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Dresden droht

Die Haushaltslage in Leipzig ist schlechter als erhofft, die Fraktionen schwören sich auf harte Verhandlungen ein

  Dresden droht | Die Haushaltslage in Leipzig ist schlechter als erhofft, die Fraktionen schwören sich auf harte Verhandlungen ein  Foto: Stefan Ibrahim

Der Bericht des Oberbürgermeisters ist meist einer der kürzesten Tagesordnungspunkte. Heute nicht, denn Burkhard Jung (SPD) geht es um nicht weniger als die finanzielle Handlungsfähigkeit Leipzigs. Im Oktober hatte das Rathaus einen auf Kante genähten Haushaltsentwurf für die nächsten beiden Jahre vorgelegt, dieser steht jetzt wieder infrage. Die wirtschaftliche Entwicklung sei »alles andere als rosig« gewesen, nun kämen noch niedrigere Steuerschätzungen und die geplatzten Koalitionsverhandlungen in Dresden hinzu. Weil Jung dort nun die Minderheitsregierung mitverhandele, sei er heute etwas später als sonst im Rathaus gewesen. Und er bringt noch mehr schlechte Nachrichten mit: Aufgrund der miserablen Landesfinanzen könnten sogar zugesagte Fördermittel aus Dresden wieder wegfallen. Bei diesen Unsicherheiten die geplanten Haushaltsreden der Fraktionen einzufordern, sei nicht angebracht, fügt er düster hinzu. »Sie könnten gegebenenfalls heute Dinge sagen, die sie schon nächsten Monat bereuen.«

Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) hat zur Unterstützung ein paar Powerpointfolien mit Zahlen mitgebracht. Aufgelistet sind im kommenden Haushalt eingeplante Gelder, die ausbleiben könnten. Etwa dann, wenn Zuschüsse vom Land nicht kommen oder die Elternbeiträge für Kindertageseinrichtungen nicht erhöht werden. Seufzer aus der Linksfraktion, viele ernste Gesichter. Treten alle Risiken ein, sei man 2025 mit 32 und 2026 mit 78 Millionen Euro weit von einem »genehmigungsfähigen Haushalt« entfernt. Schafft es die Stadt nicht, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen, droht das Ende der kommunalen Selbstverwaltung. Die Stadt könnte dann keine neuen Investitionen mehr tätigen, müsste sparen, wo sie kann. Jung und Bonew wollen mit weiteren Zugeständnissen der Parteien den Haushalt dennoch wie geplant im März beschließen.

Es folgt eine Debatte, die nach Kommunalwahl und Landtagswahl nun mit der Neuwahl auf Bundesebene den dritten Wahlkampf in diesem Jahr eröffnet und nicht an Grundsätzlichem spart. Dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Michael Weickert fällt sogar noch eine Wahl ein, auch wenn die noch zwei Jahre auf sich warten lässt: »Es ist ihr letzter Haushalt als Oberbürgermeister«, ruft Weickert allen das Ende von Jungs Amtszeit ins Gedächtnis. In diesem »Burkhard-Jung-Haushalt« sei kein Konflikt gelöst. »Der Staat hat einfach zu viel Fett angesetzt.« Und auch Jung bekommt nochmal sein Fett weg: Man merke in jeder Ratsversammlung, dass der Oberbürgermeister seine Verwaltung nicht mehr hinter sich habe. »Wenn Sie nicht führen, Herr Oberbürgermeister, dann führen wir.«

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Christopher Zenker gratuliert Weickert später zur »grandiosen Wahlkampfrede für die OB-Wahl 2026«. Nach einem kurzen Ausflug in die Bundespolitik kehrt auch Franziska Riekewald (Linke) gedanklich wieder nach Sachsen zurück. Sie mahnt, dass die CDU seit der Wende im Land regiere: »Die strukturellen Probleme in der Finanzierung der Kommunen sind ein CDU-Problem.« Doch auch die Stadtverwaltung müsse sich bessern: Wenn diese nicht transparenter werde, bringe sie das »wacklige Konstrukt« des Haushalts zum Einstürzen. Riekewald macht klar: »Wir möchten keinen Kahlschlag wie in Dresden«, wo wegen klammer Kassen weitreichende Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich im Raum stehen.

Grünen-Fraktionschef Tobias Peter drängt auf einen raschen Abschluss der Verhandlungen, ein Neustart des Haushaltsverfahrens wäre ein fatales Signal. »Die vielen Vereine, Unternehmen und Projekte brauchen diesen Haushalt zügig.« Eric Recke (BSW) fällt zum Haushalt wenig ein, dafür Wortkompositionen wie »US-Vasallentreue«, »Kriegerische Völkerfeindschaft« oder »CO2-Neutralitäts-Suchlaterne«. Versatzstücke, mit denen er auch in den letzten Wahlkämpfen inhaltliche Lücken füllte. »Was geht ab?«, kommentiert Juliane Nagel aus der Linksfraktion Reckes außenpolitische Ausführungen.    

Am Ende kehrt die Debatte zum finanzpolitischen Selbstverständnis der Stadt zurück. Jung kann sich einen letzten Appell nicht verkneifen: »Ich bin zutiefst davon überzeugt, antizyklisch zu investieren.« Das habe in den dürren Jahren Anfang des Jahrtausends geholfen, zukunftsfähig zu bleiben.


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