrucksmittel anstelle herkömmlicher Töne. In der Elektronik gibt es natürlich unendlich viele Möglichkeiten, Klänge zu erzeugen, bisher habe ich diese Techniken aber nicht verwendet. Wenn ich jedoch das Bedürfnis verspüre, werde ich das tun.


Hanns Eisler war ein wirklich politischer Künstler. Wie denken Sie gegenwärtig über das Verhältnis von Kunst und Politik?

Eisler lebte in einer Zeit, als Europa von zwei Kriegen erschüttert wurde, die er glücklicherweise überlebte. Ich selbst habe als Kind den Krieg erlebt, und ich glaube, dass sich seit dem Moment, als mir die Kindheit gestohlen wurde, alles verändert hat. »Wäre nicht der Erste Weltkrieg gekommen, wäre ich wahrscheinlich ein Wagnerianer geblieben«, sagte Eisler. Jeder Mensch, der eine solche Geschichte hinter sich hat, macht sich Sorgen über die politische Situation. Dabei ist es die Kunst, die uns unbegrenzte Freiheit schenkt, die Hass, Grenzen, Sprache und Nation überwindet und Brücken schafft, um Menschen zusammenzubringen.


Wie haben Sie Leipzig erlebt?

Leipzig ist eine wunderbare und äußert lebendige Stadt, die kulturell viel zu bieten hat. Ich habe mich hier rundum wohl gefühlt.

 

> MUSICA NOVA: EISLER! Werke von Hanns Eisler, Viktor Ullmann und Ardian Gega, Eisler-Stipendiat der Stadt Leipzig 2024, 16. Oktober,19.30 Uhr, Mendelssohn-Saal des Gewandhauses

> Hier geht es zur Veranstaltung.


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