Was hält die Gastro-Szene im neuen Jahr auf Trab? Beim Gespräch in der KREUZER-Redaktion am 3. Dezember redeten engagierte Leipziger Gastronomen Klartext. Unbestrittene Nummer 1 der Diskussion war das neue Nichtraucher-Gesetz. Die nikotinfreie Zone in der Gastronomie ist eine große Chance, aber auf kleine Kneipen und Bars kommt eine harte Zeit zu.
Was hält die Gastro-Szene im neuen Jahr auf Trab? Beim Gespräch in der KREUZER-Redaktion am 3. Dezember redeten engagierte Leipziger Gastronomen Klartext. Unbestrittene Nummer 1 der Diskussion war das neue Nichtraucher-Gesetz. Die nikotinfreie Zone in der Gastronomie ist eine große Chance, aber auf kleine Kneipen und Bars kommt eine harte Zeit zu.
Zum dritten Mal fand auf Einladung der Gastro-Redaktion beim KREUZER ein Rundtischgespräch statt. Diesmal dabei: Olivia Klemm vom Restaurant Kesselhaus, Bea Wolf und Jan Berger vom Barcelona, Anja Herzog und Alexander Gaube vertraten die tnc-Gastronomie (Sol y Mar, Nachtcafé u. a.), André Miersch das Restaurant Piagor, Lutz Geyer Zills Tunnel und Michael Reinhold das Hotel Michaelis und Campus.
KREUZER: In Sachsen gilt ab 1. Februar 2008 das so genannte Nichtraucher-Gesetz. Rauchen ist dann nur in extra Räumen gestattet. Viele Gastronomen stehen vor einem Riesenproblem. Wie stellen Sie sich dem Thema?
LUTZ GEYER: Da wir viele Räume haben, lassen sich Varianten finden. Aber das Gesetz ist nicht ganz ausgegoren: Es gibt ungeklärte Punkte und noch keine Durchführungsbestimmungen. In reinen Nichtraucherlokalen werden die Gäste mit Aschenbechern vor der Tür stehen. Das ist auch keine Lösung.
KREUZER: Es wird vor allem für kleine Lokale schwierig, die wirklich nur einen Raum haben. Die sollen so genannte Raucherkabinen aus transparentem Glas einbauen ...
GEYER: ... gestaltet von Designern, wo der freundliche Kellner an die Raucherinsel kommt. Also tut mir leid, aber da verdienen sich jetzt Firmen eine goldene Nase. Die größeren Häuser finden sicher Platz für eine Raucherlounge. Aber wie soll das in Kneipen oder Bars funktionieren?
BEA WOLF: Fakt eins: Wir können nicht umbauen. Fakt 2: Ich habe eher bei der Vorstellung Angst, dass jemand vor die Tür geht und ich sehe ihn nicht mehr. Kommt er zurück? Woher weiß ein neuer Gast, ob der Tisch frei ist oder nur nicht abgeräumt?
JAN BERGER: Mir gefällt, dass wir wunderbare Arbeitsbedingungen haben werden. Denn das Schlimmste in so einer Nachtschicht ist der Zigarettenqualm bis früh um vier. Selbst für Raucher.
KREUZER: Vielleicht sollte man Rauchern Ablenkung anbieten. Die Ramada-Hotels stellen zum Beispiel bei ihrer Aktion »Vitamin statt Nikotin« Obstschalen auf. Was gibt es sonst für Ideen, um die Leute vom heimischen Sofa zu locken?
WOLF: Frankreich hat die Steuern für Tischkicker von wahnsinnig hoch auf 5 € im Jahr runtergesetzt. Die locken jetzt mit Tischfußball.
KREUZER: Herr Miersch, steht Ihren Gästen der Sinn nach Tischfußball?
ANDRÉ MIERSCH: Bestimmt nicht. Aber wir sind die geringe Fraktion, die mit dem Gesetz kaum Probleme hat. Viele Gäste freuen sich, wenn nicht geraucht wird. Ich war kürzlich in Mannheim. Dort gilt das Gesetz schon länger. Ein Wirt hatte einfach eine Glaswand gezogen, irgendwie ging das auch.
ALEXANDER GAUBE: Im Sol y Mar begrüßen die Gäste das Rauchverbot vielleicht. Im Nachtcafé, in der Art Galerie oder in Diskotheken ist die Umstellung auf Nichtraucher eigentlich nicht auszudenken. Keiner weiß genau, wohin die Reise geht.
