Seit dem 7. November muss sich Gil Ofarim am Landgericht Leipzig unter anderem wegen des Vorwurfs der Verleumdung verantworten. Die Staatsanwaltschaft Leipzig ist davon überzeugt, dass der Sänger und Schauspieler in einem millionenfach geklickten Instagram-Video einen Mitarbeiter des Leipziger Westin-Hotels, Markus W., absichtlich falsch des Antisemitismus beschuldigt haben soll. In diesem Artikel fassen wir für Sie die neusten Entwicklungen beim Prozess zusammen. Der Artikel wird nach jedem Prozesstag aktualisiert, sodass sie die neusten Einträge am Beginn des Artikels finden. Einen ausführlichen Bericht zum ersten Prozesstag mit Hintergünden zum Fall finden Sie hier.
Sechster Prozesstag am 28. November: Überraschendes Ende - Ofarim gesteht und entschuldigt sich bei Markus W.
Erst etwa zweieinhalb Stunden nach offiziellem Prozessbeginn finden sich alle am Prozess beteiligten im Gerichtssaal ein. Unter den Zuschauenden hat sich spürbare Unruhe ausgebreitet. Doch das Warten hat sich gelohnt. Denn gleich zu Beginn wird verkündet, dass alle Zeugen und Zeuginnen ausgeladen wurden, da Gil Ofarim zu einer Aussage bereit sei. Gespannte Stille erfüllt den Raum. Nach kurzen technischen Problemen gesteht Ofarim: »Die Vorwürfe treffen zu. Herr W., ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid. Ich habe das Video gelöscht.« Ohne zu zögern, nimmt Markus W. die Entschuldigung an. Ofarim hatte den Manager des Westin Hotels im Oktober 2021 des Antisemitismus beschuldigt. In einem Instagram-Video behauptete Ofarim, der W. habe ihn aufgefordert, seine Kette mit Davidstern einzupacken, um einchecken zu können.
Die Verteidigung von Ofarim stimmte einem Vergleich mit W. zu, der Musiker muss Schmerzensgeld an W. zahlen, das Verfahren wird eingestellt. Die Verfahrenseinstellung begründet Richter Andreas Stadler mit der Glaubhaftigkeit des Geständnisses Ofarims, auch in Anbetracht der vorgelegten Beweise und Zeugenaussagen. Stadler sagt, dass Ofarim dem Kampf gegen Antisemitismus keinen unerheblichen Schaden zugefügt habe. Deswegen müsse Ofarim jeweils 5.000 Euro an die jüdische Gemeinschaft zu Leipzig und den Trägerverein des Hauses der Wannsee-Konferenz zahlen. Gleichzeitig betont Stadler auch den Mut Ofarims, sich zu entschuldigen, was am Ende wichtiger sei als das Urteil eines Gerichts.
In seinem Schlussstatement betont Stadler, dass es nicht nur Verlierer gebe – wie es die Verteidigung zu Beginn des Prozesses noch darstellte. Die Gesellschaft, weil sie nun die Wahrheit wisse, Markus W., weil er durch die Entschuldigung rehabilitiert wurde und Ofarim, der durch das Geständnis die Chance auf einen Neustart habe – sie alle seien die Gewinner. Stadler schließt mit den Worten: »Eines bleibt, wie es war: Antisemitismus ist eine Tatsache. Der Kampf dagegen ist eine Aufgabe.«
In einem kurzen Statement sagt W.s Anwalt Daniel Baumgärtner, sein Mandat sei froh, dass »die Wahrheit ans Licht gebracht werden konnte« und er nun endlich sein Leben normal fortsetzen könne. Ofarims Verteidiger Alexander Betz sagt, sein Mandant sei unbescholten: »Die Beweislage war unübersichtlich und am Schluss hatte unser Mandant keine Kraft mehr.« Beide Seiten wollen zu dem genaueren Inhalt des Vergleichs keine Aussage treffen. LEONIE BEER
Fünfter Prozesstag am 16. November: Gutachter erläutert Reflexionsgesetze - Ofarims Strafverteidigung zieht Manipulation in Erwägung
Zur vorläufigen Halbzeit im Prozess sagen am Donnerstag drei weitere Zeuginnen vor Gericht aus. Darüber hinaus führt Dirk Labudde die Ausführungen seines Gutachtens fort: Der Digital-Forensiker hat unter anderem analysiert, ob es auf den Überwachungsvideos des Hotels Situationen gibt, in denen der Davistern sichtbar war – oder aber mit absoluter Sicherheit nicht getragen wurde. Labudde zeigt Bilder aus der Videosequenz, in der Ofarim das Hotel verlässt. Hier deutet er auf eine »mögliche Bewegung der linken Hand zum Hals« hin, wo »unerwartete helle zusammenhängende Pixelflächen« auftauchen – aus seiner Perspektive könne es sich hier um den Davidstern handeln.
