Der Beschluss war weitreichend und durchaus erfreulich: Bis zum Jahr 2013 soll der Anteil der Freien Kulturszene am Kulturhaushalt von damals 2,5 auf 5 Prozent anwachsen, beschloss die Leipziger Ratsversammlung im September 2008. Die Frist läuft in neun Monaten ab, doch das Ziel liegt noch in weiter Ferne, 2012 erhielt die freie Szene lediglich 3,3 Prozent des Kulturhaushaltes. Nun macht die Initiative Leipzig + Kultur mobil. kreuzer online sprach mit Mit-Initiator Torsten Reitler.
kreuzer: Habt ihr noch die Hoffnung, dass die fünf Prozent, wie damals beschlossen, erreicht werden? Was müsste dafür passieren?
TORSTEN REITLER: Wir haben die Hoffnug, dass der Stadtratsbeschluss wie beschlossen umgesetzt wird. Allerdings gibt es dafür tatsächlich noch viel zu tun, der Ball liegt jetzt bei der Stadtverwaltung. Aktuell sieht es so aus, dass niemand sich konkret äußert. Fragen aus den Fraktionen (Grüne, CDU) an den OBM wurden ausweichend beantwortet. Die Leipziger Kulturlandschaft entwickelt sich immer mehr zu Großbaustellen (Actori-Gutachten, Muko, Centraltheater...), wir müssen kämpfen, um da nicht unterzugehen. Wie realistisch unsere Hoffnung ist, können wir also nur schwer einschätzen.
kreuzer: Wie sieht die Situation der Freien Szene derzeit aus?
REITLER: Die Situation ist insofern dramatisch, als dass sich die Unterfinanzierung über Jahre festgesetzt hat und sich prekäre Strukturen verfestigt haben. Wenn, wie aktuell, Fördermaßnahmen wegbrechen (AGH), Karteneinnahmen ausbleiben oder Sponsoren abspringen, dann wird es ganz eng. Siehe Theatrium, Cammerspiele … . Generell ist es so, dass viele spannende Projekte mangels öffentlicher Förderung »ungeboren« bleiben. Bestehende Projekte überleben, weil sie sich immer weiter selbst beschneiden.
kreuzer: Der Initiative fordert seit Jahren eine Reform der Vergabemittel für die Kulturszene. Wie soll die aussehen?
REITLER: Unser Ansatz ist klar solidarisch: Wir wollen fünf Prozent vom bestehenden Kulturhaushalt. Also nicht mehr Geld, sondern einen sinnvollen Umgang mit dem Vorhandenen. Das bedeutet, Geld muss umgewidmet werden. Das erfordert Denkarbeit und offene Diskussion in der Leipziger Kulturpolitik: Was ist wichtig? Worin liegt Potential? Von welchen Dingen trennen wir uns? Diese Diskussion wollen wir offen mit allen Beteiligten führen.
kreuzer: Die Beteiligung der freien Szene an der Fachförderrichtlinie hat nicht geklappt. Woran lag das?
REITLER: Grundsätzlich waren die Akteure eingeladen. Allerdings nach einem merkwürdigen Zufallsprinzip – da blieb vorhandene Kompetenz aus der Szene leichtfertig ungenutzt. Die größten Probleme kamen dann im Laufe des Verfahrens auf: Die Moderation war überfordert, das Kulturamt unbeweglich, den nach Zufallsprinzip eingeladenen Szene-Vertretern fehlte die Erfahrung mit Verwaltungsabläufen. Was übrigens auch die Meinung des FA Kultur ist.
kreuzer: 2013 steht die OBM-Wahl in Leipzig an. Was fordert ihr von Burkhard Jung?
REITLER: Burkhard Jung hat als einziger gegen die fünf Prozent für die Freie Szene gestimmt. Seine Spaltungspolitik im Kulturdezernat erweist sich jetzt als Klippe, die er umschiffen muss – nicht nur »seine« Großkultur braucht Zukunftssicherheit. Wir erwarten vom OBM bzw. Kulturbürgermeister einen ganzheitlichen Blick auf die Leipziger Kultur und ein klares Bekenntnis zur Freien Kultur, die einen Großteil der Attraktivität Leipzigs ausmacht.
kreuzer: Wie sehen eure nächsten Schritte aus?
REITLER: Jetzt ist Zeit für Aktion. Wir wollen öffentlichen Druck aufbauen, damit die Gespräche mit der Stadt und dem Kulturdezernat wieder Schwung aufnehmen und wir bis zu den Haushaltsverhandlungen die Voraussetzungen schaffen, damit der Stadtratsbeschluss umgesetzt werden kann. Und der sagt: Fünf Prozent für die Freie Szene ab 2013!