KREUZER: Im Kesselhaus gibt es seit der Eröffnung die Trennung in Raucher und Nichtraucher. Sehen Sie gelassen in die Zukunft, Frau Klemm?
OLIVIA KLEMM: Ich habe mich schon vor einem Jahr entschieden, die Diskussion nicht mehr zu führen, und im ersten Stock eine Raucherlounge eingerichtet. Es gab dann Riesenkrach mit den Stammgästen. Ich konnte mich damals ja noch nicht auf den Gesetzgeber berufen. Da sind viele abgesprungen. Heute kommen auch Gäste um 20 Uhr mit Kinderwagen zum Abendessen.
KREUZER: Nach dem ersten Trouble haben Sie also auch neue Gäste gewonnen?
KLEMM: Viele! Aber trotz der schön gestalteten Lounge mit Sofas und Kaffeeecke fühlen sich Raucher immer gemaßregelt.
GEYER: Wenn das Gesetz überall greift, bleiben manche Gäste vielleicht zwei, drei Monate aus und kommen dann wieder.
KLEMM: Nur die Vielfalt der kleinen Kneipen und Bars wird immens weniger. Die retten sich oft von Monat zu Monat. Wenn dort täglich zehn Gäste wegbleiben, ist das deren Aus.
MIERSCH: Es gibt Studien aus England und Irland, wo genau das passiert ist. Die alten Pubs haben eine Wahnsinns-Insolvenzrate. Die ganze Kultur wechselt.
GEYER: Die Kleinen trifft es am härtesten. Es gibt in manchen Stadtteilen schon keine richtige Kneipendichte mehr. Dabei haben Wohngebiets- und Gartenvereinskneipen auch eine Funktion. Aber dort will doch keiner vor der Tür stehen.
MICHAEL REINHOLD: In unserem Restaurant Michaelis haben wir die Aschenbecher längst weggenommen. Wie das in der Eventlocation Da capo wird, weiß ich noch nicht. Wenn da eine geschlossene Feier ist und der Veranstalter möchte erlauben, dass seine Gäste rauchen, darf er das dann nicht?
KREUZER: Theoretisch ist das passé. Noch weiß keiner, wie streng die neue Order umgesetzt wird. Vielleicht lauert hinter jedem Busch jemand vom Ordnungsamt, vielleicht tragen die Gäste manches untereinander aus. Kann man sie vielleicht mit Bio-Kost oder neuen Mitmach-Konzepten begeistern? Im Restaurant Cook it war genau das die Geschäftsidee. Leider hat sie sich nicht getragen. Lag es nur an den Gästen oder vielleicht auch daran, dass das Konzept nicht optimal durchgezogen wurde?
ANJA HERZOG: Zum Teil hat es die Leute wohl überfordert, ihre Mahlzeit selbst zusammenzustellen. Ein anderes Problem war der Wareneinsatz. Manche haben sich ganze Berge der teuren Shrimps oder Fisch in die Schüssel gepackt. Das hat dann kalkulativ nicht hingehauen. Die Wellness-Karte im Sol y Mar dagegen wird gut angenommen.
KLEMM: Wir verarbeiten zu 80 Prozent Bio, weil nicht alle Lebensmittel in Bio-Qualität zu bekommen sind. Manche Bio-Lieferanten liefern erst ab bestimmten Abnahmemengen. Es ergibt auch keinen Sinn, Gnocchi zu bestellen, die eine Farbe wie der Kaffee in der Tasse haben oder aus dem Topf wie Mus kommen.
KREUZER: Bio-Lebensmittel haben in der Regel einen höheren Preis. Akzeptieren das die Gäste?
MIERSCH: Ich würde das prinzipiell nicht auf Biomünzen. Mir geht es darum, dass ich a) weiß, wo das Produkt herkommt, und b) die Qualität bestimmen kann. Außerdem legen die Gäste Wert auf Produkte aus der Region. Wenn ich ihnen sage, wo meine Wachteln, Gänse und Schweine aufwachsen, zahlen sie auch einen besonderen Preis.
KLEMM: Das hat mit Idealismus zu tun. Aber es ist schon schwer. Viele sind wegen der steigenden Kosten verunsichert.