Die Ausführung des Digital-Forensikers führen zu lebhaften Diskussionen im Gerichtssaal: Ofarims Strafverteidiger Philipp Müller und Alexander Stevens zeigen sich nicht überzeugt – ist das unerwartete, helle Lichtobjekt vielleicht auch Ofarims großer, silberner Ring, den er an der linken Hand trug? Labudde argumentiert gereizt mit Reflexionsgesetzen, spricht vom Einfluss der Bewegung auf die Geometrie, unterschiedlich reagierenden Materialien und Kompressionseffekten; trotz des Vermessens auf Pixelebene soll Ofarim zum nächsten Termin den Ring nun mitbringen.
Strafverteidigung äußert neuen »Anfangsverdacht«
Auch insgesamt stellt Gil Ofarims Strafverteidigung das Verfahren des Gutachters in Frage: »Das gehört zur forensischen Realität dazu, dass man mit falschem Bildmaterial bedient wird, ich habe hier in der Summe einen Anfangsverdacht, dass es so sein könnte«, sagt Müller. Schließlich gebe es da die zwei fehlenden Sekunden, außerdem habe die damals ermittelnde Anwaltskanzlei das Material zuerst bekommen, und Gutachter Labudde erst einige Tage später. Dieser habe mit dem komprimiertem Videomaterial arbeiten müssen – Rohdaten hätten zu dem Zeitpunkt nicht existiert. »Es geht um Nuancen, wo der Stern aufblitzt – wenn man die rausnimmt…«, wirft Stevens ein, wovon sich der vorsitzende Richter, Andreas Stadler, nicht überzeugt gibt: Diese Theorie gefalle ihm im Augenblick nicht so richtig.
Zeuginnen nahmen Ofarim als glaubhaft wahr
Als weitere Zeugin sagt am Donnerstag zunächst Yvonne P., die damalige Managerin Ofarims aus. Die 45-Jährige berichtet, gerade auf einem Geburtstag gewesen zu sein, als der aufgebrachte Ofarim sie angerufen habe, und ihr von der Situation in der Lobby erzählt. Am Telefon sei ihr dieser sehr verletzt vorgekommen. Für den Musiker sei Antisemitismus ein Thema, das ihn sein Leben lang begleitet habe. Ofarim habe ihr von Beschimpfungen in seiner Jugend erzählt, sie selbst habe aber nie diskriminierenden Handlungen gegen ihn miterlebt. Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Schilderungen hatte sie während des Anrufs nicht: »Wenn jemand einen so aufgebracht anruft, dann hinterfragt man das nicht.«
Als geschockt am Telefon hätten den Musiker auch die Zeuginnen Nadine S. und Lina N. wahrgenommen, sagen beide aus. S. und N. haben im Rahmen der TV-Aufzeichnung am 4. Oktober 2021 als Produzentin und Produktionsassistentin mit Ofarim zusammengearbeitet. Nach der Situation in der Lobby fanden Telefonanrufe zwischen den beiden, Ofarim und seiner Managerin statt. S. schildert Ofarim während des Anrufs als »total fertig, in gedrückter und schockierter Stimmung«, zuvor bei der Aufzeichnung sei er sehr gut gelaunt gewesen.
Der Prozess wird am 28. November fortgeführt. Gutachter Labudde soll am 6. Dezember noch einmal wiederkommen, um den zweiten Teil seines Gutachtens vorzustellen. CHARIS MÜNDLEIN
Vierter Prozesstag am 15. November: Digital-Forensiker sagt aus - Davidstern-Kette in der Hotellobby nicht zu erkennen
Als erster Zeuge wird an diesem Tag der Leiter einer Firma für Sicherheitstechnik ausführlich befragt. Michael K. war zuständig für die Installation der Überwachungskameras und wurde mit der Auslagerung der Videoaufzeichnungen vom technischen Leiter des Hotels betraut. Er gibt detaillierte Informationen über die Sicherheitsvorkehrungen der Videoüberwachung. Außer ihm hätten vier Personen Zugriff auf die Kameras, die vom Hotel ausgewählt worden seien. Zum Anschauen müssten immer zwei von ihnen anwesend sein. Zusätzlich sei alles mit einem Passwort geschützt, sagt K., der angibt als einziger ein Administratorpasswort zu besitzen, mit dem er auch einsehen könne, ob Aufzeichnungen bereits abgespeichert oder verändert wurden. Letzteres verneint er: »Es gab keine Manipulation«.
