Oberkörperfrei inspiziert Salome den Kopf von Johannes dem Täufer, der ihr auf einem Tablett gebracht wird. Das Bild »Salome II« von Lovis Corinth stammt aus dem Jahr 1899/1900 als der Salome-Mythos nach dem Erscheinen und dem damit verbundenen Skandal um den gleichnamigen Einakter von Oscar Wilde sehr populär war. Die Frau als Begehrende und zugleich als Femme Fatal stereotypisiert, gelangte 1957 in die Leipziger Museumssammlung, zeitgleich zu dem daneben hängenden Gemälde »Weiblicher Halbakt« des Malers Franz von Lenbach (ebenfalls aus dem Jahr 1897). Dazwischen steht die kleine Skulptur »Speerschleudernde Amazone« von Franz von Stuck aus dem Jahr 1901. Über allen drei Kunstwerken ist das Zitat »Müssen Frauen nackt sein, um ins Museum zu kommen?« von den US-amerikanischen Aktivistinnen Guerilla Girls aus dem Jahr 1989 zu lesen. Offensichtlich ja – so liest sich zumindest die Eingangssituation der Ausstellung »Rollenbilder. Frauen in der Sammlung des Museums der Bildenden Künste«. Sie entstand aus einer Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte der Leipziger Universität.
Bis Mitte Mai ist die Ausstellung in der dritten Museumsetage zu sehen und soll zeigen, dass es schon immer Künstlerinnen, Sammlerinnen und Kuratorinnen in der Institution gab. Sie schränkt sich selbst zeitlich vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert ein. So kann, wie auch schon in der nebenan gezeigten Ausstellung »Bilderkosmos # 2« der Nationalsozialismus erfolgreich umschifft werden, auch wenn 1942 im Museum die Ausstellung »Die Frau als Künstlerin« zu sehen war und ein Blick darauf ebenfalls interessant gewesen wäre.
Blumen, Kinder, Tiere
Die Ausstellung zeigt in unterschiedlichen Kapiteln die Motive und Motivationen von Frauen in der bildenden Kunst. Dabei sind viele Kinder, Blumen und Tiere in zarten Farben zu sehen. Da sich die Schau selbst auf Grafik, Malerei und Skulptur begrenzt, fallen Gebiete raus, die der ganzen Thematik, um die seit den 1970er Jahren schon genügend durchdeklinierten Rollen von Frauen im Kunstfeld, einen interessanten Dreh gegeben hätte. »Frauen und Technik« bezogen auf die, in Leipzig früh bereits an der Kunstakademie gelehrte, Fotografie sowie Buchkunst wäre eine spannende Erweiterung gewesen. Denn ein Argument vieler Künstlerinnen war, dass sie sich schnell neue Technik – insbesondere der technischen Reproduktion von Bildern – aneigneten. Dazu zählen Fotografie oder später Film- und Videotechnik, um sich von der Vorbildwirkung der Künstler in den traditionellen Kunstgattungen zu befreien und eigene Bildsprachen zu produzieren.
Ein Plus der Schau sind die nur äußerst selten zu sehenden Arbeiten von Käthe Kollwitz und Martha Schrag. Daneben werden Stifterinnen wie Hedwig von Holstein vorgestellt, die es nicht auf das Stiftermosaik im Eingangsbereich des Museums geschafft haben.
Zitatparcours
Irritierend sind die neben den Texten zu den Kunstwerken und den Saaltexten in den Ausstellungsräumen zu lesende Zitate. Besonders auffällig wird es bei dem Gemälde von Doris Ziegler »Frauen in der Spinnerei« (1978/79) – als einziger Vertreterin aus der Zeit der DDR. Hier findet sich der Spruch von Simone de Beauvoir »Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es« aus ihrem 1949 veröffentlichten Buch »Das andere Geschlecht«. Es stellt sich die Frage, warum nicht auch Stimmen aus der DDR passend gewesen wären. Brigitte Reimann zum Beispiel beschreibt in »Die Geschwister« (1963) sehr bildhaft die Konflikte einer jungen Malerin in der DDR. 1977 publiziert Maxi Wander die Protokolle aus dem Leben von Frauen in der DDR unter dem Titel »Guten Morgen, du Schöne«. Zitate aus diesen Werken wären zumindest näher an den zu sehenden Frauen. Mehr Mut zu neuen Wegen und Zusammenhängen hätten der Ausstellung auf jeden Fall gutgetan.
› »Rollenbilder. Frauen in der Sammlung des Museums der Bildenden Künste«, bis 11.5.2025
› Kuratorinnenführung am 8.3. um 16 Uhr und am 23.3. um 11 Uhr