KREUZER: Oft höre ich, dass hiesige Produzenten die Logistik nicht hinbekommen.
GEYER: Kenne ich! Wir haben gemeinsam mit anderen Wirten versucht, einen regionalen alternativen Anbieter zu finden, der für uns Kartoffeln schält und liefert. Da kamen nur Fragen wie: Mit einem LKW nach Leipzig fahren? Nee, wo soll ich denn da parken?
REINHOLD: Wir setzen auf regionale Erzeuger, bei denen die Qualität stimmt. Und wir kaufen natürlich auch bei internationalen Lieferanten ein, weil manche Gäste Spezialitäten wünschen, die halt nicht in Wurzen auf der Weide stehen.
KREUZER: Qualität betrifft nicht nur die Produkte. In der Gastronomie wird viel mit Auszubildenden, angelernten Kräften und Praktikanten gearbeitet. Lässt sich mit ihnen das Niveau halten? Ich bekomme immer das Grausen, wenn ein Leipziger Restaurant ständig über Inserate »Praktikanten für Küche und Service mit Erfahrung in der gehobenen Gastronomie« sucht. Die wollen Spitzenkräfte, aber nur Billiglohn zahlen. Bekommt man da wirklich gute Leute?
HERZOG: Wir arbeiten viel mit 400-Euro-Kräften. Ich bin der Meinung, wir nutzen die Leute nicht aus. Wir bauen sie uns selbst auf, auch die Azubis. Praktikanten übernehmen wir teilweise. Das Ziel ist, gut eingearbeitete Kräfte zu halten. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht.
WOLF: Es gibt einen Haufen Köche, die trotz Lehre niemals so richtig ihr Handwerk beherrschen. Dagegen kenne ich Seiteneinsteiger, die auf hohem Niveau arbeiten und Ideen haben. Der klare, strukturierte Schulweg liegt ja nicht jedem. Einer fing bei uns als Spüler an, machte sich dann im Service ganz toll, auch im Büfett. Und dann wurde er Koch. Gibt es alles.
KREUZER: Und wie ist das mit der Bezahlung?
KLEMM: Jeder, der eine Stunde arbeitet, hat eine Stunde bezahlt zu bekommen. Es geht nicht, dass die Leute ausgenutzt werden. Das Thema Löhne ist grundsätzlich schwierig, denn in den meisten Betrieben sind sie der größte Posten jeden Monat. Nur, jeder, der sich die Schürze umbindet, sollte auch sein Hirn mitbringen.
KREUZER: Ich höre oft, der Arbeitsmarkt sei leer gefegt und dass es schwierig ist, zuverlässige, engagierte Leute zu finden.
GEYER: Früher habe ich den Azubis meist geraten, anderswo noch mehr Erfahrungen zu sammeln. Heute versuchen wir, sie im Haus zu halten.
WOLF: Wir haben Leute, die acht, neun Jahre bleiben. Viele Gäste kommen gern ins Barcelona, weil sie über Jahre unsere Mitarbeiter kennen. Das ist ein ganz starker menschlicher Faktor.
REINHOLD: Das ist bei uns ähnlich. Vom Anfangsteam, wir waren ursprünglich zwölf Leute, sind noch neun da. Mit Auszubildenden ist es immer dann schwierig, wenn die Eltern reinreden. Gastronomie findet nun mal nicht montags bis freitags zwischen 9 und 17 Uhr statt. Da rufen Mütter an und klagen, dass ihr Sohn doch die ganze Woche Schule gehabt hat und nun am Sonnabend arbeiten soll. Dann sag ich, tut mir leid, bei uns bestimmen nun mal die Gäste, wann es voll ist. Dafür gibt es nächste Woche drei Tage frei. Wir müssen in dem Beruf alle dann hart ran, wenn viel zu tun ist.
MIERSCH: Ich nehme nur Lehrlinge ab 18 und am liebsten jene, die schon einen Bildungsweg angefangen, abgebrochen oder beendet haben. Von diesen Jungs oder Mädels weiß ich genau, sie wollen den Beruf zu 100 Prozent.
KREUZER: Sind die Gäste kritischer geworden?
HERZOG: Wir hatten zum Beispiel im Sol y Mar anfangs Probleme. Da haben sich manche Gäste Zeit genommen und E-Mails geschrieben, eine A4-Seite lang über einen Vorgang und den Kellner. Damit gehen wir sehr gewissenhaft um und reagieren, lassen Mitarbeiter Stellungnahmen schreiben, laden zum Brunchen ein.
