»Die Kultur ist so existenziell für diese Stadt, dass wir alles dafür tun, dass sie ohne Schaden durch diese Haushaltssituation kommt« – sagte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) anlässlich der Vorstellung des Doppelhaushaltsentwurfs im vergangenen Oktober. Diesem Versprechen steht ein Loch im nächsten Doppelhaushalt gegenüber: Finanzbürgermeister Torsten Bonew (CDU) beziffert die Risiken auf über 100 Millionen Euro. Die zusätzlichen Wünsche der Fraktionen, über die der Stadtrat am 12. März abstimmt, sind da noch nicht mit einberechnet.
Eine Erhöhung des Kulturetats ist für die Stadt angesichts dieser Haushaltslage nicht drin. Sondern nur eine Fortschreibung der Ausgaben auf dem Niveau von 2024, was aber faktisch eine Kürzung ist: Weil Kosten für Personal, Energie und Veranstaltungen enorm gestiegen sind. Darunter leidet insbesondere die freie Szene. Das Bündnis »Leipzig plus Kultur« erinnerte in den letzten Monaten den Stadtrat mehrfach: »Allein die institutionell geförderten Einrichtungen der freien Szene bieten jährlich knapp 30.000 Kulturangebote mit über einer Million Zuschauerinnen und Zuschauern an.« Die freie Szene stemme damit 50 Prozent des Kulturgeschehens in der Stadt, erhalte aber nur 7 Prozent der Mittel aus dem Kulturetat. Jährlich 11,9 Millionen Euro plant die Stadtverwaltung in ihrem Haushaltsentwurf für die freie Szene 2025 und 2026 ein. Zum Vergleich: Der Oper Leipzig als städtischem Eigenbetrieb sagte der Stadtrat bis 2026 etwa 54 Millionen Euro jährlich zu. In den Jahren darauf wird sich aber auch die Hochkultur auf Kürzungen einstellen müssen.
Um die Preissteigerungen in der freien Szene abzumildern, wollen Grüne, Linke und SPD deren Etat in beiden Haushaltsjahren um 300.000 Euro erhöhen. Zusätzlich sollen für eine Basisförderung ab 2026 mindestens 500.000 Euro jährlich zur Verfügung stehen: Anstatt sich jedes Jahr neu auf eine Projektförderung bewerben zu müssen, sollen Kulturangebote somit bis zu vier Jahre gefördert werden und damit mehr Planungssicherheit erhalten. In beiden Haushaltsjahren soll zudem das Budget für Erinnerungskultur um jeweils 100.000 Euro erhöht werden.
Kürzen wollen hingegen CDU und AfD. Ihre Änderungsanträge bekamen bei der Vorabstimmung im erweiterten Finanzausschuss Anfang Februar allerdings keine Mehrheit. Ob die Fraktionen ihre Anträge bei der endgültigen Abstimmung am 12. März noch mal im Stadtrat auf die große Bühne bringen, wird sich zeigen. Die symbolischen Angriffe auf Leipzigs Kulturszene haben jedenfalls an Gewicht gewonnen, seitdem die eindeutige Mehrheit links der Mitte abgewählt wurde.
Das zeigte sich erstmals an der Abstimmung zum Umzug des Naturkundemuseums in den Bowlingtreff, den die CDU in letzter Sekunde verhindern wollte – und damit BSW und AfD auf ihrer Seite hatte. »Es ist ein Museum und keine übergeordnete Investition in die Wirtschaft oder die Stadt selbst«, begründete BSW-Stadtrat Sascha Jecht die Haltung seiner Fraktion, die wenig später erneut Schlagzeilen machte: Das BSW hatte gefordert, Conne Island, Werk 2 und Nato insgesamt 330.000 Euro zu kürzen. Später hatte dieser Antrag sogar innerhalb der Fraktion keine Mehrheit mehr, außerdem fehlte die Unterstützung im erweiterten Finanzausschuss. Der Antrag wird im März damit nicht zur Abstimmung kommen, aber der Ton ist gesetzt. Den Vorwurf der »ideologisch verengten Programmpolitik« und der »praktizierten Cancel Culture« nahm das BSW bis heute nicht zurück, was FDP-Stadtrat Sven Morlok im Januar an die Decke gehen ließ: »Eine Gesellschaft, die sich nur auf Staatskultur, auf Mainstreamkultur stützt, ist nicht wirklich frei. Das haben wir erlebt bei den Nazis, das haben wir erlebt bei der SED und erleben wir jetzt bei Putin in Russland.«
Neben dem üblichen Feindbild Conne Island – 60.000 Euro will die CDU diesem streichen – wollten die Konservativen diesmal noch mehr Einrichtungen an den Kragen: Kino der Jugend, Euroscene, Dok-Filmfestival. Ginge es nach der CDU, erhielten alle drei direkt oder ab 2027 keine Mittel mehr. Auch auf die Dynamisierung für die freie Szene von jährlich 2,5 Prozent will die CDU verzichten.
Zusätzliche Verunsicherung kommt aus Dresden: Die Landesregierung steht nach den schwierigen Koalitionsverhandlungen erst am Anfang der Haushaltsverhandlungen, will den Doppelhaushalt im Sommer verabschieden. Geringe Steuereinnahmen und gestiegene Ausgaben, insbesondere im Sozialbereich, verringern den Spielraum in Dresden. Hinzu kommt die strengste Schuldenbremse aller Bundesländer, die Kreditaufnahmen erschwert. Auf seiner Haushaltsklausur Anfang Februar verständigte sich das Kabinett darauf, die Ausgaben etwa auf gleichem Niveau zu halten – immerhin. Kürzungen in der Kultur sollen weitgehend vermieden werden. Eine Anpassung an die Preissteigerung bleibt aber aus. Und bis der nächste Doppelhaushalt steht, erhalten geförderte Kulturprojekte vorerst nur 30 Prozent der im Jahr 2024 bewilligten Mittel, wie eine Kleine Anfrage der Leipziger Grünen-Landtagsabgeordneten Claudia Maicher ergab.