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»Ich bin nicht so der Socializer und Tänzer«

Christoph Schirmer ist jetzt vor allem Booker in der Moritzbastei, aber immer noch auch DJ Preller – ein Gespräch über Leipziger Clubkultur

  »Ich bin nicht so der Socializer und Tänzer« | Christoph Schirmer ist jetzt vor allem Booker in der Moritzbastei, aber immer noch auch DJ Preller – ein Gespräch über Leipziger Clubkultur  Foto: Christiane Gundlach

Seit diesem Sommer ist Christoph Schirmer alias Preller Programmleiter der Moritzbastei. Uns hat er verraten, was für ihn einen guten Club ausmacht, wie sich durch die Pandemie die Feierkultur verändert hat und warum er nicht glaubt, dass Clubsterben ein Indiz für ein Überangebot an Locations ist.


Wie und warum sind Sie DJ geworden?

Ich habe mich schon als Jugendlicher sehr für Musik interessiert und damals auch Gitarre in verschiedenen Bands gespielt. Unter anderem bei den Doc Flippers, einer Psych-Garage-Rock-Band, die es auch heute noch gibt. Die anderen Bandmitglieder waren aber damals schon besser als ich und zugleich wollte ich mich musikalisch auch nicht so festlegen. Neben Indie war ich damals schon interessiert an elektronischer Musik. Ich bin nicht so der Socializer und Tänzer. Das Gute ist: Mit dem Auflegen muss man das beides nicht machen, und kann trotzdem ganz gut am Abendgeschehen teilnehmen. Meinen ersten Auftritt hatte ich dann bei einer Persona Non Grata-Releaseparty (Leipziger Kulturmagazin; Anm. d. Red.). In Leipzig wurde damals musikalisch noch sehr stark in Kategorien gedacht, anders als heute.

Was waren das für Kategorien?

Es gab die politisch Linken, die elektronische Musik gehört haben und ins Island gegangen sind. Die Indie-Leute sind in die Ilse, und die Punker natürlich ins Zorro. Und dann kam die New-Rave-Phase auf, in der ich auch voll aufgegangen bin. Mich haben diese Grenzen aber eher gelangweilt und ich habe mich dementsprechend musikalisch nicht so festgelegt. Das hat dann manchmal auch für Irritationen gesorgt – so nach dem Motto: Was macht der denn hier in dieser Szene?

Sie kommen ursprünglich aus Chemnitz und sind als Jugendlicher nach Leipzig gekommen. Wie haben Sie die Feierkultur der Stadt damals wahrgenommen?

Es gab viel mehr Freiräume als heute. Das ist natürlich die erwartbare Standardantwort, aber es war so. Alles, was leer stand, haben wir für Raves oder Konzerte genutzt. Egal, ob in Hinterhöfen, Kellern oder alten Industriehallen. Heute gibt’s natürlich auch noch illegale Raves, aber die finden dann halt nicht mehr in der Stadt selbst statt, sondern irgendwo draußen im Grünen. Gleichzeitig muss man aber auch sagen: Das Club-Angebot heute ist deutlich größer als etwa in den frühen 2000er Jahren.

Was zeichnet für Sie denn einen guten Club aus?

Wenn es ums Auflegen geht, ist natürlich eine gute Anlage wichtig. Aber auch, dass es ein Publikum gibt, das keine zu spezifische Erwartungshaltung hat, so dass du als DJ verschiedene Sachen ausprobieren und die Leute somit auf eine Reise mitnehmen kannst.

Und aus Sicht des Veranstalters? Sie sind seit diesem Sommer ja auch Programmleiter der Moritzbastei …

Im Grunde genommen ist es ähnlich. Man muss als Veranstalter aber natürlich noch mehr darauf achten, dass die Leute wirklich abgeholt werden. Gleichzeitig ist es wichtig, dass es nicht nur Standard-Partys mit Standard-Hits gibt, die man eh schon alle aus dem Radio oder aus Spotify-Playlists kennt.

Wie haben sich die Ausgehgewohnheiten über die Jahre verändert?

Insgesamt ist mein Eindruck, dass die Leute heute eher wissen, was sie wollen, dadurch aber auch weniger bereit sind, sich auf etwas Neues einzulassen. Und die Geduld hat abgenommen. Das führt dazu, dass man als DJ schneller auf konkrete Höhepunkte hinarbeiten bzw. von Anfang bis Ende einen Abriss bieten muss. Sonst wenden sich die Leute ab.

Woran liegt das?

Ich glaube, das hat sich mit der Pandemie verändert. Vorher war es so, dass sich die nachrückenden Generationen die Verhaltensweisen im Club, aber auch die Erwartungshaltung immer ein bisschen von der Vorgängergeneration abgeschaut haben. Mit Corona gab es dann einen Nullpunkt, einen kompletten Cut. Zwei, drei Jahre lang waren die Clubs komplett oder vorübergehend geschlossen. Danach hat sich dann unter jungen Leuten eben auch eine zum Teil ganz neue Clubkultur etabliert, die weniger an bestimmten Vorbildern orientiert war.

Aktuell sind viele Clubs von der Schließung bedroht – nicht nur, aber auch in Leipzig. Etwas ketzerisch gefragt: Gibt es vielleicht aktuell einfach zu viele Clubs? Ist das Angebot im Vergleich zur Nachfrage zu groß?

Das glaube ich nicht. Die Schließungen der einzelnen Clubs hatten ja auch unterschiedliche Gründe: Die vorübergehende Schließung der Distillery – die bald wieder eröffnet – hatte andere Gründe als die des IfZ, und die hatte wiederum andere Gründe als beim Mjut. Ich sehe höchstens eine Parallele zwischen IfZ und Conne Island, was die wirtschaftlichen Folgen der unsäglichen BDS-Kampagne angeht.

MITARBEIT: BENJAMIN HEINE


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