Nun wird der Ball schon wieder seit einigen Wochen übers Grün geschossen. Ein Überblick, wie bei den Leipziger Vereinen die Saison begonnen hat. Bei den einen wurde das Einhorn durch den Löwen ersetzt, bei den anderen das Wohnzimmer durch das Stadion.
Für die neu gegründete RB-Frauenfußballmannschaft in der Landesliga begann die Saison nach einer Krisensitzung zwischen dem Sächsischen Fußball-Verband und den anderen Ligamannschaften Anfang September noch einmal ganz von vorn. Um die vor Ligastart erklärte Förderung der Nachwuchsspielerinnen auch einzuhalten, verpflichtete sich die Mannschaft nun, sieben Spielerinnen der Jahrgänge 1999 und jünger in die Startelf zu integrieren. Aus dem anfänglichen Tabellenführer wurde eine Mannschaft mit bisher nur einem Spiel auf dem vorletzten Ligaplatz.
Das nächste offizielle Spiel findet am 16. Oktober beim derzeitigen Tabellenführer – dem 1. FFC Wacker – statt. Gespielt wird im Mariannenpark auf dem Platz mit orangefarbener Begrenzung und dem noch sichtbaren ersten Wappentier des FC International Leipzig – dem Einhorn. Das wurde nach einem Jahr Vereinsgeschichte 2015 durch einen ordentlich grimmig aussehenden Löwenkopf ersetzt, der dem steinernen Abbild über dem Zooeingang sehr ähnlich sieht. Wer Zeit hat, kann über die Domestizierung von Urkraft und modernen Fußball nachdenken.
Inter trägt seine Heimspiele seit Mitte der ersten Vereinssaison in Machern aus. In der Oberliga, in der Inter seit der vergangenen Saison spielt, trifft das Team auf die zweite Leipziger Oberligamannschaft – BSG Chemie Leipzig. Der Aufsteiger meisterte bisher die Saison erfolgreich. Mit vier Siegen und einer Niederlage steht Chemie im oberen Tabellendrittel, während sich Inter nach zwei Siegen, zwei Unentschieden sowie einer Niederlage im Mittelfeld einrichtete. Die ursprüngliche Begegnung beider Mannschaften am 11. September wurde aus Sicherheitsbedenken abgesagt und nun auf den Reformationstag verschoben. Chemie muss dafür allerdings nicht den Weg nach Machern antreten, sondern lediglich nach Markranstädt in das Stadion am Bad fahren. Hier ist die BSG schon längst angekommen, denn am Funktionsgebäude hinter dem Heimfanblock prangt groß und deutlich und in Grün und Weiß »BSG Chemie Leipzig«.
Den Schriftzug sehen auch alle, die zu den Heimspielen der Regionalligamannschaft von RB ins Markranstädter Stadion kommen. Denn der Heimfanblock ist dort sowieso immer verwaist. Das Spiel am letzten Sonntag gegen FC Schönberg 95 sahen 184 Zuschauer, obwohl die erste Mannschaft nicht spielte und sich RB II an der Tabellenspitze hinter dem bisher unbesiegten FC Carl Zeiss Jena festgesetzt hat. Dafür sangen die wenigen Fans, dass die Amateurmannschaft die Zukunft darstelle. Das mag in den Ohren einiger Spieler etwas komisch klingen, denn nicht wenige sind vor einiger Zeit als junge Talente mit dem Ziel erste Mannschaft nach Leipzig gekommen.
Am Samstag gewann die Mannschaft 4:1 und der Trainer Robert Klauß war trotzdem nicht zufrieden, weil dem Gegner zu viele Torchancen geboten wurden. Die verwandelte Schönberg allerdings nicht. Das einzige Gegentor fiel in dem Moment als der Rettungshubschrauber gen Himmel aufstieg, an Bord den zuvor schwer verletzten RB-Außenverteidiger Ken Gipson, der im vergangenen Jahr als hoffnungsvolles Talent aus Stuttgart zu RB Leipzig wechselte. Am nächsten Sonntag fährt RB II nach Berlin zum FC Viktoria 1889 Berlin.
Die Berliner waren am Freitagabend in Probstheida zu Gast. Beim Flutlichtspiel gegen Lok Leipzig sahen fast 3.000 Menschen zu. Neu war, dass die Kinder sich nicht mehr auf den Zaun am Spielfeldrand stellen durften. Nach dem letzten Heimspiel gegen RB II und den Böllerwürfen wurden neue Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt. Offensichtlich sahen einige junge Männer der »Fanszene Lok Leipzig« etwas Handlungsbedarf und entrollten ein Banner, auf dem zu lesen war: »Dialoge statt Verbote!« In der zweiten Halbzeit zeigten sie es gen Tribüne, so dass der Lok-Präsident Jens Kesseler diese Botschaft Schwarz auf Weiß lesen konnte. Vor derartigen Forderungen möge sich allerdings um die Gefahr von auf Menschen gerichtete Böller mal ein Kopf gemacht werden.
