Das Publikum sitzt eng zusammen, auf der Bühne steht eine Werkbank, dahinter eine kompliziert aussehende Maschine. Jomi Oligor packt eine Miniaturkamera aus, schiebt sie auf der Werkbank hin und her, richtet sie erst kurz ins Publikum, dann auf eine Miniaturfigur, die neben einer Miniaturplastikpalme steht und drückt den Auslöser. Es blitzt und gibt eine Miniaturstichflamme. »Wir wollten Reisende sein, aber sie nannten uns Touristen« ist auf die Leinwand hinter der Werkbank projiziert.
So beginnt »La melancolía del turista«. Und mit so viel Detail und Magie geht es weiter. Das Projektionsgerät ist eine aus analogen Kameras, Filmrollen und Folie, verschiedenen Lichtern, alten Zigarrenboxen und Klebeband zusammengebastelte Maschine. In der Werkbank versteckt sich eine Art Laufband, das als Straße ein Spielzeugauto und als Brandung Spielzeugsurfer bewegen kann. Eine Zigarre wird per Blasebalg geraucht und immer wieder drehen sich Postkarten und Werbeprospekte auf einer kleinen Drehbühne. An Drahtseilen werden Postkarten, jede mit einem eigenen kleinen Licht, wie an einer Seilbahn durchs Publikum gefahren. Alles ist klein, zerbrechlich, als könnte es sich in Rauch auflösen, wenn man es nicht so vorsichtig anfasst wie Shaday Larios.
Die Geschichte, die das Duo Oligor y Microscopía erzählt, handelt von Havanna und Acapulco als Orte, an denen Touristen sind oder waren. Aus Postkarten und Fotos entsteht eine touristische Kulisse von Havanna mitsamt der alten Frau, die mit Zigarre im Mund und Blumen auf dem Hut von Touristen fotografiert wird. Das Dokumentartheaterduo spricht mit ihr, Guillermina heißt sie, und erzählt dem Publikum über ihre Sammlung von Zeitschriften, in denen sie abgebildet ist. Aber was Guilermina selbst einem Theaterpublikum erzählen wollen würde, erfahren wir nicht. Die Perspektive bleibt die der interessierten Kulturtouristen, derjenigen, die eben Reisende sein wollten und keine Touristen und sich deshalb mit der lokalen Bevölkerung unterhalten, um dann über sie zu erzählen.
Wie Touristen reisen, so verlässt das Stück die Geschichte von Havanna und es geht in der zweiten Hälfte um die Klippenspringer im ehemaligen Urlaubsort Acapulco. Die Frage, die das Stück am Ende stellt, »Was passiert mit den Erinnerungen, wenn wir nicht mehr da sind?«, irritiert. Interessanter wäre gewesen, genauer zu wissen, was die Fotos der Touristen zeigen und was nicht, wie die Touristen Orte verändern. Ging es nicht um den Versuch, die Biografien derjenigen zu hören, die von den Touristen fotografiert werden?
Insgesamt macht es die größte Freude, Jomi Oligor und Shaday Larios dabei zuzugucken, wie sie ihre Bühne bespielen, immer neue kleine Objekte hervorholen und kleine Maschinen in Gang setzen. Und auch die Geschichten, die sie erzählen, sind voll spannender Versatzstücke und poetischer Bilder, nur eine machtkritische Reflexion über Tourismus ist »La melancolía del turista« nicht.
> Weitere Termine: 1./2. November, 20 Uhr