Bevor Digital-Forensiker Dirk Labudde, der die Überwachungsvideos als Sachverständiger auswertete, sein Gutachten vortragen kann, wird die Befragung von Heide B. vorgezogen. Sie ist als Selbstständige unter anderem Anbieterin eines Shuttle-Services. Am besagten Oktobertag fuhr sie Ofarim vom MDR zum Westin-Hotel.
Auf Überwachungsvideo fehlen zwei Sekunden
Während der Fahrt soll Ofarim sehr redselig gewesen sein, habe von seinen Kindern und seiner Ex-Frau berichtet und mit seiner Fahrerin geflirtet, erinnert sich B. Schließlich soll sich Ofarim am Hotel per Umarmung bei B. verabschiedet und ihr seine Autobiografie geschenkt haben. Ofarims Kleidung gibt B. entsprechend der Videoaufnahmen wieder, an eine silberne Halskette mit einem Davidstern-Anhänger kann sie sich nicht erinnern, lediglich an die lange braune Perlenkette.
Nachdem die Zeugin unvereidigt entlassen wird, weist die Verteidigung die Kammer daraufhin, dass noch eine Videoaufnahme des Westin-Hotels gezeigt werden soll. Auf diesem ist eine Situation an der Hotelbar zu beobachten. Dort ist Ofarim zwar nicht zu sehen, doch mit dem Verweis auf den fortlaufenden Zeitstempel fällt auf, dass zwei Sekunden fehlen. Zur selben Zeit soll Ofarim an der Rezeption gestanden haben. Ein Raunen dringt durch den Saal. Die Verteidigung könne sich dies nicht erklären und fragt daraufhin den Digital-Forensiker Labudde nach einer möglichen Erklärung.
Dies spontan zu beantworten sei aber schwierig, sagt Labudde. Der Sachverständige will darauf zu einem späteren Zeitpunkt eingehen. Aus Zeit- und Konzentrationsgründen soll Labudde an diesem Tag nur eine Fragestellung beantworten: Ob Ofarim auf den Aufnahmen eine Davidstern-Kette trägt oder nicht. Dafür wurden diverse Kameraaufzeichnungen ausgewertet. Die Kette sei darauf nicht zu erkennen, sagt Labudde. Erst nachdem Ofarim das Hotel wieder verließ, sei auf den Bildern ein Gegenstand an dem Sänger erkennbar, der auf einen Davidstern schließen lasse. Der Vortrag von Labudde soll am nächsten Tag fortgesetzt werden. LEONIE BEER UND NICO RIETZSCHEL
Dritter Prozesstag am 14. November: Zwei Zeugen antworten auf entscheidende Frage: »Nein«
Der dritte Prozesstag beginnt mit einem Knall: Ein neuer Zeuge hat sich bei der Staatsanwaltschaft gemeldet. Wie Staatsanwalt Andreas Ricken verkündet, habe sich ein Mann gemeldet, der sagt, ebenfalls an jenem Abend Gast im Westin gewesen zu sein und hinter Gil Ofarim in der Schlange gestanden haben will. Das Gericht hält sich offen, den Mann als Zeugen vorzuladen. Laut Richter Andreas Stadler gibt es Zweifel, dass der Anrufer die Wahrheit sagt.
Im Anschluss werden private Chats zwischen Hotelmanager Markus W. und der damaligen Werksstudentin Margit Sophie G. vorgelesen, in denen sie sich über die Geschehnisse an besagtem Abend austauschen. W. bittet seine Mitarbeiterin in den Chats um eine eidesstattliche Erklärung, in der sie auf die Vorkommnisse mit Ofarim eingehen soll. Im Chat gibt es eine gelöschte Nachricht, auf die die Anwälte von Ofarim mit Nachdruck hinweisen. Es ist anscheinend nicht mehr nachvollziehbar, was G. in der Nachricht schrieb und dann wieder löschte.
Zeuge sagt aus, Ofarim sei »auf 180« gewesen
Die ersten beiden befragten Zeugen am Dienstag sind Alexander H. und Timo S. Es sind die Stammgäste, die an dem Abend durch W. vorgezogen wurden. Beide sagen aus, dass sie von »einem Herrn« den Ruf »Was ist an euch beiden so besonders, dass ihr eure Karten schon bekommt?« vernommen haben wollen. Beide Zeugen sind sich nicht vollkommen sicher, gehen aber davon aus, dass es sich dabei um Ofarim handelte. Auf die Frage, ob H. und S. eine Davidstern-Kette an Ofarim gesehen hätten, antworten sie unabhängig voneinander: »Nein.« Beide schließen aus, eine antisemitische Äußerung gehört zu haben.
