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Kultur

»Ein schöner Arschtritt«

Sven Großkreutz arbeitet an seinem ersten Roman – mit Domenico Müllensiefen als Mentor

  »Ein schöner Arschtritt« | Sven Großkreutz arbeitet an seinem ersten Roman – mit Domenico Müllensiefen als Mentor  Foto: Christiane Gundlach

Sven Großkreutz ist gelernter Maler und Lackierer, seit seinem Umzug nach Leipzig 2009 widmet er sich verstärkt dem Schreiben. In diesem Jahr hat er sich im Bereich Prosa für das Mentoring-Programm des Sächsischen Literaturrats beworben – mit Erfolg. Sein Mentor ist der Leipziger Autor Domenico Müllensiefen, dessen Debütroman »Aus unseren Feuern« mit dem Uwe-Johnson- und dem Klopstock-Förderpreis ausgezeichnet wurde. Wir haben das frisch gebackene Duo zum Gespräch getroffen.

Herr Großkreutz, warum haben Sie sich für das Mentoring-Programm beworben?

GROSSKREUTZ: Um einen Fuß in die Tür zu kriegen.

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

GROSSKREUTZ: Kurzgeschichten habe ich schon in der Schule geschrieben; später dann auch Songtexte für meine Band Taumelrausch. Mit meinem Umzug nach Leipzig wurde das Ganze ernster, meine Texte wurden immer länger. Bis dabei der Roman »Bruchlandung« rausgekommen ist – zwar ohne Verlag, aber irgendwo muss man anfangen.

Welche Themen interessieren Sie besonders?

GROSSKREUTZ: In diesem Buch geht es ums Erwachsenwerden. Man verliebt sich, findet eine Arbeit, die Spaß macht, denkt: So könnte es bleiben. Und trotzdem sind Steine im Weg. Es ist Popliteratur, sagen wir es so.

Warum haben Sie, Herr Müllensiefen, Sven Großkreutz als Mentee ausgewählt?

MÜLLENSIEFEN: Es gab vier Bewerbungen, alle von hoher Qualität. Die Entscheidung war nicht einfach. Mein innerer Lektor hat beim Lesen überlegt: Wo ist Potenzial? Bin ich die richtige Person, um etwas beizutragen? Bei Sven war das Konzept wirklich in sich stimmig. Das war am Ende ausschlaggebend. Ich habe die Möglichkeit gesehen, dass daraus schon in diesem Jahr ein fast fertiger Roman entstehen könnte.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal getroffen?

MÜLLENSIEFEN: Ich kannte Sven tatsächlich schon vom Sehen. Wir wohnen im selben Viertel, er fährt in diesem kleinen weißen Auto für Burgerking und –

GROSSKREUTZ: – verwahrlost die Leute kulinarisch.

MÜLLENSIEFEN: Erst bei unserem ersten Treffen im Rahmen des Programms konnte ich ihn zuordnen.

Und was haben Sie, Herr Großkreutz, als Bewerbung eingereicht?

GROSSKREUTZ: Einen Auszug aus »Bruchlandung«.

MÜLLENSIEFEN: Das ganze Buch kenne ich nicht, aber der Auszug, der hat funktioniert.

Das Mentoring-Programm hat im Mai angefangen. Wie ist der Stand jetzt?

GROSSKREUTZ: 89 Seiten. (lacht)

MÜLLENSIEFEN: Beim ersten Treffen haben wir den Plot und die ganzen Figuren besprochen; warum, wieso, weshalb. Die große Kunst ist, Sachen neu zu formulieren, die andere schon 20-mal gemacht haben. Und heute sehen wir uns zum zweiten Mal. Und Sie sind dabei. (lacht)

Eine große Ehre für mich.

MÜLLENSIEFEN: Letzte Woche hat Sven mir einen Text geschickt, den ich jetzt redigiert habe … (zieht eine dicke Mappe mit kommentierten Textseiten hervor) So sieht das aus. Alles ist subjektive Meinung, nichts steht. Es ist Svens freie Entscheidung, was davon er annehmen möchte. Jetzt muss er erst mal meine Handschrift entziffern, das wird nicht einfach. Und dann schreibt Sven weiter, ich kriege wieder Text und dann besprechen wir, wie es weitergeht.

Haben Sie schon literarische Gemeinsamkeiten feststellen können?

MÜLLENSIEFEN: Es ist noch ein bisschen zu früh, um das zu sagen. Aber wir haben ein paar gleiche Sachen gelesen: Regener, Bukowski, diese typischen Geschichten, also sehr männerlastig. Das ist bei den Themengebieten oft das Problem. Parallelen gibt es also.

Was haben Sie, Herr Großkreutz, bisher aus dem Mentoring mitnehmen können?

GROSSKREUTZ: Viel Aufschwung. Früher gab es auch Tage, da blieb der Laptop zu und ich bin an den See. Aber jetzt stehe ich früh auf, zack, Dusche, grüner Tee, Laptop auf und los geht’s. Es ist wie ein Arschtritt – aber ein schöner.

Herr Müllensiefen, wie ist es, Mentor zu sein?

MÜLLENSIEFEN: Ich bin dankbar für dieses Angebot. Ich hatte selbst zwei Mentoren und weiß, wie wichtig das ist. Schreiben funktioniert alleine nicht. Rückmeldung von jemandem mit Ahnung ist unglaublich wertvoll. Ich versuche, mich in Svens Kopf zu versetzen und von dort aus Kritik an seinem Text zu üben – ohne meinen eigenen Stil aufzudrängen. Das ist die Kunst. Ich kann Sven Türen zeigen, durchgehen muss er selbst. Und ich denke, die Arbeit an einem fremden Text schärft auch mein eigenes Schreiben. Wir profitieren beide davon.

Wie geht es nun weiter?

GROSSKREUTZ: Mein Text ist ein kompletter Neustart. Der Protagonist muss von der großen Stadt wieder in die Kleinstadt zurück, um seine demenzkranke Mutter zu pflegen.

MÜLLENSIEFEN: Potenzial ist da. Und es ist ein aktuelles Thema. Pflegenotstand, provinzielle Abgehängtheit hier in Ostdeutschland – Sven fasst große gesellschaftspolitische Themen an, ohne dick aufzutragen.

GROSSKREUTZ: Danke.

MÜLLENSIEFEN: In den nächsten Monaten werden wir uns immer wieder treffen und besprechen. Bis wir hoffentlich zum Jahreswechsel hin ein nahezu fertiges Gerüst von einem Roman haben. Das Problem ist immer: Wann gibt man ab? Irgendwann muss man sagen: Jetzt ist Schluss.


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