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Kultur

Von Apfelsinen, Blumen und Hakenkreuzen

Eine Ausstellung des Hochschularchivs zeigt einen ersten Überblick zur Kunstakademie im Nationalsozialismus

  Von Apfelsinen, Blumen und Hakenkreuzen | Eine Ausstellung des Hochschularchivs zeigt einen ersten Überblick zur Kunstakademie im Nationalsozialismus  Foto: Lea Petry


Eine farbige Kopie von Kamelien hängt an der weißen Galeriewand in der Hochschule für Grafik und Buchkunst. Daneben ist eine Kiste mit Apfelsinen zu sehen. Unweit davon findet sich die Jahreszahl 1941. Eine Kiste mit Apfelsinen schickte der ehemalige Student Horst Stempel in die damalige Staatliche Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe Leipzig (heute HGB) aus Taormina, wo er als Wehrmachtssoldat auf den Afrikaeinsatz vorbereitet wurde. Die Abbildung findet sich in der Zeitschrift Wächterstraße 11 – der Frontzeitung der Kunstakademie, in der ehemalige Studenten von ihren Kriegserfahrungen und die Studentinnen vom Alltag in der Akademie berichteten.

Bei den Kamelien handelt es sich um ein Ölgemälde des damaligen Akademie-Rektors Arno Drescher. 1882 in Auerbach geboren, studiert er an der Dresdner Kunstgewerbeschule, arbeitet danach dort als Professor und leitet eine Klasse für angewandte Grafik, entwickelt in den 1930er Jahren die Schrift Super Grotesk für die Schriftguss AG Dresden, die nach 1945 das SED-Parteiorgan Neues Deutschland für die Vermeldung von Kampfparolen verwendet (siehe »Antifaschismus taugt nicht als Denkmal«). Zuvor kommt Drescher, der bereits 1921 bei der Ausstellung der Leipziger Jahresausstellung mit Gemälden vertreten war, 1940 an die Leipziger Kunstakademie und leitet sie bis November 1945.

Das Originalgemälde mit den Kamelien befindet sich im Museum der bildenden Künste. Der Leipziger Kunstverein kaufte es für das Haus auf der Großen Leipziger Kunstausstellung 1942. Während das Kunstmuseum Moritzburg in Halle schon vor Jahren in der Dauerausstellung Werke aus der Zeit des Nationalsozialismus mit Kommentaren versehen zeigt oder das Albertinum in Dresden die Spuren der Aktion »Entartete Kunst« öffentlich dokumentiert, schweigt sich das Bildermuseum über seine Institutionsgeschichte von 1933-45 im Großen und Ganzen aus. Anders als das gleich daneben befindliche Stadtgeschichtliche Museum, welches 2023 mit der Ausstellung »Hakenkreuz und Notenschlüssel. Die Musikstadt Leipzig im Nationalsozialismus« das Musikgeschehen zur Diskussion stellte, oder das Grassi Museum für Angewandte Kunst ab Ende November die Ausstellung »Formen der Anpassung. Kunsthandwerk und Design im Nationalsozialismus« zeigen wird.

Um die Zeit von 1933-45 dreht sich nun die Ausstellung in der HGB-Galerie, die sich auf das Material aus dem HGB-Archiv bezieht, das seit Mitte der 1990er Jahre unter Leitung von Julia Blume entstand. Zudem fand zwischen 2021-23 ein Seminar an der Hochschule zum Themenfeld »Rechte Kontinuitäten« (siehe auch Talentshow im kreuzer 6/2025) statt. Die künstlerischen Recherchen werden im HGB-Magazin noch in diesem Jahr erscheinen.

Entlang des Zeitstrahls von 1933 bis 1945 sind an den Galeriewänden ausgewählte Kopien von Dokumenten aus dem Archiv zu sehen, Ausschnitte aus Publikationen zur Akademie, Berichte von den Einsätzen in der Kriegswirtschaft in den Erla-Werken, Ausstellungen, an denen Lehrende vertreten waren, Propagandaprodukte aus der Akademie – wie etwa von Drescher das Plakat zum Gautag in Leipzig 1938. Sie sind nummeriert und Beschriftungen findet sich wie auch ein Text zur Hochschule im NS von Julia Blume ausgelegt im Galerieraum. In Vitrinen sind Originaldokumente aus der Zeit zu sehen bis zu Projekten an der HGB, die sich in den letzten Jahren mit der Zeit von 1933-45 auseinandersetzen.

An das Schicksal von ehemaligen Studierenden erinnern einzelne Biografien – von Alexander Eisenberg, der am 14. Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert wird und dort stirbt, Alfred Frank, an den seit 1947 eine Ehrentafel im Foyer erinnert, der als Widerstandskämpfer am 12. Januar 1945 in Dresden hingerichtet wird oder an Erna Creutzberger, die als eine der ersten Frauen ab 1905 an der Akademie studiert und mit ihrem Mann 1941 in die USA emigriert.

Im oberen Geschoss ist der Film »Dürers Erben« von Lutz Dammbeck aus dem Jahr 1996 zu sehen, der sich mit dem Erbe aus der Zeit und mit der Entwicklung nach 1945 auseinandersetzt.

Die Ausstellung hilft als grobes Puzzleteil, um sich ein Bild vom Leipziger Kunstfeld in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert zu machen. Eine stetige Auseinandersetzung mit der Zeit sowie davor und danach, mit den Mythen und auch mit den Arbeiten, die damals entstanden, schließt sie nicht aus.

> »1933-1945 HGB: Eine Ausstellung des HGB-Archivs«: bis 26.6., Mi+Do: 13.30-17.30 Uhr, Fr: 14.30-18.30 Uhr


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