Der dritte Zeuge, Frank J., schildert, dass Ofarim hinter ihm in der Schlange stand und sie sogar kurz miteinander sprachen. Er habe Ofarim erklärt, dass sich der Check-In aufgrund eines Systemausfalls verzögere, woraufhin der Sänger »auch das noch« entgegnet haben soll. Die Konfrontation zwischen W. und Ofarim nahm der Zeuge ganz anders als der Sänger wahr. J. sagt, dass er W. als ruhig und defensiv wahrgenommen habe, Ofarim hingegen soll aufgebracht und »auf 180« gewesen sein. J. will gehört haben, wie Ofarim von »scheiß Hotel« oder »scheiß Service« sprach.
»Martini haben wir nicht, es gibt nur deutschen Wermut.«
Noch bevor Ofarims Anwälte den Zeugen befragen, bitten sie um eine zehnminütige Pause. Nach der Pause geht es mit Schärfe weiter: Verteidiger Alexander Stevens trägt ein Zitat des Zeugen vor, im Compliance-Verfahren des Hotels soll J. die Anwälte zum Vorfall gefragt haben: »Ist das nicht auch eine Art von Volksverhetzung? Wäre das nicht so, als ob ich rausgehen und sagen würde ›alle Juden müssen vergast werden‹?« Die Anwälte reagieren mit Empörung auf dieses Zitat. J. sagt, er habe das aus reinem Interesse gefragt, weil ihn der Fall und der Shitstorm »ungemein beschäftigt« hätten.
Dorothee B. ist die letzte Zeugin an diesem Prozesstag. Sie erzählt von einem neuen Vorkommnis im Westin an diesem Abend. Ihr seien an der Hotelbar zwei Bemerkungen aufgefallen. »Prosecco gibt’s nicht, es gibt nur deutschen Sekt«, soll ein Barkeeper ihr gegenüber gesagt habe und wenig später: »Martini haben wir nicht, es gibt nur deutschen Wermut.«
Der Prozess wird am 15. November fortgesetzt. Dann wird der Digital-Forensiker Dirk Labudde aussagen und die Frage beantworten, ob er es für möglich halte, dass Ofarim eine Kette mit Davidstern trug. LENA GRÜTZMACHER
Zweiter Prozesstag am 8. November: Drei weitere Zeugen sagen aus, einer will damals den Davidstern gesehen haben
Im Gerichtsprozess wird am Dienstag zunächst die Vernehmung des Zeugen und Nebenklägers Markus W. fortgeführt. Der damals beschuldigte Hotelmanager demonstriert im Gerichtssaal die Höhe des Rezeptionstresens an seiner Körperhöhe, an viele der erfragten Details erinnert er sich aber nicht mehr. Ob er am Abend des Vorfalls im Oktober 2021 noch einmal mit den in der Schlange bevorzugten Stammgästen gesprochen habe? »Gute Frage. Nicht sicher«, antwortet W.
Im Anschluss an die Vernehmung äußert Ofarims Strafverteidiger Philipp Müller Zweifel am Wahrheitsgehalt von W.s Aussagen. Diese würden sich teilweise nicht mit den Aussagen aus dem Ermittlungsbericht der Anwaltskanzlei decken: insbesondere bei der Frage, ob der Hotelmanager Ofarim nun erkannt habe oder nicht. Laut Müller verschweige W., dass er ganz wohl gewusst habe, mit wem er es zu tun hatte. Ofarims Verteidigung verkündet, den Zeugen zu wahren Aussagen bringen zu wollen. Im Rahmen einer Verhandlungsunterbrechung stellen die Verteidiger einen Antrag auf Vereidigung von W. Das Gericht lehnt diesen ab. Die Kammer habe nicht die konkrete Überzeugung, dass W. bisher nicht die volle Wahrheit gesagt habe, erklärt der vorsitzende Richter Andreas Stadler.
Gast will Davidstern gesehen haben
An besagtem Abend stand W. gemeinsam mit der damaligen Werkstudentin Margit Sophie G. hinter der Rezeption. Die 25-Jährige hatte an diesem Abend die Schichtleitung. Detailliert schildert sie vor Gericht die Situation, sie habe keine antisemitischen Äußerungen gehört, weder von anderen Gästen in der Lobby noch von ihrem Vorgesetzten W. Die Vernehmung von G. wird am Dienstag unterbrochen, sie soll Ende November noch einmal vor Gericht aussagen.
