RB Leipzig, gegründet am 19. Mai 2009, feiert seit Sonntag seinen Aufstieg in die 1. Bundesliga. Zwei Stadien, zwei Logos, sechs Trainer, die Einführung von nicht stimmberechtigten Fördermitgliedern waren dazu ebenso erforderlich wie unzählige Euro, um eine aufstiegsfähige Mannschaft zu präsentieren.
Aber der jetzige Aufstieg bildet eigentlich nur den Beginn. Denn für Geldgeber Dietrich Mateschitz sieht das Ende der Fahnenstange etwas anders aus. Er blickt auf die Champions League, um sich mit seinesgleichen messen zu können. Gewünscht ist dieser Auftritt zehn Jahre nach der Gründung und damit haben die Leipziger noch drei Jahre Zeit. Bis dahin gilt es, andere Geldgeber aufzutun, denn im internationalen Wettbewerb darf eine Person nur finanziellen Einfluss auf einen teilnehmenden Verein ausüben. Meint mit anderen Worten: Herr Mateschitz müsste sich zwischen Leipzig und Salzburg entscheiden. Ansonsten ist nach derzeitigem UEFA-Gesetz kein Spiel möglich.
Bisher versagte Red Bull Salzburg dem Eigentümer einen schillernden Auftritt auf europäischem Parkett. Dafür scheiterte die österreichische Mannschaft am luxemburgischen Meister F 91 Düdelingen bereits in der Qualifikation vor vier Jahren. Nach dieser Schmach wurde Ralf Rangnick als sportlicher Direktor für Salzburg und Leipzig installiert. Und dessen Saat ging nun auf, auch wenn er erst selbst als Cheftrainer an der Seitenlinie antreten musste. Aber so entwarf sich das Jungunternehmen gleich noch einmal neu.
Der Trainer: Bereits vor einem Jahr gestaltete sich die Präsentation eines Übungsleiters, der das von RB präferierte Spiel verkörpert, als ausgesprochen schwierig. Lange hielt sich der Name Thomas Tuchel im Gespräch. Nachdem dieser allerdings den Posten beim BVB angetreten hatte, begann er seine erste Pressekonferenz mit den Worten, dass für ihn nur ein Traditionsverein an erster Stelle stand. Das salbte die Herzen der Borussen. Um die gewünschten jungen Spieler dennoch nach Leipzig holen zu können, wechselte Rangnick in die Doppelfunktion als Sportdirektor und Cheftrainer und zeigte sich seitdem nicht mehr mit dem sonst obligatorischen weißen Hemd und schwarzen Anzug. Das ändert sich nun wahrscheinlich wieder, wenn der vom FC Ingolstadt 04 kommende Österreicher Ralph Hasenhüttl den Trainerplatz an der Seitenlinie einnimmt.
Die Mannschaft: Am Sonntag feierten mit Péter Gúlacsi, Marcel Sabitzer, Nils Quaschner, Stefan Ilsanker und Massimo Bruno allesamt Spieler, die im vergangenen Sommer noch den Pokal und die Meisterschaft für Red Bull Salzburg gewannen. Im Gegenzug verließen mit Omer Damari und Yordy Reyna Spieler die Messestadt gen Salzburg, die in der hiesigen Mannschaft keinen dauerhaften Einsatz fanden. Diese Form der Zusammenarbeit stieß im Nachbarland nicht gerade auf Wohlwollen. Mit dem dritten Torhüter Benjamin Bellot findet sich wenigstens einer, der seit dem Sommer 2009 bei RB beschäftigt ist. Ihm folgen der Torhüter Fabian Coltorti und Kapitän Dominik Kaiser, die seit 2012 in Leipzig spielen.
Perspektivisch wird der Kader für die 1. Liga erneut aufgestockt, denn der Sportdirektor möchte mit dem neuen Cheftrainer Spieler im Alter von 18 bis 25 Jahren zur Mannschaft holen. Gemäß dem Motto: »Diese Spieler sind athletischer, regenerieren schneller und haben einen Marktwert, der noch steigerbar ist. Wir wollen Werte schaffen, auch Marktwerte entwickeln und dazu natürlich auch sportlichen Erfolg haben.« Wem diese Rangnick’schen Worte bekannt vorkommen, hat den Film »Hoffenheim – Das Leben ist kein Heimspiel« gesehen und kann sich seinen eigenen Reim darauf machen.
Die Fans: Zum Beginn der Saison schloss das im Sommer 2013 eröffnete Vereinsheim in der Geschäftsstelle am Neumarkt, das den Fans bzw. den Mitgliedern der offiziellen Fanclubs Raum geben sollte. Zu klein war der RB-Shop im Erdgeschoss, so dass eine Raumerweiterung unumgänglich war. Geplant ist nun ein Raum im Stadionumfeld am Werner-Seelenbinder-Turm. Ansonsten war das Stadion zwei Mal in dieser Saison rappelvoll und führte ausgerechnet bei der Niederlage gegen St. Pauli zur Notiz »AUSERKAUFT«, bei dem das mittige »V« einfach auf der nagelneuen Videoleinwand fehlte. Nicht nur diese Demütigung mussten die Fans hier erleiden. Wie bereits in der vergangenen Saison schlossen sich nach dem Sieg von Sandhausen die zwanzig Fans im Gästeblock zu einer Polonaise durch die leeren Stuhlreihen zusammen. Etwas direkter formulierten die angereisten Bielefelder ihre Kritik, indem sie sich zu Beginn der zweiten Halbzeit so aufstellten, dass »ANTI RB« zu lesen war und prompt der Ausgleichstreffer für Arminia fiel.
