Eigentlich fühlt es sich so an, als hätte man gerade erst den fünften Geburtstag zusammen gefeiert. In diesem Jahr wurde das Institut für Zukunft dann zehn – und die Betreiber verkündeten im Juni, dass der Club nach Silvester schließt.
S-Bahnstation MDR – dort, wo erst letztes Jahr die Distillery einem Bauprojekt weichen musste, begann und endete seit 2014 auch jede Nacht im Kohlrabizirkus. Im Detail kann man sich an viele davon gar nicht genau erinnern. Auf den Gängen entstanden trotz der lauten Musik aber auch langlebige und liebgewonnene Feierfreundschaften, neue Kollektive und Veranstaltungsideen. Und manche Momente – Punktresen und Karaoke neben der Bar oder so manches verspulte Set auf Trakt III – haben sich in das kollektive Gedächtnis ganzer Freundeskreise eingebrannt.
Partys im IfZ brachten internationale Künstlerinnen und Künstler nach Leipzig, die davor und danach nie wieder da waren. Mit ihnen spülte es auch ein Publikum in den Club, das mit den Jahren immer vielfältiger wurde. Einige dieser Gäste kommen inzwischen nicht mehr. Denn die Debatten, die der 7. Oktober 2023 nach sich zog, haben Konfliktlinien innerhalb der Szene verhärtet, hier und anderswo. Das IfZ war immer schon Ort für progressive Politik und Vernetzung. Hier fanden Panels statt, wurden Workshops für angehende DJs angeboten. Der Club als Ganzes ist basisdemokratisch organisiert. Aber einen Konsens zu finden, sei es hinsichtlich der eigenen politischen Werte oder der Bewältigung der wirtschaftlichen Schieflage, war zuletzt kaum mehr möglich. Dabei bräuchte es Clubs mit einem ausdrücklich antifaschistischen Selbstverständnis mehr denn je – wo man miteinander streiten, aushandeln und eben auch feiern kann.
Vor fünf Jahren, einige werden sich erinnern, musste mit dem So & So ein Club nördlich des Hauptbahnhofs schließen. Die CG-Gruppe wollte das Gelände bebauen. Kämpferisch arbeiteten dort monatelang alle unbezahlt, man hoffte, einen neuen Ort zu finden, weiterzumachen. Die Schließung des IfZ fühlt sich nun noch trauriger an, irgendwie resignierter. Die Probleme im Kulturbetrieb haben sich multipliziert: nicht nur Investoren, die nichts von elektronischer Tanzmusik verstehen, sondern auch Inflation, Coronaschließungen und -schulden, veränderte Ausgehgewohnheiten nach der Pandemie. »Wir sind da eigentlich nur Spielball der Zeit«, sagt IfZ-Geschäftsführer Franz Thiem. Der Laden verkörpere Ideale, die heute nicht mehr funktionieren. »So scheiße wie damals auch alles war und wie wichtig für uns das IfZ als Raum der Gegenkultur – im Nachhinein hat vieles gut funktioniert. Es ist jetzt ein Scheitern der Idee.«
Während dieser Text entsteht, bittet mit dem Conne Island eine weitere Bastion der Leipziger Nacht- und Subkultur mit einem Crowdfunding um Spenden. Und der Tagesspiegel schreibt, dass die Hälfte der Berliner Clubs überlege, den Betrieb im nächsten Jahr einzustellen. Dabei wurde Berliner Techno doch erst in diesem Jahr zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Heißt also: schützenswert. Städte müssen sich fragen, wie viel ihnen die lokale Nachtkultur und ihr eigenes Image als attraktives Zuhause für junge Menschen in Zukunft wert ist. Dazu gehört übrigens eine Vielfalt an Ausgehmöglichkeiten und nicht nur ein oder zwei Liebhaberprojekte.
Ein kleiner Trost: Die Gewölbe unter dem Kohlrabizirkus sollen eine Spielstätte bleiben. Die Stadt hatte das Gebäude 2021 gekauft und signalisierte zuletzt, dass Kultur hier auch nach der Schließung des IfZ stattfinden soll. Wann und wofür die schweren Eisentüren am Einlass wieder aufgehen werden, ist aber noch unklar.
An den letzten Wochenenden des Jahres dürfen jetzt alle noch mal kommen, den Abschied mit Schnaps, Bier und Tränen begießen. Bei der sonntäglichen Rillendisco, zum Hiphop-Konzert oder beim großen Knall zu Silvester.
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