Im Mittelpunkt der Ermittlungen der letzten beiden Jahre stand die Frage, ob Gil Ofarim seine Kette mit dem Davidstern bereits in der Lobby sichtbar trug. Ein Zeuge ist sich am zweiten Prozesstag sicher, Ofarim mit dem Davidstern gesehen zu haben. Herr S. stand am Abend des 4. Oktober in der Schlange der Hotellobby, schräg hinter Ofarim. Der Bankkaufmann im Vorruhestand sagt, er habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst, wer Ofarim sei. Lediglich Ofarims für ein Businesshotel ungewöhnliche Kleidung sei ihm aufgefallen. Eine damalige Kollegin von S., Frau K., stand mit ihm in der Reihe. Die beiden waren auf Dienstreise, erst später im Aufzug habe sie ihm erklärt, wer der auffällige Gast gewesen sei.
K. sagt, sie habe Ofarim nicht von vorne sehen können, S. ist sich aber sicher: Im Anschluss an den Streit hätten der Hotelmanager und Ofarim abseits des Rezeptionstresens gesprochen – und da, von der Rezeption aus, habe S. eindeutig die Kette mit dem Davidstern erkennen können. Ofarim zeigt sich gerührt, er hat seinen Kopf in die Hände gestützt, blickt nach unten.
Der Prozess wird am kommenden Dienstag, den 14. November, fortgesetzt. CHARIS MÜNDLEIN
Prozessauftakt am 7. November: Ofarim schweigt, Westin-Mitarbeiter äußert sich erstmals öffentlich
Der Vorsitzende Richter am Landgericht Andreas Stadler stellte zu Beginn des Prozesses klar: »Es ist eine allgemeinkundige Tatsache, dass in allen gesellschaftlichen Schichten und politischen Strömungen offener und verdeckter Antisemitismus anzutreffen ist.« Dies brauche nicht weiter bewiesen zu werden, sagte Stadler. Alexander Stevens, einer von Ofarims Verteidgern, lobte diese Vorbemerkung des Richters, um dann zu einer Generalkritik an der medialen Begleitung des Falles auszuholen, aufgrund derer es »die Wahrheit inzwischen sehr, sehr schwer« habe. Stevens hob hervor, dass die internen Ermittlungen durch eine vom Westin-Hotel beauftragte Anwaltskanzlei nicht fair abgelaufen wären, die Medien durch diesen »PR-Stunt« gezielt gefüttert worden seien, wordurch sein Mandant schon vor Prozessbeginn vorverurteil worden sein. Tatsächlich sei es für Betroffene von Diskriminierung immer schwer, diese zu beweisen. Dafür zog Stevens einen Vergleich mit Fällen sexualisierter Gewalt im Rahmen von MeToo.
Die Äußerung des Hotelmitarbeiters Markus W., der laut Ofarim ihn dazu aufgefordert haben soll, seine Davidsternkette einzupacken, um einchecken zu können, hätten auch als missglückter Scherz in einer stressigen Situation zu verstehen sein können, sagte Stevens. Ob Ofarim die Kette nun getragen habe, was die Staatsanwaltschaft anzweifelt, spiele keine Rolle, sagte Stevens: »Es geht nicht um den Stern, sondern um die Diskriminierungserfahrung.« Sollte eine antisemitische Äußerung gefallen sein, sei sein Mandant freizusprechen, sagte der Verteidger des 41-Jährigen. Ofarim fügte diesem Eingangsstatement am ersten Prozesstag selbst nichts hinzu.
Dafür äußerte sich Hotel-Manager W., der im Verfahren als Nebenkläger auftritt, erstmals öffentlich. In seiner Aussage sagte W., dass Ofarim ihm aufgrund von Verzögerungen beim Einchecken gedroht habe, gleich auf sein Zimmer zu gehen, um der Welt zu erklären, was »das für ein scheiß Hotel ist«. W. habe ihn daraufhin aufgefordert, sich zu entschuldigen, sonst könne er nicht einchecken. Staatsanwalt Andreas Ricken schilderte in seiner Anklageschrift die Geschehnisse an diesem Oktober-Abend 2021 ebenso wie W. Für Ricken steht fest: Die David-Stern-Kette sei an besagtem Abend im Hotel nicht sichtbar, sondern von einem Jeanshemd verdeckt gewesen. »Wie der Angeklagte wusste, entsprachen die erhobenen Vorwürfe nicht der Wahrheit«, sagte Ricken. Einen ausführlichen Bericht zum ersten Prozesstag finden Sie hier. LEON HEYDE