Der MDR-Verwaltungsrat hat LVZ-Chefredakteur Bernd Hilder offiziell für die Wahl des Intendanten des Senders nominiert. Hilders Konzept, mit dem er überzeugte: Trimediale Angebote, also die Vernetzung von Hörfunk und Fernsehen mit Online. Bei der LVZ und in seinem Lebenslauf war davon bisher wenig zu merken.
Am Peterssteinweg herrscht gute Laune. »Die Stimmung ist gelöst«, sagt ein Mitarbeiter. Schuld daran ist ausnahmsweise mal der Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung (LVZ). Bernd Hilder, sonst eher der Schlechte-Laune-Garant für seine Mitarbeiter, steht kurz vor dem Weggang. MDR-Intendant soll er werden, hat der Verwaltungsrat des Senders am Montag beschlossen. Ein Grund, mit dem Hilder den Rat überzeugte: Die Zusammenarbeit mit Online. »Konzeptionell stellte Herr Hilder seine Vorstellungen zur Weiterentwicklung der Programme und der Organisation im digitalen Zeitalter vor«, heißt es in der Mitteilung des MDR. »Er betonte insbesondere die Notwendigkeit trimedialer Angebote.«
Das kommt überraschend, ist doch Hilder in LVZ-Kreisen nicht unbedingt als Freund oder Befürworter von Online-Angeboten bekannt. Da reicht erneut ein Blick in den Peterssteinweg: Auf der einen Seite steht das große Gebäude der LVZ-Print-Redaktion, inklusive Büro des Chefredakteurs, auf der anderen Straßenseite befinden sich die Räume der Onlineredaktion. Die Zusammenarbeit beider Häuser läuft nicht nur durch die räumliche Trennung eher schleppend. So sieht man bei Presseterminen meist einen Printvertreter und einen Onliner, mit dem das Ganze nicht abgesprochen wurde. Und das, obwohl die Online-Redaktion viel dünner besetzt ist als alle anderen Redaktionen. Die meisten Mitarbeiter der Online-Redaktion beschäftigen sich mit Gewinnspielen, sozialen Netzwerken, Anzeigen und ähnlichem. Journalisten, die redaktionelle Beiträge liefern, kann man an einer Hand abzählen. Einige von ihnen haben nicht einmal feste Verträge und werden schlechter bezahlt als der Lokalredakteur der Printausgabe.
Sollte Hilder Thesen und Konzepte zur Verzahnung des Internet mit anderen Medien haben, hat er sie gut geheim gehalten, wie ein Blick auf LVZ Online zeigt. Das Hauptvideo auf der Startseite thematisiert den »Sex-Boom zur Rugby-WM«, die in Neuseeland stattfindet, und wurde von einer Nachrichtenagentur geliefert, wie viele andere Videoangebote auf der Website auch. Es gibt zwar ein LVZ-Videoteam, dessen neustes Video berichtet von der Verlagsaktion MaleLe. Und die Kooperation mit dem MDR, die im Februar 2010 mit viel Brimborium vom Stapel lief, beschränkt sich inzwischen auf ein paar Beiträge aus der Sendung Sachsenspiegel, die aber auch erst nach mehreren Klicks zu finden sind.
Kein Wunder, denn Hilder ist ein ausgemachter Print-Mensch. Zwar hat er als Journalist beim Hörfunk angefangen, Karriere machte er aber als Zeitungsmann. Seit Mitte der neunziger Jahre war er Chefredakteur diverser Lokalblätter, erst bei den Schaumburger Nachrichten, ab 2000 beim Göttinger Tageblatt und seit 2003 schließlich bei der LVZ. Auch in seiner Eigenschaft als derzeitiger Sprecher des Deutschen Presserates hat er sich zum Thema Zukunft der Online-Medien eher bedeckt gehalten.
Nun hat Hilder also aufgrund seines innovativen Konzeptes zwei Drittel der Stimmen des MDR-Verwaltungsrates auf sich vereint. Dabei überzeugte er offenbar erst zwischen den Wahlgängen. Beim ersten Wahlgang hatte seine Konkurrentin, die juristische Direktorin des MDR, Karola Wille, noch mit vier zu drei Stimmen die Nase vorn, wie der Blog Flurfunk Dresden berichtet. Erst im vierten Wahlgang erreichte Hilder die notwendige Mehrheit von fünf zu zwei Stimmen.
Jetzt ist der Rundfunkrat am Zuge. Der wird am 26. September über den Personalvorschlag des Verwaltungsrates abstimmen. Hier braucht Hilder erneut eine Zweidrittelmehrheit – diesmal allerdings auf Anhieb. Diese Mehrheit gilt als wahrscheinlich, nicht aber als gesichert, da nicht alle Rundfunkratsmitglieder von Hilders Eignung überzeugt sind. Fällt er durch, muss der Verwaltungsrat einen anderen Kandidaten finden, um im Anschluss erneut den Rundfunkrat zusammenzurufen. Doch die Zeit drängt: Der Vertrag mit Udo Reiter ist unwiderruflich zum 31. Oktober aufgelöst. Ist bis dahin kein Nachfolger gefunden, ist der MDR nicht nur kopf-, sondern auch intendantenlos. Beobachter vermuten daher, dass mit der schnellen Auflösung von Reiters Vertrag der Rundfunkrat unter Druck gesetzt werden soll, den Kandidaten zu wählen, der ihm als erstes vorgesetzt wird.
Zur Heiterkeit am Peterssteinweg gesellt sich aber auch Fassungslosigkeit darüber, »dass jemand, der immer nur an seiner Karriere, anstatt für und mit seinen Mitarbeitern arbeitete, immer höhere Positionen bekommt«, wie ein LVZ-Angestellter bedauert. Aber darüber müssen sich höchstwahrscheinlich die Kollegen ein paar Straßen weiter ärgern.