Leben und sterben lassen
Zur Lage in der Kulturstadt Leipzig
in unsicheren (Haushalts-)Zeiten
Weniger Kultur, weniger Lebensqualität, weniger Raum für Bildung, eine geringere Strahlkraft als Kulturmetropole »und damit eine geschwächte Attraktivität als Standort« – diese Folgen von Kürzungen in der Kulturförderung benennen 15 der wichtigsten Kulturinstitutionen der Stadt in einer Petition, die mehr als 20.000 Menschen mitgezeichnet haben. Die Petition heißt: »Dresden braucht seine Kultur!« – in Leipzig dagegen: bedächtige Töne, bunte Plakate, ungefähr 300 Menschen in der Wandelhalle des Neuen Rathauses. Sie protestieren für den finanziellen Erhalt der freien Szene in Leipzig, dirigiert vom Altmeister der lokalen freien Szene, der das sichtlich genießt. Falk Elstermann, der von 1992 bis 2022 in der Nato tätig war und »Leipzig plus Kultur«, das Organ der freien Szene in der Stadt, maßgeblich prägte und präsentierte, steht seit Herbst 2022 der Kulturstiftung Leipzig als Geschäftsführer vor – wechselte also von der institutionell geförderten Soziokultur zur institutionellen Förderung im Bereich Interdisziplinäres.
Es gibt Handzettel für die Mitglieder des Stadtrats, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. »In Sachsen ist Kulturpflege keine ›freiwillige Aufgabe‹, sondern gemäß § 2 des Kulturraumgesetzes ›Pflichtaufgabe der Gemeinden und Landkreise‹. Bitte gehen Sie sorgsam damit um!«, wird Leipzigs ehemaliger Kulturbürgermeister Georg Girardet darauf zitiert. Die von der Stadt institutionell geförderten Kultureinrichtungen würden eine Million Zuschauerinnen und Zuschauer mit jährlich fast 30.000 Kulturangeboten erreichen, heißt es weiter in blutleerem Ton. Der nächste Protest an derselben Stelle ist für die nächste Stadtratssitzung am 12. März angekündigt, der dann dritte seiner Art. Bereits im Dezember wurde die AG Kulturkampagne bei Leipzig plus Kultur gegründet, die den ersten Protest im Januar lenkte. Öffentlichkeit hat das bisher nur sehr begrenzt hergestellt. Warum protestiert die freie Szene im Rathaus und nicht in der Stadtgesellschaft? Warum nehmen die Protestierenden nicht die eine Million Besucherinnen und Besucher oder wenigstens die potenziellen 20.000 Unterstützerinnen und Unterstützer mit? Und warum nehmen sie nicht wenigstens fette Bässe statt zarter Geigen? Ist die Lage vielleicht einfach gar nicht so schlimm? – Wir haben uns in der Kulturlandschaft der Stadt umgesehen.