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Kultur

»Meine Generation ist besessen von Realtity-TV«

Die Nachwuchsschauspielerin Jennifer Lawrence über ihren neuen Film »Die Tribute von Panem«, Reality-TV und ihrem Weg zum Starsein

  »Meine Generation ist besessen von Realtity-TV« | Die Nachwuchsschauspielerin Jennifer Lawrence über ihren neuen Film »Die Tribute von Panem«, Reality-TV und ihrem Weg zum Starsein

Seit ihrer beeindruckenden Vorstellung in »Winter’s Bone« gilt Jennifer Lawrence als eine der vielversprechendsten, amerikanischen Nachwuchsschauspielerinnen. Die Rolle der großen Schwester, die in einer durch und durch kriminellen Umgebung für das Überleben ihrer Familie kämpfte, brachte ihr nicht nur eine Oscar-Nominierung, sondern auch eine Menge Rollenangebote ein. Nun ist die 21-jährige als Hauptfigur in Gary Ross’ »Die Tribute von Panem« im Kino zu sehen – der Verfilmung des ersten Teils von Suzanne Collins’ Jugendromantrilogie, die sich schnell zu einem internationalen Bestseller-Phänomen entwickelt hat. Lawrence spielt hier in einem diktatorischem Regime einer nicht allzu fernen Zukunft die junge Katniss Everdeen, die an den sogenannten Hunger-Spielen teilnehmen muss, bei denen 24 Jugendliche auf Leben und Tod gegeneinander antreten, während die Bevölkerung des Landes den zynischen Überlebenskampf live auf dem Fernsehbildschirm verfolgt.

kreuzer: Die Romanvorlage zu »Die Tribute von Panem« hat sich millionenfach in aller Welt verkauft. Was macht den Erfolg dieser Geschichte und der Hauptfigur der Katniss gerade bei einer jungen Leserschaft aus?

JENNIFER LAWRENCE: Katniss zeigt, was ein junger Mensch bewirken kann. Sie beweist, wie viel Macht und Kraft wir haben. Wir leben in einer Welt, in der sich die Geschichte ständig zu wiederholen scheint und wir von den Medien derart manipuliert sind, dass wir wie die Schafe nur demjenigen folgen, der direkt vor uns geht. Es gibt nur wenig Menschen, die dagegen aufbegehren. Aber im Nahen Osten kann man zum Beispiel gerade sehen, wie viel Macht die Jugend hat. Dort stürzen die jungen Menschen ein Regime mit Handys und Facebook. Die Botschaft, die »Die Tribute von Panem« vermittelt, lautet: Wir haben einen eigenen Standpunkt. Wir sind keine Schafe.

kreuzer: Der Film setzt sich in einer futuristischen Kulisse sehr kritisch mit Phänomenen unserer Gegenwart wie etwa dem Reality-TV auseinander. Was halten Sie von dieser Medienkultur?

LAWRENCE: Meine Generation ist besessen von Realtity-TV. Mich persönlich hat das nie besonders interessiert. Ich glaube durch diese Shows werden wir zunehmend desensibilisiert. Es braucht immer mehr, um uns zu schockieren. Anscheinend tragen wir diese kranke Veranlagung in uns, dass wir uns von den Tragödien anderer Menschen unterhalten fühlen. Und die Leute, die in Reality-TV-Shows auftreten, sind derart verzweifelt, dass sie die verrücktesten Dinge tun, um uns diese Art von Unterhaltung zu liefern.

kreuzer: Glauben Sie ein Film wie »Die Tribute von Panem«, der auf ein sehr breites Publikum zielt, kann an dieser (Un-)Kultur etwas ändern?

LAWRENCE: Ich glaube nicht, dass unser Film daran grundsätzlich etwas ändern kann. Aber ich habe beim Lesen der Bücher gemerkt, dass man noch mal neu über diese Art von Shows nachdenkt. Ich habe neulich eine Reality-Show gesehen, in der eine Frau in die Kamera hinein geschluchzt hat, weil sie gerade eine furchtbare Scheidung durchmachte – und ich saß auf dem Sofa und habe dabei gegessen. Ich habe den Fernseher ausgemacht und gedacht: »Das ist einfach krank. Das ist wie bei den Hunger-Spielen in Panem.«

kreuzer: Sie haben sich in den letzten Jahren als Nachwuchsschauspielerin sehr weit nach oben gearbeitet. Geht es in Hollywood ähnlich rücksichtslos zu wie bei den Hunger-Spielen in Panem?

LAWRENCE: In Hollywood geht es nicht um Leben und Tod. Aber es gab beim Lesen des Drehbuches Momente, die mir aus meinem eigenen Leben sehr vertraut waren. Etwa wenn Katniss in diese Kleider gesteckt wird, in denen sie sich nicht wohl fühlt und die sie normalerweise nie tragen würde, und nun mit der Kamera vor der Nase die Leute dazu bringen soll, sie zu mögen. Das ist für Katniss plötzlich ein vollkommen anderes Leben. Und wie sich das anfühlt, weiß ich aus eigener Erfahrung sehr genau.

kreuzer: Wie fühlen Sie sich in solchen Talk-Shows?

LAWRENCE: Für das Publikum sieht es immer so aus, als würde man da gemütlich auf dem Sofa sitzen und sich unterhalten. Aber für mich fühlt sich das ganz anders an. Ich bin da immer hypernervös und spreche lauter, als ich eigentlich will. Man macht einen Witz oder sagt etwas Seltsames, das Publikum lacht lauthals los – und ehe man sich versieht, ist die Show auch schon wieder vorbei.

kreuzer: Der Film ist Ihre erste große Hollywood-Produktion, wurde als Dreiteiler angelegt und wird Sie wahrscheinlich zum Star machen. Wie viel Respekt hatten Sie vor der Entscheidung für ein solches Projekt?

LAWRENCE: Für eine Rolle wie diese kann man sich nicht eben am Telefon entscheiden. Mir war klar, dass diese Entscheidung womöglich mein ganzes Leben verändern wird und dass es danach keine Rückkehr mehr in die Normalität mehr gibt. Ich habe mir das sehr gründlich überlegt. Aber ich habe bald gemerkt, dass ich mich für die Figur der Katniss ebenso stark interessierte wie für die Rolle in »Winter’s Bone«. Das einzige, was mich von der Rolle abgehalten hätte, wäre meine Angst gewesen – und das hätte ich später bestimmt bereut.

kreuzer: Sind Sie auf den Hype, der Sie erwartet, vorbereitet?

LAWRENCE: Wirklich vorbereiten kann man sich darauf nicht. Aber ich weiß, dass ich nun – ob es mir passt oder nicht – die Rolle eines Vorbildes einnehme. Dinge, die ich sage, tue oder trage, betreffen jetzt nicht mehr nur mich allein.


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