Beim Sport erscheint manchmal manches ganz simpel. Beim lokalen Fußball sogar noch simpler – wie wir in den letzten Wochen augenwischend feststellen durften. Denn da passierte einiges. Nehmen wir den letzten Spieltag in der 2. Bundesliga und das Spiel RB Leipzig gegen den MSV Duisburg. Der Fanblock gestaltete mal wieder eine großflächige Choreografie, deren Sinn allerdings irgendwie nicht vorhanden schien.
Offensichtlich wurde versucht, an die Osttribüne des ehemaligen Zentralstadions zu erinnern. Für Menschen, die mit dem Begriff nichts anfangen können: Die Osttribüne unterstützte die Massenübungen auf dem Rasen der alle vier Jahre stattfindenden Turn- und Sportfeste der DDR visuell mit viereckigen Farbflächen, die Menschen in den Händen hielten zur Formung eindeutiger Embleme und Parolen.
Um auf die zeitgenössische Choreografie zurückzukommen – hier wurden also Farbflächen genutzt, um horizontal Rot und Weiß, die nicht nur als Referenz auf die Vereinsfarben, sondern auch für das Herkunftsland des geldgebenden Unternehmens stehen, in ein grünes Band zu kleiden. Dies sollte wahrscheinlich gemäß dem Nikolaustag etwas weihnachtliche Stimmung verbreiten.
Zusätzlich erschienen schwarze Farbflächen, die laut Umfrage unter Kollegen und RB-Fanmedienvertretern niemand eindeutig entziffert konnte – was nun wiederum den eigentlichen Sinn und Zweck einer Choreo im Fußballstadion darstellt, denn für diskursanalytische Ansagen fehlt hier kurz vor Spielanpfiff eindeutig die Zeit. Wohlwollend und mit wiederum viel Zeit, um auf den Monitor stieren zu können, ergibt das schwarze Arrangement das lateinische Wort für Leipzig »Lipsia«, dessen Buchstabenfolge von einem Weihnachtsbaum in der Wortmitte getrennt wurde. Und da schnellen gleich weitere Fragen in den Kopf: Warum die lateinische Bezeichnung zu lesen ist, wenn – wie wir in diesem Jahr gebetsmühlenartig immer wieder vermeldet bekamen – doch der Bischof vor 1.000 Jahren Leipzig als »urbe libzi« erwähnte.
[caption id="attachment_41247" align="alignleft" width="269"] Foto: BSC[/caption]
Deutlicher erschien dagegen die Schriftzeile am Zaun »Auf geht’s Jungs der Heldenstadt – Für die Stadt, die Helden macht«. Die Verbindung des nicht unumstrittenen Wendejahr-Slogans mit der Mannschaft bemüßigt der Stadionsprecher im Rund immer wieder sehr gern. Im Hinblick auf das städtische Fußballgeschehen stellt dies eine eher unglückliche Kombination dar, aber es geht hier allseits bekannt um Marketing und da greift die Oberflächlichkeit der Stadt mit dem des Fußballklubs ganz gut.
Und weil wir heute das besonders Simple herauskehren wollen: Klar positioniert sich ein Sponsor im Bruno-Plache-Stadion mit der Bannerwerbung »Bier statt Brause« – wie derzeit bei der Abstimmung zum »Tor des Monats« auf der ARD überregional zu sehen ist.
Aber es gibt fast noch schlimmere Sachen, wenn Cheftrainer beispielsweise die Welt erklären wollen. Das kann im 21. Jahrhundert gern etwas komplexer ausfallen. Aber daran hielt sich RB-Cheftrainer Ralf Rangnick auf der Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel gegen den Karlsruher SC in seinen Ausführungen zum Unterschied zwischen Männern und Frauen leider überhaupt nicht. Denn ihm zufolge spielen Frauen einfach nur so, Männer sind auf Siege und Gewinn aus. Da fragt sich wahrscheinlich nicht nur der Trainerstab der RB-Mädchenmannschaften, was er eigentlich macht ...
Zuvor passierte am 13. Spieltag der Regionalliga Nordost, an dem RB II gegen den FC Carl Zeiss Jena in Markranstädt antrat, Folgendes: Junge Mädchen, die zuvor als Einlaufkinder die Mannschaften zum Spielbeginn auf den Rasen begleiteten, forderten in der 2. Halbzeit endlich Tore ein und unterstützten lautstark die Heimmannschaft – im Gegensatz zur Mehrzahl des Publikums auf RB-Seite. Das blieb nicht folgenlos, denn zugleich wurden drei weibliche Securities für die Gruppe abgestellt. So bewacht und hinter die Absperrung gestellt, bekamen die Mädels nicht nur einen realistischen Einblick in den Ligaalltag, sondern wurden immer leiser.
Der nicht gerade für seine progressive Denkweise bekannte Turnvater Jahn wusste bereits um die subversive Anwesenheit des weiblichen Geschlechts auf Turnplätzen. In seinem Klassiker »Die deutsche Turnkunst« aus dem Jahr 1816 steht geschrieben: »Zärtliche Mütter und andere Verwandtinnen sind auf dem Turnplatze nur im Wege. Das gibt dann Gelegenheit zu Hätschelei, Loberei, Rühmerei und Markelei, impft dadurch jugendliche Gemüter mit Eitelkeit, die sie von Grund aus verdirbt.«
Fragt sich nur, wer heute wen und wie verdirbt. Wir schauen weiter.