Eine Fotografie verhinderte 1969 den Einzug der NPD in den Bonner Bundestag. So zumindest erzählte es die Fotografin Barbara Klemm. Es war nicht ihre Meinung, sondern die des damaligen Außenministers Walter Scheel. Das Foto von Klemm zeigte Ordnungstruppen der NPD bei einer Wahlkampfveranstaltung vor dem Cantate Saal in unmittelbarer Nähe zum Goethe-Haus in Frankfurt/ Main.
Die Abbildung wanderte durch die damalige Medienlandschaft vom Lokalteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bis zum Spiegel und The Observer. Laut Scheel verdeutlichte es die drohende Gefahr, Neonazis wieder in einem Parlament zu haben. Die Reproduktion der behelmten, dicken Ordner in den Massenmedien bildete für ihn so einen konkreten Weckruf. Wenn es denn heute noch so einfach wäre, könnte der eine oder die andere denken. Es wäre ja schon gut, wenn sich die Parteien halbwegs Mühe geben würden bei der Gestaltung ihrer Plakate. Denn die Kunstgeschichte ist reich an guten Motiven im Kampf um demokratische Positionen.
»Benütze Foto als Waffe«
»Benütze Foto als Waffe« stand über der Tür in den Raum mit Arbeiten von John Heartfield in der Ausstellung »Film und Foto« der Stuttgarter Werkbundausstellung 1929. Heartfield lieh sich die Losung von den Arbeiterfotografen und fertigte demgemäß seit den 1920er Jahren beißende Kommentare auf die politische Situation, entwarf eine antifaschistische Bilderwelt, die leider auch nicht die Wahlerfolge der Nazis verhinderte. Trotzdem stellen die scharfsinnigen Fotomontagen heute nicht nur Klassiker der visuellen Kultur dar, sondern regen zum Denken an.
Antifaschismus stärken
»Wir werden durch die Plakate nicht die AfD im Parlament verhindern«, weiß Ludwig Henne im Gespräch mit dem kreuzer von der Initiative kompliz*, die die Aktion »Mach dein Kreuz« organisiert. Aber immerhin Menschen zum Wählen motivieren und ins Gespräch über die Wahlen zu bringen, das ist das Ziel der 50 Künstlerinnen und Künstlern. Benjamin Badock über Norbert Bisky, Ricarda Roggan und Sophia Süßmilch bis zu Matthias Weischer stellten Motive für Plakate zur Verfügung. Diese können von der Homepage von Mach dein kreuz heruntergeladen, ausgedruckt, verteilt und an Wände geklebt werden. Aber die 2017 gegründete Initiative kompliz*, die aus einem Netzwerk von 140 Vereinen und Institutionen besteht, das sich in Sachsen für Demokratie und Kultur einsetzt, unterstützt mit der Aktion auch die Sichtbarkeit von Initiativen, die sich beispielsweise im ländlichen Raum um demokratische Strukturen kümmern.
Zeichen zu setzen, bedarf es aktuell deutlicher denn je, denn der gerade zu erlebende Nothaushalt führt dazu, dass viele Orte der politischen Bildung vor der Bundestagswahl ihre Arbeit stark einschränken müssen. Die Gedenkstätte Zwangsarbeit in Leipzig beispielsweise erklärte vergangene Woche, dass sie ihre Öffnungszeiten einschränken müsse. Wie alle anderen Projekte mit Landesfördermitteln auch, erhält die Institution bis zum offiziellen Haushalt nur 30 Prozent des Jahresbudgets 2024, was Einsparungen bei den Personalkosten zur Folge hat. Das bedeutet in den aktuell politisch brisanten Zeiten, dass eine Institution, die sich als einzige in der Stadt explizit mit dem Nationalsozialismus und dessen Folgen beschäftigt, sich nur eingeschränkt in der Bildungs- und Erinnerungsarbeit einbringen kann. Andere Akteure können ihre Arbeit nur über Ehrenamt abdecken, was in Gegenden mit gut ausgebildeten Nazistrukturen ein großes Manko ist.
Die Plakate, wie insgesamt die Initiative, sollen deshalb auch »Mut und Zuversicht an die Akteure aussenden«, die in Zeiten des kulturellen Raubbaus versuchen, eine stabile Arbeit gegen undemokratische Kräfte zu erhalten. Dass das um so wichtiger ist, zeigt aktuell das Beispiel Bautzen. Dort wurde gerade die städtische Teilnahme am Programm »Partnerschaft für Demokratie« beendet. Das liegt nicht am dortigen flächendenkenden Antifaschismus, sondern an Einsparideen. Die AfD hatte zudem schon die Streichung der Unterstützung für Projekte vom dortigen soziokulturellen Zentrum Steinhaus eingefordert.
> Wahlplakate und mehr Infos zur Aktion gibt es unter #machdeinkreuz