Die Fans marschierten anlässlich des letzten Heimspiels von der Stadt zum Spielplatz. Dabei wurde keine nennenswerte Zahlensteigerungen zum Marsch vor zwei Jahren – als es aus der Dritten in die Zweite Liga ging – festgehalten. Neben Pyrotechnik durften dabei allerdings auch keine Getränkedosen mit sich geführt werden.
Die Mythen:
»RB wirbt für Leipzig«
Schaut man auf die Gegner in der ablaufenden Saison, so gab es mit St. Pauli einen Verein, der aus Protest nicht nur auf das RB-Logo auf seiner Vereinshomepage verzichtete, sondern anstelle dessen lediglich Leipzig aufführte. Was folgt daraus? Ganz einfach: Niemand muss mehr groß nachdenken – RB ist Leipzig. Das Marketing hat sich selbst im Feindesland ausgezahlt. Allein die plakative, farbliche Ausrichtung der Mannschaft im Unternehmenslook weist keinerlei Nähe mit den Leipziger Stadtfarben nach, so dass die visuelle Wirkung in erster Linie auf ein Produkt hinweist und weder auf historische noch kulturelle Zusammenhänge lokaler Natur. Das ist konsequent im Denken und Handeln, denn Markranstädt war ja bekanntlich nicht der erste und einzige Verein, bei dem Red Bull Unterschlupf finden wollte.
»Die Ostdeutschen kommen«
Schaut man sich den Kader seit der Gründung 2009 an, so wird deutlich, dass diejenigen Spieler, die aus Ostdeutschland stammen, immer weniger werden. Aktuell stehen mit Benjamin Bellot (geboren 1990 in Leipzig, in dieser Saison lediglich in der zweiten Mannschaft bei Regionalligaspielen auflaufend) und Nils Quaschner (geboren 1994 in Stralsund, nicht in der Stammelf vertreten) zwei in Ostdeutschland geborene Spieler im Kader.
Allerdings lässt sich RB nicht lumpen und lädt zur Aufstiegsfeier am Pfingstmontag ostdeutsche Musiklegenden ein. Von City bis zu den Puhdys liest sich die Auflistung wie eine Hommage an das Publikum des Fernsehsenders, der die Veranstaltung drei Stunden live überträgt. Deutlicher kann sich dieses Programm allerdings nicht vom Image und den sonst transportierten Bildern der Fußballmannschaft abheben.
Dieses temporäre Zugeständnis an die lokale Verortung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein hörbarer schwäbischer Einschlag mit dem Einstieg von Ralf Rangnick auszumachen ist. Seit dieser Saison agiert zudem ein Pressesprecher, der vormals bei Ferbermarketing arbeitete. Das ist jenes Unternehmen aus Großaspach, das des Gründers – Ulli Ferber – Ehefrau Andrea Berg, Ralf Rangnick und den Torhüter von Bayer 04 Leverkusen Bernd Leno vermarktet.
»Fußballgeschichte schreiben«
Die RB-Macher wurden nicht müde, das letzte Spiel und den Aufstieg als das Schreiben von Fußballgeschichte zu deklarieren. Die Aussage würde stimmen, wenn die Mannschaft bei den Voraussetzungen nicht aufgestiegen wäre. So hätte sie Otto Rehagels Spruch »Geld schießt keine Tore« eindrucksvoll untermauert. Wer in einer Saison 20 Millionen Euro in neue Spieler investiert und damit so viel Geld in die Hand nimmt, wie alle anderen Zweitligisten zusammen, der muss aufsteigen. Fußballgeschichte schrieb dagegen SV Darmstadt 98, der in der Dritten und Zweiten Liga an RB vorbeisauste und dessen Gesamtmarktwert heute noch zweistellig hinter dem von RB zurückliegt.
Ein sehr hohes Potenzial, um in die Fußballgeschichte einzugehen, hat dagegen das Foto, welches Rangnick vor der Aufstiegs-Bierdusche flüchtend zeigt. Dabei sollte nicht der Sturz an sich im Zentrum des Interesses stehen, sondern eher die am Boden liegende Red Bull-Flasche.
»Magische Momente«
»Vereine sollen Fußball spielen und nicht Politik machen« – diese knackige Parole verkündete unlängst der neue Präsident des Sächsischen Fußballverbandes (SFV) Hermann Winkler. Wer heuer durch die Leipziger Innenstadt wandelt, der kommt nicht umhin sich über die in Rot gehüllten Fassaden des Neuen Rathauses, des Hauptbahnhofes, des Uniriesen und des Wintergartenhochhauses zu wundern. Und selbst vom Turm des Alten Rathauses hallt »Wir sind eins«. Möglicherweise erinnert manchen diese Form des Bekenntnisses zum Kollektiv in tiefes Rotlicht getränkt an ganz andere Zeiten, denen nicht alle Magie, aber ein hohes Maß an Propaganda nachsagen können.
Wer naiv genug ist, um Sport und Politik voneinander trennen zu wollen, dem können die jetzigen Feiertage als »magische Momente« aufblitzen. Andere bemerken wieder einmal kopfschüttelnd, dass die Anfälligkeit der Stadt gegenüber Geld und Ansehen immer wieder neue Blüten hervorzaubert und so gar nicht in ihr eigenes Bild von der stolzen Bürgerstadt passt. Ganz anders gibt sich Ralf Rangnick: »Wir bleiben aber realistisch und bescheiden.«
Und wir empfehlen, die anderen Vereine in der Stadt nicht zu vergessen.