anzeige
anzeige
Essen & Trinken

Mit Stil und ohne Pathos

Das neu eröffnete Restaurant Weinwirtschaft am Thomaskirchhof gibt sich bodenständig

  Mit Stil und ohne Pathos | Das neu eröffnete Restaurant Weinwirtschaft am Thomaskirchhof gibt sich bodenständig

Endlich sind die Baugerüste gefallen. Das Haus am Thomaskirchhof 13/14 war eines der wenigen am Platz, deren Fassade und Innenleben bis vor Kurzem immer noch langsam, aber sicher verfielen.

Nachdem der Hauseigentümer Hirmer Immobilien mehr als 9 Millionen Euro in das Gebäude investierte, eröffnete Ende November die Rostocker Hotelgruppe Arcona Hotels & Resorts dort das Hotel und Boardinghaus Living Bach 14. Die drei Gebäudeteile, zu denen ein Renaissancebau von 1590, ein Wohnhaus aus der Gründerzeit von 1887 und ein Neubau als Gartenflügel gehören, umschließen einen kleinen Innenhof mit mittelalterlichen Strukturen. Die Architekten des Büros Fuchshuber & Partner fanden Wege, trotz Denkmalschutz alle Gebäudeteile nahtlos miteinander zu verbinden. Das moderne Innenleben entstand im Architekturbüro Seeger Müller. Die unmittelbare Nähe zur Thomaskirche und zum Leipziger Bach-Archiv nutzend, baut die Gestaltung auf das Thema Musik. Nicht nur die Farben, sondern auch Wandbemalung und Beleuchtung beziehen sich auf Kirchenmusik und führen wie ein roter Faden durch sämtliche Flure und Räume.

In der Weinwirtschaft ist das nicht anders. Das Restaurant im Erdgeschoss hat einen eigenen Eingang von der Straße aus. Man muss also kein Hotelgast sein, um hier einzukehren. Die breite Fensterfront und vor allem die hochwertige Einrichtung im Bistro-Stil sorgen für eine angenehme, unkomplizierte Atmosphäre. Optische Akzente setzen nicht nur die Tische auf zwei Ebenen, sondern vor allem eine offene Küche und die an Orgelpfeifen erinnernde, ausladend gestaltete Deckenleuchte. Ab 7 Uhr gibt es Frühstück, mittags schnelle Menüs oder Tapas, abends ein erweitertes Standardprogramm mit einer zeitgemäßen, jungen Küche. Die reicht von bodenständiger Kartoffelsuppe und Schweinemedaillons mit Spätzle bis zum vegetarischen Flammkuchen. Schon an den Eröffnungstagen ging es hoch her: Nicht nur die Gäste des aus dem Stand gut gebuchten Hotels wollten bedient sein, sondern natürlich auch jene, die das Restaurant eher zufällig fanden. Da passt es gut, dass auf jedem Tisch Blöcke mit dem Tapas-Angebot liegen, auf denen der Gast ankreuzen kann, was er essen möchte. Die Kleinigkeiten haben hier eher internationalen als spanischen Charakter: Es gibt Crostini mit gratiniertem Feta, Frischkäse-Brotchip-Türmchen oder kleine Schälchen mit Glasnudel-Gemüsesalat für je 2,50 Euro oder Mini-Gemüseflammkuchen, Hirschragout auf Kartoffeltaler oder Entenbrust mit Orangenminzsalat für je 3,80 Euro. Wer vier, sechs oder acht Tapas bestellt, zahlt 12, 17 beziehungsweise 20 Euro.

Man kann es bei den Tapas belassen oder aus der Speisekarte bestellen. Abends lohnt sich ein ausgiebigeres Menü. Küchenchef Thomas Till, gerade einmal 26 Jahre jung, hat sich dafür verschiedene Varianten ausgedacht. Sie laufen aktuell unter den Überschriften Regional, Weinwirtschaftsklassiker, Pasta & Risotto, Winterzeit und Hausspezialitäten. Man kann die Gerichte einzeln, als Menü oder je nach Gusto kombiniert bestellen. Unter den Gerichten stehen verschiedene Weinempfehlungen. In den Regalen liegen 60 Weine, von denen 95 Prozent offen, zum Teil auch aus großen Magnumflaschen, ausgeschenkt werden. Die Weinkarte ist wie eine Tageszeitung gestaltet, so dass man sich nicht nur über das Sortiment, sondern nebenbei auch über Winzer, Events und Rezepturen informieren kann. Als »Edition Weinwirtschaft« sind zwei Weiße (Weißburgunder aus der Pfalz und Silvaner Kabinett aus Franken) sowie ein Prosecco und drei Rote aus Italien beziehungsweise Spanien dabei. Zur internationalen Auswahl gehört zudem ein Gutedel aus der Lage Naumburger Steinmeister vom Weingut Matthias Hey, der zu meinem knusprig gebratenen Zanderfilet mit Kürbisrisotto und Kräuterschaum passte. Zuvor hatte ich eine tadellose, klare Entenbrühe mit feinen Gemüsestreifen probiert, danach heiße Zimtpflaumen, die noch richtig gut Biss hatten und mit Walnusseis serviert wurden.

Der Service, den Restaurantleiterin Yvonne Kuntnawitz dirigiert, blieb trotz des Trubels in den ersten Tagen souverän. Und als einer am Tisch seine Kartoffel-Pilz-Roulade etwas überwürzt fand, gab das der Kellner dann tatsächlich an die Küche weiter. Oft erlebt man ja, dass solche ehrlichen Worte ins Leere laufen. Aber der Küchenchef hier, bemüht es allen recht zu machen, drehte eine Runde durch den Gastraum und fragte nach den Details. Schön, wenn man mit den Köchen ins Gespräch kommt!


Kommentieren


0 Kommentar(e)