üsteren, elektronischen Post-Punk mit feministischem Selbstverständnis und klaren politischen Ansagen macht Christin Nichols. Für ihr neues Album »Rette sich, wer kann« gründete die Deutsch-Britin ihr eigenes Label My Own Party Records. Im Januar kommt die Musikerin, die mit der Band Prada Meinhoff begann und auch als Schauspielerin und Synchronsprecherin arbeitet, nach Leipzig – ein Gespräch über Pop und Politik, Tiktok und Terminkalender.
Sie sind gerade auf Tour. Wie sieht Ihr Leben zwischen den Konzerten aus?
Ich bin viel im Studio. Dort arbeite ich kontinuierlich weiter mit verschiedenen Produzierenden. Ansonsten spiele ich Theater, drehe verschiedene Formate fürs ZDF und für Disney und dann habe ich manchmal noch ein bisschen Privatleben.
Schauspielerei, Musik, Synchronsprechen – wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?
Ich hab einen richtig geilen Kalender, da steht alles drin. Auch viele Pausen. Es ist auch gar nicht so ein Ding, ich habe ja nicht drei verschiedene 9-to-5-Jobs. Ich habe nur mal einen Tag lang eine Session oder an einem Abend ein Konzert oder einen Vormittag, an dem ich spreche.
Warum haben Sie fürs zweite Album »Rette sich, wer kann!« Ihr eigenes Label My Own Party Records gegründet?
Ich wollte unabhängig sein und Entscheidungen selber treffen oder zusammen mit den Leuten, für die ich mich entscheide.
Ihre Musik entsteht aus einem feministischen Selbstverständnis und beinhaltet sehr klare politische Aussagen. Woher rührt diese Notwendigkeit, Ihre politischen Überzeugungen so in die Musik zu überführen?
Die Frage ist eher, wie es kommt, dass das bei anderen Leuten nicht so ist. Es gibt einfach die Notwendigkeit, sich in dieser Gesellschaft, in der wir leben, für Gleichberechtigung auf allen Ebenen einzusetzen. Punkt. Solange jeden Tag eine Frau von ihrem Mann oder Expartner getötet wird, ist es wichtig, sich den Raum zu nehmen. Ich finde, jeder Mensch hat das Recht auf Glück und Glücklichsein und es funktioniert nicht, wenn es so ist, wie es ist.
Was kann Popmusik angesichts der aktuellen Weltlage ausrichten?
Ich glaube, Musik schafft ein Gefühl von Zusammenhalt. Das finde ich wichtig. Ich meine: Guck dir mal Taylor Swift und die Swifties an. Da ist die Message ja auch einfach Liebe und Zusammenhalt, das finde ich schon unglaublich schön und wichtig. Musik gibt Halt und Wärme und man fühlt sich gesehen, zum Beispiel von einem Artist. Und in einer Zeit, in der es eine große Einsamkeit bei Leuten gibt, finde ich es wichtig, Wege zu einem Miteinander zu suchen.
Haben Sie das Gefühl, dass Popmusik in Deutschland politisch zu passiv ist?
Nein, ich würde nie anderen Kolleginnen oder Kollegen vorschreiben, wie sie ihre Kunst machen sollen, never ever. Ich finde, der Diskurs ist wichtig, aber ich habe auch noch nicht geknackt, wie man’s macht. Weil, sobald man anfängt, politische Themen aufzugreifen, kommt sofort ein Backlash, etwa bei Facebook. Der BR hatte mal den Song »Bodycount« von mir gepostet und da waren dann lauter Jürgens und Detlevs und Brigittes, die sich mega aufgeregt haben, dass ich Deutsch und Englisch mische. Da hieß es dann: Na, die junge Dame soll mal Deutsch lernen. Und ich weiß nicht, wie ich mit diesen Leuten umgehen soll, weil: Ich bin voll nett.
Sie haben auch einige Songs, die sich kritisch mit dem Thema Social Media auseinandersetzen. Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu sozialen Netzwerken?
Ich hab vor anderthalb Jahren Tiktok für mich entdeckt und ich find’s voll geil. Mega die coole, informative Plattform. Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht komplett doomscrolle.
Und wie finden Sie es, als Musikerin heutzutage nebenbei noch Content-Creatorin sein zu müssen?
Das ist natürlich wahnsinnig zeitaufwendig und ich finde das schon krass, dass das jetzt so sein muss und dass es halt so unpaid labour ist. Das ist schon ein Thema, das ich schwierig finde. Auf der anderen Seite ist die Gesellschaft im Wandel und es ist nicht mehr die Tageszeitung, wo man reinguckt oder Viva und MTV. Das hat sich so entwickelt und wir müssen damit umgehen, ob wir das geil finden oder nicht. Und um eine Reichweite zu generieren, musst du auch sagen: Hallo, hier bin ich!
> 22.1., 20 Uhr, Conne Island