Was löst das Wort »Klimafolgenanpassungsmaßnahmen« bei Ihnen aus? Wahrscheinlich nicht besonders viel, hinter diesem abstrakten Wort verbergen sich allerdings konkrete Maßnahmen, um eine Stadt auf die Folge des Klimawandels vorzubereiten, zum Beispiel Entsiegelung oder Dachbegrünung.
Genau mit diesem Thema befasst sich ein aktuelles Datenprojekt von Correctiv unter dem Namen »Städte in der Klimakrise: Zwischen Asphalt und Beton«. Dazu wurde mithilfe von Satellitenbildern die Versiegelung in drei deutschen Städten erfasst und analysiert. Neben Stuttgart und Hamburg hat sich die Klimaredaktion von Correctiv für Leipzig entschieden und ihre Ergebnisse am vergangenen Wochenende am Nikolaikirchhof live ausgestellt. Wie sich auf dem etwa 120 Quadratmeter großen begehbaren Stadtplan gut erkennen ließ, ist die Messestadt stark versiegelt.
Bebautes Leipzig
Dabei gibt es hier doch den Auwald, Leipzigs »grüne Lunge«? Und den Clara-Zetkin-Park, den Mariannenpark und zahlreiche weitere Grünflächen? Die Stadt wirkt auf den ersten Blick sehr grün, doch die Correctiv-Journalistinnen ziehen ein schlechtes Fazit: Im Vergleich zu 2018 sei der Anteil betonierter und asphaltierter Flächen von 29,2 auf 31,2 Prozent gestiegen. Die Grünfläche, die dadurch verloren gegangen ist, entspricht in etwa 1.120 Fußballfeldern (acht Quadratkilometer). Stadtteile wie Plagwitz, Gohlis-Mitte oder Zentrum-Ost und -Nord seien zu über 70 Prozent versiegelt, was weitreichende Folgen hat.
Im Zentrum-Ost, werde es dadurch im Sommer bis zu sechs Grad wärmer als im Rest der Stadt. Auch der Hauptbahnhof ist ein Negativbeispiel: Er gehört zu den heißesten Orten in Leipzig. Neben Hitze können andere Extremwetterereignisse in stark versiegelten Städten zum Problem werden, wie der Starkregen diesen Sommer nachdrücklich bewiesen hat, als im Süden ganze Straßenzüge unter Wasser standen.
Eine Frage der Stadtpolitik?
Die Verantwortung für Entsiegelung und andere »Klimafolgenanpassungsmaßnahmen« liegt generell bei der Stadt und den Kommunen in Deutschland. »Hat da überhaupt noch jemand in der Politik Einfluss darauf, wie in Leipzig gebaut wird?«, fragt ein Passant, bei der Ausstellung des Correctiv-Projekts an der Nikolaikirche. So ähnlich lautete auch eine der Fragen, die sich die Journalistin Katarina Huth während der Recherche gestellt hatte.
Mit Blick auf die sogenannte »Nettonullversiegelung«, die sich die Stadt Leipzig für das Jahr 2030 zum Ziel gesetzt, übt Huth Kritik an der Stadtpolitik: »Nettonull kann ja nicht das Ziel sein, es muss ja mehr entsiegelt werden! Es ist viel zu wenig, viel zu schwach, viel zu spät«.
In der Verwaltung habe außerdem niemand einen Überblick über aktuelle Versiegelungs-Projekte, was eine nachhaltige Entwicklung der Stadt schwierig mache. Auch in der Diskussion mit Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal sei dies deutlich geworden, es brauche mehr Budget und Personal, sagte er. Das sei zwar ein Problem, laut Huth allerdings die falsche Herangehensweise: »Wenn wir uns die Fakten angucken, dann ist Klimaschutz und Klimafolgenanpassung zu unterlassen immer viel, viel teurer und auch dramatischer für die Menschen, als wenn man jetzt vorsorgen würde«.
> Alle Daten von Correctiv gibt es hier.
> Wie Leipzig versucht, sich an den Klimawandel anzupassen, haben wir bereits vor zwei Jahren recherchiert.