Lok erkämpfte sich mit lautstarken Fans im Rücken in der zweiten Halbzeit ein Unentschieden (2:2) und ließ dabei noch einige 100-prozentge Torchancen aus. Insgesamt jedoch wirkte Lok-Trainer Heiko Scholz nach dem Spiel zufrieden und hielt fest: »Es war kein Spitzenspiel, aber ein spitzen Spiel.« Lok fährt als Tabellensechster am Sonntag ebenfalls nach Berlin, um dort gegen den BFC Dynamo anzutreten.
Ein anderes Spitzenspiel fand bereits am Mittwochabend in der 1. Bundesliga statt und auch dort wurden Protestbanner ausgerollt. Während die Fans von Borussia Mönchengladbach sich neben ihrer übergroßen Aussage »Traditionsverein seit 1900« auf einem kleineren mit Chemie solidarisierten (»Leipzig braucht kein Energy, hier gibt es schon Chemie«), wurde im RB-Fanblock kurz vor dem Anpfiff ein verhältnismäßig kleines Banner angebracht. Hell auf Herzensrot stand da geschrieben »60plus« vor dem Hintergrund der Stadionsilhouette und des Werner-Seelenbinder-Turms. Was wie eine generationsübergreifende Faninitiative wirken mag, bildet eine Protestwelle innerhalb des RB-Publikums gegen einen Stadionneubau irgendwo am Rande der Stadt oder gar darüber hinaus. 60 beschreibt das Alter des vor sechzig Jahren eröffneten Zentralstadions, in dem seit sechs Jahren die RB-Heimspiele stattfinden. Nach Meinung einiger Fans soll sich daran in den nächsten sechzig Jahren auch nichts ändern. Im Flugblatt der Initiative wird das Stadion als »der Anker des Vereins im Herzen unserer Stadt« und als »Wohnzimmer« beschrieben.
Bereits beim ersten Heimspiel gegen Dortmund griff der RB-Block bei der Choreografie auf ein seinerseits bewährtes Stilmittel der Geschichtsaneignung zurück. Wie bereits beim Pokalspiel gegen Erzgebirge Aue 2014/15 wurde vor dem Anpfiff ein überdimensionales Banner mit der Überschrift »Zentralstadion« entrollt. Dieses Mal war das Motiv in zwei Hälften geteilt. Auf der rechten Seite zeigte sich in Schwarz und Weiß das Zentralstadion mit der charakteristischen Flutlichtanlage aus den frühen achtziger Jahren. Darunter schmiegte sich das Emblem der Stadt und nicht etwa das des Leipziger Fußballvereins, der sich hier in den achtziger Jahren im europäischen Wettbewerb duellierte: Lok Leipzig. Dem gegenüber und in Farbe gehalten, umgeben von einem satten Grün war das umgebaute Stadion ohne die heutigen Werbebanner auf dem Dach zu sehen. Das rot-weiße Emblem Rasenballsport verzichtet ebenfalls auf Zeichenelemente des geldgebenden Unternehmens.
Allerdings kritisieren andere RB-Fans wiederum die Forderung nach dem Verbleib im innerstädtischen Stadion. Denn woher soll das Geld kommen, um sich aus der österreichischen Finanzeignerklammer befreien zu können? Ein größeres Stadion sichert auf jeden Fall mehr Eintrittsgelder.
Solche Sorgen hat die BSG Chemie Leipzig nicht und muss andere Mittel und Wege finden, um den sanierungsbedürftigen Alfred-Kunze-Sportpark aufzumöbeln. Die Ultras der Chemiker und von Eintracht Frankfurt organisierten ein Benefizspiel des Oberligisten gegen die Bundesligamannschaft Anfang September und so bot sich eine gute Gelegenheit, um 50.000 Euro einzuspielen.
Lok versucht ebenfalls das historische Bruno-Plache-Stadion ins neue Jahrtausend zu führen. Neben den perspektivischen Plänen für einen Stadionumbau einhergehend mit der sportlichen Entwicklung in Richtung Dritte Liga unterstützten die Fans in den vergangenen Wochen die Einrichtung eines Familienblocks mit über 77.000 Euro, die innerhalb von 40 Tagen in einer Sammelaktion zusammenkamen.
Wenn also in der aktuellen Saison immer wieder betont wird, dass RB kein normaler Aufsteiger (O-Ton Geschäftsführer Oliver Mintzlaff: RB entwickle sich zu »einem großen, vorbildlichen Zugpferd mit einer neuen Fußballkultur«), möge sich hier die Perspektive etwas erweitern, denn sowohl der Oberliga- als auch der Regionalliga-Aufsteiger – Chemie und Lok – sind alles andere als 0815-Vereine. Aber die Saison ist auch noch jung und wir schauen weiter, was sich auf den Plätzen und um sie herum so tut.