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»Schau mich bitte nicht so an«

Leipzigs singender Chinese Ming Cheng über Pavarotti, Marlene Dietrich und seinen Gönner Burkhard Jung

  »Schau mich bitte nicht so an« | Leipzigs singender Chinese Ming Cheng über Pavarotti, Marlene Dietrich und seinen Gönner Burkhard Jung

Ming Cheng, 26, Informatikstudent und Sänger aus Tong Ling (China), hat ein Faible für Songs von Marlene Dietrich – und ein großes Herz. Unter der Schirmherschaft von Burkhard Jung sang der junge Chinese kürzlich auf einem Benefizkonzert zugunsten der Leipziger Tafel.

Ming Cheng, 26, Informatikstudent und Sänger aus Tong Ling (China), hat ein Faible für Songs von Marlene Dietrich – und ein großes Herz. Unter der Schirmherschaft von Burkhard Jung sang der junge Chinese kürzlich auf einem Benefizkonzert zugunsten der Leipziger Tafel.

KREUZER: Wie kommt ein Informatikstudent aus China dazu, Songs von Marlene in Deutschland vorzutragen? MING CHENG: Ich studiere auch noch Sinologie, das wird oft vergessen. Singen mochte ich eigentlich schon immer. Dass ich Informatik studiere, ist eher ein Zufall, Spontanität. Ich habe mir gedacht, Informatiker werden gebraucht, habe mich beworben und eine Zulassung bekommen. Und nun studiere ich Informatik.

KREUZER: Wie hast du denn ausgerechnet Marlene Dietrich für dich entdeckt? CHENG: Das erste Chanson, das ich überhaupt gehört habe, war »Sag mir, wo die Blumen sind«. Das war am Herder-Institut, Grundstufe Deutsch I. Das war eine Prüfung zum Hörverstehen. Ich finde den Song cool, weil ihn sogar die Leute verstehen können, die erst zwei, drei Monate, deutsch gelernt haben. Der Text ist so einfach und bringt einen zum Nachdenken. Außerdem war es eine ganz neue Art von Musik. Vorher habe ich nur Pavarotti gehört. Ein Kumpel hat mir dann CDs gegeben. Es gibt sehr viele Songs von Marlene, die sehr gut sind.

Leipzigs singender Chinese
KREUZER: Was ist dein Lieblingslied? CHENG: »La Vie en Rose«. Auf Deutsch heißt das »Schau mich bitte nicht so an«, aber ich finde die Übersetzung dämlich. Was hat denn das damit zu tun? (singt) Schau mich bitte nicht so an. Du weißt genau, ich kann dir nicht widerstehen ...

KREUZER: Das Interesse an klassischer europäischer Musik à la Pavarotti wurde aber schon in China geweckt? CHENG: Das kam in der Schule, so in der zwölften Klasse kurz vorm Abitur. Da lief eine Reportage über Pavarotti im Fernsehen. Da hat er das gesungen (singt) La donna è mobile ... Das hat mich fasziniert. Er ist sowieso eine Ausnahme. Kein Mann hat so eine Stimme. Ich habe versucht, ihn zu imitieren, aber Pavarotti kann man nicht imitieren.

KREUZER: Hast du klassischen Gesangsunterricht genommen? CHENG: In China nicht, aber in Deutschland hatte ich fünf oder sechs Stunden Unterricht. Da habe ich aber nichts kapiert. Das waren dann Anweisungen wie: Immer locker bleiben, stützen, je höher man singt, desto tiefer muss man greifen (lacht) – nein, das war nichts für mich. Ich habe es mir dann langsam selbst beigebracht.

KREUZER: Bei deinem Weihnachts-Benefizkonzert hat Oberbürgermeister Jung die Schirmherrschaft übernommen. Wie kam das zustande? CHENG: Der berühmte chinesische Schriftsteller Su Tong, der unter anderem »Die rote Laterne« geschrieben hat, kam nach Leipzig, und ich habe ihn in der Alten Nikolaischule gedolmetscht. Da waren auch Burkhard Jung und die Frau Dr. Goldfuß vom Referat für internationale Zusammenarbeit. Wir sind ganz locker ins Gespräch gekommen, eher privat als offiziell. Bei Jung habe ich dann angefragt, ob er die Schirmherrschaft übernimmt. Da zog er sein Handy raus und sagte: »Aber nicht vor 20 Uhr, weil ich um 19.30 Uhr noch im Grassi eine Rede zu halten habe!« Ich fragte dann: »Das machen Sie wirklich?« Und er: „Ja, für Sie mache ich das.“ (lacht) So ist das zustande gekommen.

KREUZER: Das erste Konzert war ein Benefizkonzert für die Tafel e. V. Aber nun singst du auch bei deren Weihnachstfeier ... CHENG: Das Konzert war für die Kinder. Ich sing ja für diejenigen, die kein Geld für Lebensmittel haben. Denn es ist ja so: Auch wenn man den Leuten Theatertickets schenken würde, gehen sie trotzdem nicht in die Oper oder ins Schauspielhaus. Warum? Die haben kein passendes Kleid, kein Geld für den Friseur vorher, die schämen sich und sind völlig ausgeschlossen. Die gehen nicht mal ins Kino, sondern leihen sich eine DVD und gucken die dann. Sie sind so auch in kultureller Hinsicht total von Armut bedroht. Ich habe kein Geld, was ich spenden könnte, also mache ich ihnen eine vorweihnachtliche Freude mit einem kostenlosen Konzert.

KREUZER: Was sind deine nächsten Projekte? CHENG: Ich würde gerne chinesische Lieder auf Deutsch singen, so als deutsch-chinesischer Liederabend. Außerdem soll ich für einen Film »Für mich soll es rote Rosen regnen« einsingen. Der Produzent hat mich durch Zufall unter der Dusche im Fernsehen gesehen und hat sich dann bei mir gemeldet. Das war Glück, denn eigentlich sollte der Beitrag über mich ein paar Tage früher gesendet werden, aber wegen des potenziellen Amoklaufs in Köln wurde er dann verschoben. Außerdem planen wir ein Musical unter dem Titel »Verliebt in Leipzig«, ein Stück über Liebe und Vorurteile mit einem Chinesen und vier Ausländerinnen. Da suchen wir auch noch Schauspielerinnen. Premiere soll im Sommer sein.


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