Seit dem 4. Dezember beherbergt ein ausgedientes Schulgebäude in der Löbauer Straße in Schönefeld Asylbewerber. Diese Notunterkunft hat bei den Anwohnern für einige Aufregung gesorgt. Der zuständige Bürgermeister Thomas Fabian sah sich bei einer Informationsveranstaltung einem wütenden Sprechchor gegenüber, der ihn als »Lügner« niederbrüllte.
kreuzer: Seit bekannt wurde, dass in Schönefeld eine Notunterkunft für Asylbewerber eingerichtet werden soll, ist die Diskussion um die Unterbringung der Flüchtlinge wieder aufgeflammt. Wie haben Sie die Debatte wahrgenommen?
THOMAS FABIAN: Es ist erschreckend, wie heftig die Reaktionen gegenüber der Notunterkunft waren. Andererseits freue ich mich darüber, dass wir auch viele Hilfsangebote bekommen haben, von Initiativen, von der Kirchgemeinde, vom Bürgerverein, aber auch von Einzelpersonen. Die Flüchtlinge sind Notsituationen entkommen und suchen Sicherheit hier in Leipzig. Es ist nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine moralische Pflicht, der wir hier nachkommen. Eine so große Stadt wie Leipzig kann und muss es verkraften, eine – im Verhältnis immer noch sehr kleine – Anzahl von Flüchtlingen aufzunehmen und ihnen gute Lebensbedingungen zu bieten.
kreuzer: Der Stadt wird wieder einmal vorgeworfen, sie habe schlecht kommuniziert. Lernt sie nicht aus ihren Fehlern?
FABIAN: Wir haben sofort nachdem die Entscheidung gefallen war, dieses nicht genutzte Schulgebäude als Notunterkunft einzusetzen, informiert. Der Begriff Notunterkunft zeigt ja, dass es sich hier um eine kurzfristige und zeitlich begrenzte Maßnahme handelt. Ich bin überzeugt, dass der Zeitpunkt der Information wenig damit zu tun hat, wie die Menschen darauf reagieren. Wir informieren, sobald wir konkrete Vorstellungen davon haben, wie etwas umgesetzt werden soll. Es heißt immer wieder, wir sollen frühzeitig informieren. Wenn wir das aber tun, sagt man uns: Das ist ja noch nicht zu Ende gedacht. Ich halte das für ein vorgeschobenes Argument. Wir kommunizieren häufig und ausführlich in den Stadtbezirksbeiräten, auf Bürgerversammlungen und mit vielen Personen vor Ort.
kreuzer: Reden wir über die Fortschreibung des Unterbringungskonzeptes. Heute sind die Unterkünfte doppelt so groß wie ursprünglich geplant. Warum?
FABIAN: Nein, das ist nicht so. Wir haben das Konzept aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen, der Finanzierbarkeit und auch der Praktikabilität weiterentwickelt. Daher richten wir eine neue Kategorie von Unterkünften ein, die 100 bis 150 Plätze haben. Dort sollen die Flüchtlinge aber nur ein halbes bis allerhöchstens ein Jahr wohnen. Außerdem haben wir die soziale Betreuung erweitert. Sie schließt jetzt auch die Flüchtlinge mit ein, die außerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte leben. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge lebt in Leipzig in eigenem Wohnraum. Damit sind wir deutschlandweit Spitzenreiter. Und wir werden diesen Anteil weiter erhöhen.
kreuzer: Die Unterkunft in der Torgauer Straße sollte nach dem alten Konzept geschlossen werden. Davon ist nichts zu sehen.
FABIAN: Unser Ziel ist nach wie vor, die Gemeinschaftsunterkunft in der Torgauer Straße zu schließen, sobald wir alternative Standorte gefunden haben. Das ist aber sehr schwer, weil es nicht so viele Vermieter gibt, die ihre Häuser zur Verfügung stellen.
kreuzer: Wie viel gibt die Stadt Leipzig für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge aus?
FABIAN: Die Mittel des Freistaates decken trotz der auf ungefähr 6.000 Euro pro Person und Jahr (nicht, wie in der ursprünglichen Version des Interviews behauptet, pro Quartal – die Red.) erhöhten Pauschale gerade einmal 60 Prozent der Kosten ab. Das liegt zum Teil daran, dass die Stadt Leipzig für einige Flüchtlinge aufgrund ihres rechtlichen Status (nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz – die Red.) keine Kostenerstattung erhält, zurzeit sind das immerhin fast 400 Personen. Das liegt aber auch an unseren höheren – durch den Stadtrat beschlossenen – Standards. Der Freistaat sieht sechs Quadratmeter pro Flüchtling vor, in unseren Gemeinschaftsunterkünften haben die Flüchtlinge deutlich mehr Platz. Dazu kommt, dass die Häuser selten voll belegt sind, weil wir darauf achten, dass die Menschen, die dort wohnen, auch zusammenpassen. Zudem finanziert die Stadt die soziale Betreuung alleine.
kreuzer: Die NPD will dieses Thema für sich nutzbar machen. Wie geht man von Stadtseite aus damit um?
FABIAN: Das Wichtigste ist, Rassismus entschieden entgegenzutreten und auf bestimmte Argumentationsfiguren gar nicht erst einzugehen, weil sie vollkommen abwegig sind. Ich würde mir wünschen, dass sich noch mehr Menschen und Institutionen eindeutig positionieren. Die Aktion am 4. Dezember an der Löbauer Straße war sehr hilfreich. Das setzt ein deutliches Zeichen, dass Flüchtlinge von einem Teil der Bevölkerung auch willkommen geheißen werden.
kreuzer: Sie stehen seitens der Bevölkerung derzeit ganz schön im Feuer. Wie halten Sie Ihre Mitarbeiter bei der Stange?
FABIAN: In der Begegnung mit den Flüchtlingen merken wir, dass sie sich freuen, dass sich jemand für sie einsetzt. Das gibt immer wieder Kraft für die Arbeit. Das mag kitschig klingen, aber es ist so.