KREUZER: Aber das ist doch positiv, wenn es einem die Gäste selbst sagen. Dann weiß man, was schief gelaufen ist, und kann gegensteuern.
HERZOG: Auf alle Fälle. Manchmal fühlen sich ja nicht nur Gäste ungerecht behandelt, sondern auch das Personal selbst. Das ist im Nachhinein manchmal schwierig.
GEYER: Kritik gehört dazu. Aber man muss feinfühlig reagieren. Bei mir zum Beispiel bekommt nicht jeder Gast automatisch recht. Wir sind Dienstleister, das ist richtig. Aber wenn jemand ein Steak aufisst, einen Krümel drauflässt und dann provozierend nach dem Chef ruft, hat er ein Problem.
KREUZER: Mit unseren regelmäßigen Restaurantkritiken stoßen wir ja auch nicht immer nur auf Gegenliebe. Was würden Sie sich denn von einem regionalen Restaurantführer wünschen?
KLEMM: Die einzelnen Rubriken wie »Junge Wilde «, »Italienisch«, »Griechisch« werden meist von sehr unterschiedlichen Testern beurteilt. Ich fände es schön, wenn maximal zwei Tester hingehen und die Leistungen dann vergleichen können.
KREUZER: Ich kann leider keinen Tester verpflichten, mindestens fünf, sechs Läden zu besuchen.
REINHOLD: Man sollte Kritik nicht dramatisieren. Der Gastro-Führer bietet einen guten Querschnitt, an dem man sich orientieren kann. Leider wird nie der betriebswirtschaftliche Hintergrund betrachtet. Es ist doch ein Unterschied, ob ein Restaurant zu einer großen Hotelkette gehört und subventioniert oder rein privat geführt wird.
KREUZER: Wir testen als ganz normale Gäste, die ihre Rechnung bezahlen. Der betriebswirtschaftliche Hintergrund ist da egal. Wenn irgendwo was nicht rund läuft, wäre es doch keine Entschuldigung zu sagen: Sorry, aber wir sind nur ein kleines Privatunternehmen, das auf seine Kosten kommen muss. Die Gastronomen legen doch auch nicht ihre Bücher offen aus oder stellen Schilder mit Informationen für Kritiker hin. Man sollte auch nicht immer zwischen Gast und Kritiker unterscheiden. Der eine erzählt es nur seinem Nachbarn, der andere veröffentlicht es eben.
GEYER: Vielleicht sollte man bei jeder berechtigten Kritik noch mal nachkontrollieren.
KREUZER: Machen wir. Und in LEIPZIG TAG & NACHT veröffentlichen wir keine Flops. Für die Flops ist der aktuelle KREUZER zuständig.
WOLF: Wir benutzen den Gastro-KREUZER als Adressbuch, wenn Gäste fragen. Wird dort gelobt, sage ich wow, da muss ich sofort hin. Und dann kommen wir hoch angeflogen – und stürzen manchmal ab. Einmal kamen wir vor der langen Urlaubspause in ein Restaurant und haben dann da nur den Rest gekriegt. War nicht gut. Kann passieren. Daran ist aber nicht der KREUZER schuld.
KREUZER: Wir sind leider nicht davor gefeit, dass ein Wirt mit hohem Anspruch startet und später das Niveau nicht hält.
WOLF: Manchmal sind unsere Mitarbeiter traurig, wenn ein Laden, den man genau kennt, mehr Schiffchen für die Leistung bekam als wir selbst.
KREUZER: Diese Schiffchenvergabe ist sehr aufwendig. Diese Bewertungen werden ganz gewiss nicht mit der Gießkanne verteilt. Die Zuordnung schlagen die Tester vor und in einem abendfüllenden Programm bringen wir eine Linie hinein.
BERGER: Dieser Gastro-Führer verbreitet unglaublich Freude. Jedes Mal, wenn er rauskommt, gehts erst mal los: Alle gucken.
KREUZER: Was gibt es 2008 für Pläne?
BERGER: Die Nichtraucher-Geschichte reicht erst mal!
GEYER: Danach kommt sicher das Alkoholverbot 2009 ...
(Gelächter)