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Politik

Die Hebammenkrise

Ein Berufsstand muss sich neu definieren. In der Zwischenzeit wird demonstriert

  Die Hebammenkrise | Ein Berufsstand muss sich neu definieren. In der Zwischenzeit wird demonstriert

Die Hebammen sehen sich horrenden Kosten für die Versicherung ausgesetzt und gehen dagegen auf die Straße. Auch in Leipzig wird am Samstag protestiert. Haben die Hebammen Recht in ihrem Zorn und Protest oder liegt das Problem tiefer?

Werdende Eltern haben viele Fragen und manchmal Sorgen: Ist die Übelkeit normal? Warum juckt der Bauch so? Können das schon Wehen sein? Und wenn das Baby endlich da ist: Nimmt es auch richtig zu? Warum ist seine Kacke so grün? Eine Hebamme hat in diesen Situationen meistens einen Rat und sie anzurufen und um ihre Einschätzung zu bitten, kostet junge Eltern oft weniger Überwindung, als sich an einen Arzt zu wenden. Vor allem deswegen sind Hebammen wichtig für alle, die gerade schwanger sind oder ein neues Baby bekommen haben. Hebammen verbringen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett soviel Zeit mit der jungen Familie, dass sie am Ende fast so etwas wie eine mütterliche Freundin geworden sind.

Das wird demnächst nicht mehr möglich sein, sagt der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands e.V. (BfHD), der seinen Berufsstand durch den für Juli 2015 angekündigten Ausstieg der Nürnberger Versicherung aus dem Versicherungskonsortium für Hebammen, vor dem Aus sieht. »Die Folgen sind dramatisch, der Beruf ist akut von der Vernichtung bedroht«, ist schon seit Wochen auch auf der Homepage des Deutschen Hebammenverbandes e.V. zu lesen. Zwar könnten sich freie Hebammen bei der Allianz versichern, doch die Kosten für eine Haftpflichtversicherung sind hoch. Laut dem Deutschen Hebammenverband kann sich eine Hebamme nur noch für 5.091 Euro im Jahr absichern, was in Relation zu dem für Hebammen üblichen Stundenlohn von 8,50 Euro gesehen eine große Summe ist und die Arbeit für die Betroffenen nur noch wenig attraktiv macht. Auch die in den letzten Tagen gefundene Zwischenlösung einer bis 2016 bestehenden Gruppenhaftpflichtversicherung sorgt zumindest beim BfHD immer noch für großen Unmut. Da der Ärger der Hebammen nachzuvollziehen ist und niemand auf Hebammen verzichten will, schwappt also momentan eine große Protestwelle durch das Land, jede Stadt organisiert Hebammendemonstrationen, Petitionen werden unterschrieben, das Netz ist voll von offenen Briefen mit Kommentaren wie »Fassungslos« und »Große Schweinerei!«. Es fühlt sich an, als ob Hebammen demnächst verboten werden – grundlos und aus reiner Schikane.

Willkür ist jedoch nicht der Grund für die hohen Versicherungskosten, sondern die Tatsache, dass ausgerechnet dank moderner Medizin, Kinder mit Geburtsschäden immer länger leben. So sind dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft nach die Kosten für Schadensersatzforderungen nach Geburtsschäden in den Jahren zwischen 2003 bis 2012 um 80 Prozent gestiegen.

Wenn dem Kind Sauerstoffmangel droht und die Geburt schnell zu Ende gebracht werden sollte, muss die Hebamme handeln und im Falle einer Hausgeburt, den Weg in die Klinik einleiten. Schätzt sie die Situation falsch ein, kann ihr das zum Verhängnis werden. Ihr Beruf ist risikoreich, was am genannten Stundenlohn so nicht zu erkennen ist. Auch Ärzte – vom Geburtshelfer bis zum Herzspezialisten – zahlen hohen Summen in die Haftpflichtversicherung ein, nur verdienen sie eben auch mehr. Hier könnte die öffentliche Diskussion ansetzten, mit der grundsätzlichen Frage nach angemessener Vergütung für Hebammen und danach, wie im Schadensfall die Kosten zu verteilen sind. Aber auch mit der Frage nach Vereinbarkeit vom Wunsch nach absoluter Sicherheit bei gleichzeitigem Verzicht auf schulmedizinische Intervention: Das betrifft vor allem die Hausgeburten. Eine langfristige Lösung für die Hebammen ist noch nicht in Sicht, die Hebammenverbände – freie Hebammen gegen Klinikhebammen – führen erstmal untereinander einen ideologischen Kampf und alle anderen gehen derweil demonstrieren.


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