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Politik

21. Mai: Gemeinsam Lunchen

SPD will mit Essen-to-go an Leipziger Schulen

  21. Mai: Gemeinsam Lunchen | SPD will mit Essen-to-go an Leipziger Schulen


Andreas Geißler kennt sich mit Essen aus. Der SPD-Stadtrat ist Bäcker. Aber er war auch mal Stadtelternratsvorsitzender. Beides in Kombination ergibt eine unschlagbare Expertise beim Thema Schulbildung. »Zwei Dinge haben an Schulen nichts zu suchen«, sagt Geißler. »Das eine ist Angst, das andere Hunger und Durst.« Aber den Hunger gebe es viel zu oft, obwohl über das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes auch Kinder aus einkommensschwachen Familien die Chance haben sollen, am Schulessen teilzunehmen. Das Problem: Nur die knappe Hälfte derer, die die Möglichkeit hätten, nähmen diese auch in Anspruch, sagt Geißler. »Ab der sechsten Klasse stürzt dieser Anteil nochmal gnadenlos ab. Weil es ist uncool, am Tisch zu sitzen mit einem Teller.«

Die SPD hat deshalb einen Plan. Die Verwaltung soll prüfen, ob Schul-Caterer auch Lunchbeutel anbieten könnten, die über das Teilhabegesetz abgerechnet werden können. »Eine Berichtigung sei mir erlaubt«, sagt Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus (Grüne). Die Beanspruchung des Bildungs- und Teilhabegesetzes sei durch die Einführung der Bildungskarte deutlich erhöht worden, »sodass wir inzwischen bei 60 Prozent sind.« Die Verwaltung hatte den SPD-Antrag trotzdem übernommen.

Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) will eigentlich schon zur Abstimmung übergehen, da meldet sich CDU-Fraktionschef Michael Weickert in Reihe eins. »Sie haben inhaltlich vollkommen Recht«, sagt Weickert – der hatte mal angefangen, Lehramt zu studieren – zu Geißler. Symptome bekämpfen okay, »aber ich finde, wir müssen auch einfach die Familien ein Stückweit mehr in die Pflicht nehmen.« Auf die Vorlage hat Thomas Kumbernuß (Partei) gewartet: »Ein ganz großer Ursprung des Problems nennt sich Kapitalismus. Ich finde es schön, dass sie etwas dagegen machen wollen, Herr Weickert.«

Das wäre ihm jetzt zu platt, sagt Geißler, der die Familien durchaus in der Pflicht sieht, aber »es gibt einen Anteil an Familien und Alleinerziehenden, der große Schwierigkeiten hat, dem gerecht zu werden.« Bildungsgerechtigkeit betreffe am Ende das Kind, nicht die Eltern.

BSW-Stadtrat Thomas Kachel hat unterdessen noch pädagogische Ratschläge. »Es ist vielleicht uncool, wenn sich Schülerinnen und Schüler zum Essen zusammensetzen müssen«, sagt er. Aber ordentliche Bildung müsse auch darin bestehen zu vermitteln, »dass uncoole Dinge nicht unrichtig sind.«

Zur Genese des Antrags hat Sven Morlok, Chef der Freien Fraktion, nochmal eine Nachfrage. Das Sozialamt hatte zuerst juristische Bedenken gegen die Lunchbeutel angemeldet, die Verwaltung den SPD Antrag daher zunächst abgelehnt. Weil im Teilhabegesetz ausdrücklich von »gemeinsamem Essen« die Rede sei. »Ich habe mal versucht, das Sozialamt abzutelefonieren und keinen gefunden, der den Verwaltungsstandpunkt kannte«, berichtet Andreas Geißler. Plötzlich habe die Verwaltung ihre Meinung geändert und den Antrag der SPD als Verwaltungsstandpunkt übernommen. Ohne eine Spitze von Morlok kommt die Verwaltung nicht davon: »Ganz offensichtlich reichen fünf Telefonate von Herrn Geißler, um den gesamten juristischen Sachverstand der Stadt Leipzig über den Haufen zu werfen.«

Jung, der ehemalige Deutschlehrer, wirft sich mit Brecht verteidigend vor seine Verwaltung: »Wer A sagt, muss nicht B sagen, er kann auch erkennen, dass A falsch war.« Und Felthaus erklärt: Nach Absprachen mit anderen Kommunen in Nordsachsen sei man nun auch für eine Prüfung der Lunchbeutel, wie auch mehrheitlich der Leipziger Stadtrat. »Jetzt sind wir gemeinsam klüger«, sagt Felthaus. Bildung kann so schön sein.



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