Wenn Schwarze zu Nazis werden: Seit drei Wochen spielen sich in und um Leipzig seltsame Szenen ab, die an NPD-Veranstaltungen erinnern. Ein Set-Besuch beim Cinemabstruso.
Ein Hinterhof in Knautkleeberg, am Rande Leipzigs. Vor dem Haus steht ein blauer Ford Fiesta, auf dem in Frakturschrift »Todesstrafe für Kinderschänder« prangt. Hinterm Haus haben sich sechs Gestalten um ein Lagerfeuer eingefunden, die Sicht zur Seite versperrt ein VW-Bus mit Jenaer Kennzeichen und einem großen Aufkleber: »Arbeit zuerst für Deutsche«. »Weg mit dem ausländischen Dreck!«, brüllt einer von ihnen, und die anderen entledigen sich aller Kleidungsstücke, die nicht in Deutschland gefertigt wurden. Ein spindeldürrer Geselle in Unterhose wirft gar sein Smartphone ins Feuer und murmelt: »Für Deutschland.« Es ist ein gespenstisches, beinahe absurdes Ritual, das sich hier 2014, mitten in einer Einfamilienhaussiedlung abspielt.
Und absurd soll es auch sein. »Danke«, ruft Karl-Friedrich König den Beteiligten zu, eine Assistentin bringt Decken und einer der vermeintlichen Nazis dreht sich erst mal aus dem Rauch. Karl-Friedrich König und sein Bruder Tilman, das kreative Herz von Cinemabstruso, drehen hier im Knautkleeberger Sport Club 1864 die letzten Szenen für ihre Film-Groteske »Der schwarze Nazi« ab. Der Film zeigt den Werdegang des Kongolesen Sikumoya, der sich aus einem Integrationskurs heraus zum Hardcore-Nazi entwickelt und so auch bald zusammen mit dem Neonazi Steve die rechtsradikale Nationale Partei Ost (NPO) übernimmt. Sikumoya wird von Aloysius Itoka gespielt, der in Deutschland vor allem im Fernsehen auftritt, etwa beim Tatort oder auch dem Film »Winterreise mit Joseph Bierbichler«. Es ist seine erste Hauptrolle und er erzählt bei einer Drehpause, wie freudig überrascht er ist, weil alles so gut funktioniert, obwohl es der erste große Film der beiden König-Brüder ist. »Die Rolle ist natürlich eine Herausforderung, weil es eine sehr extreme Figur ist«, sagt der 53-Jährige, findet es aber toll, so eine Figur einmal über 90 Minuten auszuspielen und zu gestalten.
Vor dem Haus haben sich derweil weitere dunkle Gestalten auf Bierbänken versammelt, einige tragen Rechtsrock-T-Shirts, doch alle wirken entspannt. Es sind Komparsen, die für das große Grillfest der NPO angetreten sind, um einmal zünftig das deutsch-stumpfe Tun der Nazis zu simulieren. Kartoffelsalat und Brötchen stehen bereit, doch die tiefstehende Sonne verhindert vorerst noch die Dreharbeiten. Außerdem ist nicht klar, ob noch ein Fußballtraining stattfindet oder nicht. Warten – das wird auch hier klar – macht beim Filmen die meiste Zeit aus. Denn selbst wenn es los geht, geht es oft noch nicht los, weil etwa der Tonmann Frank Schubert »Flugzeug« brüllt, nachdem die Klappe geschlagen ist. Das Flugzeug würde den Sound beeinträchtigen, der von zwei Technikern per Tonangel eingefangen wird.
Insgesamt ist Karl-Friedrich König aber sehr zufrieden mit den drei Wochen Dreharbeiten. Auch von Film-Verleihern gebe es erstes Interesse. Mit seinem Bruder hat er sich die Regie für die Szenen aufgeteilt, was schon beim Schreiben losging. Tilman macht zudem den ersten Kameramann. Dazu hat er die Kamera an ein kompliziert wirkendes Gestänge gehängt, das er sich umgeschnallt und so eine flexible Steadycam gebaut hat. »Es hat bis jetzt alles geklappt, allerdings war heute morgen unser Bus weg, weil er im Parkverbot stand«, erzählt Karl-Friedrich König. Mit echten Nazis habe man allerdings während der Dreharbeiten nichts zu tun gehabt, lediglich bei einer Massenszene auf dem Lindenauer Markt seien zwei verwirrte NPD-Anhänger hängen geblieben und hätten wohl nicht ganz verstanden, worum es ging. Kompliziert sei lediglich gewesen, Drehorte bei Sport- und Kleingartenvereinen zu finden. »Die meisten wollten sich wohl nicht auf so ein politisches Thema einlassen.« Und wo haben sie die Nazi-Darsteller gefunden? »Die meisten kommen aus der Antifa-Szene.«