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Nachtratlos 

Die Stadt Leipzig springt mit noch mal 120.000 Euro für die Koordinierungsstelle Nachtleben ein – die trotzdem gerade unbesetzt ist

  Nachtratlos  | Die Stadt Leipzig springt mit noch mal 120.000 Euro für die Koordinierungsstelle Nachtleben ein – die trotzdem gerade unbesetzt ist  Foto: Christiane Gundlach

Wir müssen kurz ausholen. Stichwort Nachtrat. Seit September 2021 ist dieser die Schnittstelle zwischen der Verwaltung und dem Nachtleben der Stadt. Seine Mitglieder kommen aus Leipziger Clubs, unter anderem aber auch von der Aidshilfe und den Drug-Scouts, der Industrie- und Handelskammer, der Polizei und dem Kulturamt. Weil das ein ziemlich bunter Haufen ist und weil die Aufgaben ähnlich vielseitig sind, gibt es zwei zentrale, hauptamtliche Positionen in dem Konstrukt: den »Fachbeauftragten für Nachtkultur« und die »Koordinatorin Nachtleben«. Der eine ist im Kulturamt angestellt, die andere beim Livekommbinat, jenem Verein, der die Interessen der Leipziger Clubs und Musikspielstätten vertritt. Das klingt logisch.

Es geht auch logisch weiter: Die Stadt Leipzig hat ihren »Fachbeauftragten für Nachtkultur« ausgewählt und zahlt ihm – Nils Fischer – seit Oktober 2021 das Gehalt für seine Arbeit im Kulturamt. Das Livekommbinat wiederum hat seine »Koordinatorin Nachtleben« ausgesucht: Im August 2023 hat Kristin Marosi ihr Amt angetreten und ihr Gehalt vom – und jetzt kommen wir an die Grenzen des Logischen. Denn nicht das Livekommbinat zahlt »seine Hälfte«, sondern die Stadt Leipzig. Für die Jahre anderthalb 2023 und 2024 gab sie der Stelle eine Anschubfinanzierung von 90.000 Euro. Das kann man nur ehrenwert und wertschätzend für die Szene nennen. Und man könnte sich fragen, wer in der Szene 60.000 Euro Arbeitgeberbrutto im Jahr verdient.

Nun endete diese – wir erinnern uns – Anschubfinanzierung am 31. Dezember 2024. Weswegen das Livekommbinat im Oktober 2024 in einer kleinen Pressekonferenz Alarm schlug: Wie soll es im Januar weitergehen? Soll die wertvolle Arbeit von Kristin Marosi, ihr Engagement, ihr Reinfuchsen und Netzwerken umsonst gewesen sein? Die Szene könne die Kosten für Marosis Stelle jedenfalls nicht aufbringen. Auch keinen Anteil der 60.000 Euro im Jahr, hieß es auf Nachfrage. Und nein, die Stadt solle bei der Besetzung der Stelle nicht mitreden, nur finanziell einspringen. Man habe mit Kristin Marosi ja schon die Idealbesetzung.

Bei aller Sympathie für die Szene und für die Kultur sowie dem Wissen um die schwierige Situation dieser (s. diese Titelgeschichte und jeden kreuzer seit Sommer 1991) könnte man das wohlwollend vielleicht noch »naiv«, eigentlich aber nur »dreist« nennen. Das Livekommbinat hat immerhin 18 Mitglieder – darunter Felsenkeller, Kupfersaal, Moritzbastei und Werk 2 –, von denen einigen die Arbeit der Nachtkoordinatorin doch 200 oder 500 Euro im Monat wert sein sollte, würde man meinen. Zumindest eine halbe Stelle sollte so doch machbar sein.

Aber der Hilfeschrei wurde erhört: Das Kulturdezernat schlug dem Stadtrat die »Weiterführung der Finanzierung der Koordinierungsstelle Nachtkultur« über den Haushaltsposten »Vernetzung Freie Kunst und Kultur« vor – und der Stadtrat stimmte in seiner Sitzung kurz vor Weihnachten zu, zu jeweils 60.000 Euro für die Jahre 2025 und 2026. Die LVZ schrieb: »Koordinierungsstelle im Nachtrat Leipzig bleibt – Kristin Marosi kann erst mal weitermachen«.

Nur hatte sich Kristin Marosi unterdessen auf eine andere Stelle beworben – die sie zum 1. Januar auch angetreten ist. Keine Pointe.

■ Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe lagen dem Livekommbinat 21 Bewerbungen für die Marosi-Nachfolge vor; eine Lücke von mindestens zwei Monaten plus Einarbeitungszeit für die Nachfolge besteht aber.

 


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