anzeige
anzeige
Kultur

Europe’s First Lady of Jazz

Am 4. Februar wäre die Leipziger Pianistin Jutta Hipp 100 Jahre alt geworden

  Europe’s First Lady of Jazz | Am 4. Februar wäre die Leipziger Pianistin Jutta Hipp 100 Jahre alt geworden  Foto: Wikimedia

Dass das Leben der Jutta Hipp bis dato noch nicht verfilmt wurde, verwundert sehr. Denn bei näherer Betrachtung beinhaltet es alles, was den Gehalt großer Geschichten ausmacht: den rasanten Aufstieg eines Underdogs, einen ebenso tiefen Fall und so einige unerwartete Wendungen. Wer aber war diese Frau, von der der ebenfalls aus Leipzig stammende Jazzklarinettist Rolf Kühn einmal sagte, sie sei schon vor den Hippies hip gewesen? 

Geboren wurde Jutta Hipp im Jahr 1925 im damals kulturell aufblühenden Leipzig. Schon früh bekam sie klassischen Klavierunterricht. Im Alter von 15 Jahren kam sie das erste Mal mit Jazz in Kontakt, der einen bleibenden Eindruck hinterließ. Zunächst aber musste sie ihre Leidenschaft heimlich ausüben: Denn die Musik galt unter dem damals herrschenden nationalsozialistischen Regime als »entartet«. Dennoch spielte Hipp bereits zu der Zeit in einer Amateurjazzband im damals illegalen Hot Club Leipzig. 

Nicht zuletzt, da der Jazz als genuin US-amerikanische Musik in der Nachkriegszeit auch im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands verfemt war, zog es Hipp 1946 schließlich an den Tegernsee nach Bayern. Dort trat sie in Tanzlokalen und Offiziersclubs vor US-amerikanischen GIs auf, die sich begeistert zeigten von Hipps Spielfreude und Virtuosität. Als sie sechs Jahre später nach Frankfurt am Main ging, um in der Hans-Koller-Band mitzuwirken, war sie längst keine Unbekannte mehr und galt bereits als eine der talentiertesten Jazzpianistinnen Europas. 

Auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes schließlich zog es sie Mitte der fünfziger Jahre weiter nach New York. Dort hatte sie zuvor einen Vertrag beim legendären Jazzlabel Blue Note unterschrieben, das 1939 von den beiden deutsch-jüdischen Jazz-Enthusiasten Alfred Lion und Francis Wolf nach ihrer Flucht aus Nazi-Deutschland gegründet worden war. Auch in der US-Metropole zeigte man sich zunächst begeistert von »Europe’s First Lady of Jazz«, wie Hipp damals genannt wurde. 

Doch der Höhepunkt ihrer Karriere in Übersee markierte zugleich auch den Beginn ihres musikalischen Abstieges: Die Engagements nahmen ab, denn die musikalische Konkurrenz in der US-Metropole war ungleich größer als in Deutschland, wo Jazz zu jener Zeit noch ein absolutes Nischenprodukt war. Hinzu kamen Lampenfieber und Existenzängste, denen sie wiederum mit exzessivem Alkoholkonsum beizukommen versuchte. 

Ende der Fünfziger schließlich nahm sie einen Job als Näherin in einer Kleiderfabrik in Queens an. Zwar trat sie zunächst noch gelegentlich in Jazzclubs auf – doch schon 1960 wandte sie sich gänzlich von der Bühne ab und beendete ihre Musikkarriere. Fortan wurde die Malerei ihre neue künstlerische Leidenschaft, die sich bereits in den vierziger Jahren mit ihrem Grafik-Studium an der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig abgezeichnet hatte, der heutigen HGB. 

Als ihre spätere Biografin Ilona Haberkamp Hipp 1986 in ihrer New Yorker Wohnung besuchte, zeigte sie sich verwundert, dass sie gar kein Klavier vorfand. »Was soll ich damit, wenn ich nicht mehr spiele?«, soll Hipp daraufhin trocken geantwortet haben. Gleichwohl blieb sie dem Jazz bis zu ihrem Tod im Jahr 2003 eng verbunden, fotografierte beispielsweise bei Konzerten. 
Zu dem Zeitpunkt war sie beim breiten Publikum längst in Vergessenheit geraten und höchstens eingeschworenen Jazz-Nerds ein Begriff. Doch seit einiger Zeit scheint das öffentliche Interesse an ihr wieder zuzunehmen. Dazu beigetragen hat insbesondere Haberkamps im vergangenen Jahr erschienene Hipp-Biografie »Plötzlich Hip(p)«, die ein breites Medien-Echo nach sich gezogen hat. 
Und auch in ihrer Heimatstadt Leipzig, die Hipp bereits im jungen Alter von 21 Jahren verlassen hat, ist sie in den vergangenen Jahren wieder zunehmend ins Bewusstsein gerückt. So gibt es im Südosten der Stadt seit 2011 den Jutta-Hipp-Weg. Zudem wird seit 2023 vom Jazzverband Sachsen einmal pro Jahr der Jutta-Hipp-Preis verliehen. 

Nun, anlässlich ihres 100. Geburtstages am 4. Februar, veranstaltet der Verein Leipjazzig ein Gedenkkonzert zu Ehren Hipps, bei dem verschiedene Kompositionen der Jazzpianistin in verschiedenen Besetzungen neu interpretiert werden. 

 

> Sonderkonzert zum 100. Geburtstag von Jutta Hipp mit mehreren Ensembles und Hipp-Biografin Ilona Haberkamp: 4.2., 20 Uhr, Alte Handelsbörse 

> Ilona Haberkamp: Plötzlich Hip(p): Das Leben der Jutta Hipp zwischen Jazz und Kunst. Hofheim am Taunus: Wolke 2022. 224 S., 28 € 


Kommentieren


0 Kommentar(e)