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Verfahren

Ob die Prager Straße im Stadtrat wirklich vierspurig wird, ist weiter fraglich. Einige im Stadtrat wittern eine Verschwörung

  Verfahren | Ob die Prager Straße im Stadtrat wirklich vierspurig wird, ist weiter fraglich. Einige im Stadtrat wittern eine Verschwörung  Foto: Stefan Ibrahim

Über dem grauen Traum aus Asphalt der Prager Straße ziehen dunkle Abgaswolken auf. Eine merkwürdige Mehrheit aus CDU, AfD, BSW, Fraktionslosen und zwei Linken-Vertretern wollte im November unbedingt an der Vierspurigkeit der Straße festhalten, alles um die Katastrophe zu verhindern: einen Fahrradstreifen auf der Fahrbahn. Doch allein der Platz dafür fehlt.

Baubürgermeister Thomas Dienberg (Grüne) hat eine Powerpoint-Präsentation vorbereitet. Der Stadtrat wollte eigentlich die Hecke des Völkerschlachtdenkmals und die Mauer des Südfriedhofs um 50 Zentimeter versetzen. Dann wäre stadtauswärts genug Platz gewesen für einen separaten Rad- und Fußweg. Doch die untere Denkmalbehörde und auch die Landesbehörde für Denkmalschutz, sie sagen nein! Die »überregionale Bedeutung« der Denkmäler verhindere eine Veränderung, zitiert Dienberg die Entscheidung. Auch Friedhofsverwaltung und Naturschutzbehörde lehnten den Plan ab.

Rechts der Mitte wittert man eine Verschwörung. Sollte die Straßenverkehrsbehörde auf die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer drängen, könnte die Stadt gezwungen sein, einen Fahrradstreifen auf der Fahrbahn zu markieren. Stadträte von AfD und CDU stehen Schlange am Mikrofon. »Da kann man ja resümieren«, sagt Udo Bütow (AfD), »dass die Verwaltung alles tut, um den Stadtratsbeschluss zu kassieren.« Kopfschütteln auf der Verwaltungsbank. »Das ist keine Willkürentscheidung«, sagt Dienberg, »Ich kann mir die Fläche nicht aus den Rippen schneiden!« Die Verwaltung sehe sich zudem weiterhin an die Entscheidung des Rats gebunden, tue alles für die Vierspurigkeit.

Sven Morlok, Chef der Freien Fraktion, will wissen, ob Jung gegen den Bescheid der unteren Denkmalbehörde, die mit zur Verwaltung gehört, Widerspruch einlegen wird. Nein, sagt Jung, »weil ich mich daran gebunden fühle. Gegen die obere Denkmalbehörde kann man sehr wohl Widerspruch einlegen, muss man aber gut überlegen«, sagt Jung und hebt mahnend den Finger.

Den Finger schwingt auch Lucas Schopphoven (CDU) und offenbart Konzentrationsprobleme: »Wurde jemals der Antrag gestellt, die Hecke, wie wir sie auf dem Bild sehen, zu versetzen: ja oder nein?« Dienberg wird langsam ungehalten: »Selbstverständlich haben wir das beantragt, darüber rede ich ja die ganze Zeit!«

Warum die Kollegen denn nicht einfach in den Verkehrsausschuss kämen, fragt Franziska Riekewald (Linke), da seien genau diese Fragen seit Anfang des Jahres detailliert besprochen worden: »Ich würde der CDU wirklich raten: Suchen Sie sich ein neues Thema bis zur Oberbürgermeister-Wahl 2027. Irgendwann wird es langweilig!« Die Linke will die Debatte daraufhin abbrechen.

CDU-Fraktionschef Michael Weickert hastet zum Mikro: »Ich finde es schon sehr bezeichnend, dass die, die sonst immer für Partizipation und Demokratie eintreten, es nicht einmal erlauben, dass wir sowas hier diskutieren.« Raunen im Rat. »Hör jetzt mit dem OBM-Wahlkampf auf, das ist doch alles Quatsch, was du erzählst!«, ruft Volker Külow (Linke). Weickert empfiehlt ihm, »Politik nicht mit dem Kehlkopf, sondern mit dem Kopf zu machen.«

Den Ball nimmt Thomas Kumbernuß (PARTEI) gern auf. Ihn stören die Zwischenrufe der CDU. »Herr Weickert, wenn Sie Ihre Fraktion nicht im Griff haben, sollten Sie mal überlegen, ob Sie dafür der richtige Mann sind.« Weickert stellt daraufhin spontan die Vertrauensfrage in der Fraktion, die mit Applaus und Gegröle positiv beschieden wird. Weickert schüttelt triumphierend die Hände über dem Kopf.

Kumbernuß bricht noch eine Lanze für die Verwaltung. Wer bei der Informationsveranstaltung in der Franz-Mehring-Schul dabei war, habe gesehen, dass Dienbergs Amtsleiter Michael Jana den Ratsbeschluss verteidigt habe: Auch Schopphoven habe das gesehen, »wenn er nicht gerade unerlaubterweise auf dem Schulgelände geraucht hat – ist ne andere Geschichte.«

Die Debatte beschließt Jung: »Wir werden jetzt versuchen, den Beschluss umzusetzen und darauf setzen, dass es uns gelingt, verkehrsrechtlich und denkmalpflegerisch im Rahmen des Rechtes die Straße umzubauen.«


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