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Editorial

Editorial 05/24

Das neue Heft ist da!

  Editorial 05/24 | Das neue Heft ist da!  Foto: Christiane Gundlach/Alexander Bönninger

»Up in the sky, we’ve demand to supply 

I am necessity, base of the recipe 

I am the rain, am the rain 

I am the rain, who’s held in disdain 

The truth is I’m ruthless, I can’t be contained« 

Peter Doherty, am 3.5. im Täubchenthal 

Waren Sie schon mal beim letzten Konzert einer Band? Also nicht auf der Abschiedstour, die in anderen Städten, Ländern oder gar Kontinenten fortgesetzt wird (S. 42), sondern beim letzten Konzert, dem allerletzten. Ich hatte dieses zweifelhafte Vergnügen vor einem reichlichen Jahr erstmals, noch dazu bei jener Band, die ich öfter live gesehen habe als jede andere, weil ich sie vor langer Zeit mit dem Tourbus durchs Land kutschiert habe, in Metropolen wie Bad Hersfeld oder Kassel, wo ich dann Merchandise verkaufte und wenn es sie mal gab, Hotelschlüssel holte, verteilte und wieder einsammelte. Über die Jahre hatte ich die Band dann aber aus den Augen verloren, zuletzt war sie auch gar nicht mehr aktiv. Entsprechend vorfreudig und traurig zugleich war ich, als ich vom anstehenden Abschiedskonzert hörte.  

Bus musste diesmal keiner gefahren werden, in die Nato (S. 11) schafften es alle selbst. Aber ich würde noch ein letztes Mal CDs verkaufen (die Jüngeren unter Ihnen fragen bitte ihre Eltern, was das ist), jahrelang ungenutzte Songkenntnisse in mir wiederentdecken, vor allem aber: vertraute Menschen wiedersehen. Wobei – logischerweise, nach der langen Zeit – einige Namen in der Ankündigung fehlten. Zum Beispiel der der Sängerin von damals. Auch sie hatte ich aus den Augen verloren, natürlich nicht ganz, immerhin stehen Musikerinnen und Musiker ja auf Bühnen, nehmen Platten auf, gehen zu Konzerten, teilen sich in den sozialen Medien mit. Aus letzteren wusste ich (über Bande natürlich!), dass sie infolge von Corona an ME/CFS erkrankt war, einem chronischen Erschöpfungssyndrom. Aus meinem kreuzer-Postfach wiederum wusste ich, dass die erste Liegenddemo für Menschen mit Long Covid, Post-Vac und ME/CFS in Leipzig auf den Tag des Abschiedskonzerts fallen würde, den 9. März 2024. 

Als ich dann in die Nato schlenderte, hoffte ich, die Sängerin zumindest im Publikum zu sehen. Vielleicht würde sie ja zur Zugabe sogar einen Song singen? – Sie war nicht da, nicht im Publikum und nicht zur Zugabe auf der Bühne. Die Band spielte zum Schluss aber einen Song von ihr, die Zeile »When you are around the pulse of the world slows down« gefiel mir früher schon sehr, jetzt hatten alle im Saal einen Kloß im Hals, der … ja … der … sagen wir mal: ganz Thüringen gesättigt hätte.  

Mehr als drei Monate dauerte es dann noch bis zu meiner Mail an die Sängerin. »Unprofessionelle Vermischung von Privatem und Dienstlichem« tippte ich in den Betreff, sagte dann im Wesentlichen »Hallo« und »Du hast gefehlt«, fragte: »Wie geht’s?« und »Was hieltest du davon, im kreuzer ein Interview mit dir zu lesen?« (alles aus dem Kopf zitiert). Eine Sängerin, die nicht mehr auf die Bühne kann, dieses Erschöpfungssyndrom und das Gesundheitssystem, Bürgergeld, Beruf und Berufung: Das ergibt ja, objektiv betrachtet, eine sehr interessante Konstellation, dachte ich. 

Die Antwort kam nach zwei Wochen. Acht Mails und einige Telefonate sowie ein Porträt im Heft über den Bandbassisten (kreuzer 10/2024), ein Interview des Monats und ein Cover mit dem Sänger der Band (kreuzer 9/2024 u. 3/2025) oder kurz: acht Monate später hat Maike Lindemann meine Kolleginnen Maika Schmitt und Pauline Fell nun zum Interview des Monats empfangen ­(S. 28). Das ich sehr gern gelesen habe. 

 

BENJAMIN HEINE 

chefredaktion[at]kreuzer-leipzig.de 

 

PS: Wer den Namen der Band errät, kann eine Tasse schwarzen Kaffee in der kreuzer-Redaktion gewinnen. 

 

Das neue Heft gibt es hier


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