Seit März dieses Jahres ist das Café der Galerie für Zeitgenössische Kunst wieder mal umgestaltet und trägt auch einen neuen Namen: 292 Karangahape Road. Intern wird der Laden schlicht 292 genannt, eine gängige Abkürzung lautet Hape Road (sprich: Happy Road), und ein paar Stammgäste sagen nach wie vor noch Kapital, so Max Heyne, einer der Betreiber. Die neuseeländische Künstlerin Ruth Buchanan benannte das Lokal nach der Adresse des Artspace Aotearoa in Auckland und ließ sich bei der Gestaltung von dessen Farben und Formen inspirieren.
Die alle paar Jahre stattfindenden Namen- und Inneneinrichtungswechsel sind Konzept des Cafés. Doch die aktuellen Betreiber Heyne, Toni Krätzer und Felix Kastel haben Ambitionen, nach den sechs Jahren des Pachtvertrags weiterzumachen und sich entsprechend im neuen Zyklus wieder zu bewerben.
Ein möglichst diverses Publikum sei ihnen wichtig, und so freut sich Heyne, dass »es uns ganz gut gelungen ist, dass Freunde auf ein Bier herkommen, Pärchen für einen Tee und dass am Nachbartisch eine Flasche Wein für einen gewissen Betrag getrunken wird«. Eine solche Flasche wird es bei unserem Besuch nicht werden – wir sind zum Abendessen eingekehrt. Vorneweg gibt es Sauerteigbrot vom benachbarten Backstein, dazu Schnittlauchbutter und Vanillecurryfrischkäse, außerdem eingelegte Knoblauchzehen, Oliven, Radieschen und Pilze. Das sind solide, hausgemachte Snacks, die sich selbstredend auch gut zum Teilen und zum Bier eignen. Nach diesem vielversprechenden Einstieg wird zügig der Hauptgang serviert.
Die Miesmuscheln in Weißweinsauce sind dermaßen herzhaft und maritim geraten, dass das Ostseekind am Tisch vor Rührung eine salzige Träne verdrückt. Vom Entrée ist noch etwas Brot übrig, mit dem sich genüsslich der Restsud aufsaugen lässt. Außerdem gibt’s von der Tageskarte frische Pasta mit Tomatensauce und einer herrlich weichen Burrata – die Schlotzigkeit dieser Kreation kratzt an Perfektion. Mithilfe solcher Klassiker will das Team ein breites Publikum anziehen, um dann auf eventuell unbekanntere Speisen zu verweisen. Die nahezu durchgängig vegetarischen Tagesgerichte werden wochenweise geplant, auch im Hinblick auf die mögliche Verwertung noch vorhandener Zutaten.
Eine der eventuell unbekannteren Speisen ist das Okonomiyaki, eine Art würziger Kohl-Eierkuchen: knusprig gebraten, großzügig beschichtet mit japanischer Mayonnaise, belegt mit frischen Lauchzwiebeln, Norialgenblättern und pinkem Sushiingwer, getoppt mit einer an süß-würzige Sojasauce erinnernden Okonomiyakisauce im beliebten Kreuzmuster. Dieses originelle Gericht stillt die Sehnsucht nach Herzhaftem langfristig und es liegt Max Heyne besonders am Herzen: Während eines Japanaufenthalts habe er sich hauptsächlich davon ernährt und wolle es nun auch den Leipzigerinnen und Leipzigern näherbringen. Eine kürzlich in Japan umhergereiste und an diesem Abend mitspeisende Freundin bestätigt den authentischen Geschmack.
Überraschende Wendung zum Dessert: Der Zitronenkuchen schmeckt wie bei Oma (Sind wir die letzte Generation, die das so formuliert, weil die nächsten Enkel bereits überwiegend mit haushaltsfähigen Opas aufwachsen?) und der Schokobrownie besteht jeden Kindergeburtstagstest. Hier wurde wohltuend auf überkandidelte Fine-Dining-Kapriolen à la »XY deconstructed an gecrumbeltem Drachenfruchtsorbet auf Weißweinspiegel« verzichtet. Dazu gibt es einen wunderbaren Espresso. Für einen Euro.
Leider passten die Musikauswahl und -lautstärke beim Testbesuch nicht zum ansonsten stimmungsvollen Ambiente und Essen. Für Max Heyne ist allerdings entscheidend, »was auf dem Teller und im Glas ist«, da dürfe es auch schon mal lauter zugehen. Der Service ist übrigens unkompliziert und bietet etwa auf die Frage nach einem Glas Leitungswasser direkt eine Gratiskaraffe mit vier Gläsern an – obwohl Wasser flaschenweise verkauft wird.
Die Mischung der verschiedenen kulinarischen Einflüsse auf der Karte erklärt sich durch die Interessen und Reisen der Teammitglieder, zudem will sich das 292 Karangahape Road »in keine kulinarische Schublade pressen lassen«, wie Heyne über den programmatischen Anspruch sagt. Die vier Köche planen die Karte »vom Frühstück bis zum Abendessen« gemeinsam. Die Küche hat übrigens die Abmaße einer Gästetoilette. Das macht es umso erstaunlicher, was hier mit Originalität und Liebe zum Detail gekocht und serviert wird.
> 292 Karangahape Road, Karl-Tauchnitz-Str. 9–11, 04107 (Zentrum-Süd), Tel. 0341/1 40 81 20, Di–Sa 9–24, So 9–19 Uhr, Vorspeisen 7–11 €, Hauptgerichte 14–18 €