Ohne Salzburg kein RB Leipzig. Der österreichische Verein scheint sich zur Talentschmiede für RB zu entwickeln und kann so kaum Zuschauer locken. Im Interview gibt sich der Cheftrainer von Red Bull Salzburg, Óscar García, dennoch optimistisch.
Die Situation
Als am Samstagnachmittag RB gegen die TSG 1899 Hoffenheim zum Rückrundenauftakt antrat, konnten von der 18-köpfigen Mannschaft sieben Spieler auf eine mehr oder weniger längere Red Bull Salzburg-Vergangenheit zurückschauen: angefangen beim Torhüter Péter Gulásci über Bernardo Fernandes da Silva, Naby Deco Keita, Stefan Ilsanker und den auf der Reservebank ausharrenden Dayot Upamecano und Benno Schmitz. Der Schütze zum 2:1-Heimsieg Marcel Sabitzer besitzt sogar eine ganz besondere Beziehung zur Mozartstadt. Da sein Vertrag mit seinem vormaligen Verein Rapid Wien nur einen Wechsel ins Ausland als Klausel festhielt, ging es am 1. Juli 2014 kurz mal ins deutsche Ausland nach Leipzig, um am 2. Juli von Leipzig nach Salzburg ausgeliehen zu werden. Ein Jahr später und mit dem Amtsantritt von Ralf Rangnick als Cheftrainer war die Leihe beendet. Anderen, die früher von Salzburg nach Leipzig kamen und irgendwie nicht mehr ins System passten – wie Georg Teigl oder Stefan Hierländer –, wurden die Verträge nicht verlängert und wiederum andere – wie Massimo Bruno oder Nils Quaschner – erst einmal wieder verliehen.
Reaktionen
Kritische Töne gegenüber der Leipziger Transferpolitik lieferte der seit dieser Saison für den FC Augsburg auflaufende, ehemalige Salzburg-Spieler Martin Hinteregger. Laut erklärte er seine Befürchtungen, dass sich Salzburg zum Ausbildungsverein von Leipzig entwickelt. Als Augsburg Ende September im Leipziger Stadion antrat, bescherte ihm das Pfiffe bei jedem Ballkontakt seitens des Heimpublikums. Andere Spieler mit einer langen Salzburg-Biografie – wie Stefan Ilsanker – beantworten Fragen zur derzeitigen Situation und Entwicklung ihres ehemaligen Vereins gar nicht erst.
Der Sportredakteur der österreichischen Tageszeitung Der Standard – Philip Bauer – sagte gegenüber dem kreuzer, dass allein durch die Transferaktivitäten die Entwicklung zum Ausbildungsverein »offensichtlich« sei. »Für Salzburg wird es dabei immer schwieriger, eine Bindung zu den Fans aufzubauen, da Spieler schneller abwandern, als man sich Trikots kaufen kann. Die negative Entwicklung der Zuseherzahlen in Salzburg ist eine Konsequenz der Vereinsphilosophie. Trotzdem reicht die Qualität der Mannschaft aus, um in Österreich um den Meistertitel mitzuspielen. Über kurz oder lang werden Rapid und Austria mit ihrer neu geschaffenen Infrastruktur ein gewichtiges Wörtchen mitreden.«
Für RB-Eigner Dietrich Mateschitz stellt Salzburg den Ort dar, der Rohdiamanten schleift. Sie werden verkauft und durch die Gewinne kann er das Vereinsbudget reduzieren. Eine einfache Rechnung. Dass dieser Wandel in den letzten Jahren nicht nur auf der Salzburger Spielerbank Spuren hinterließ, zeigt die schnelle Fluktuation der Trainer. Nachdem sich Roger Schmidt, der von 2012 bis 2014 im Verein war, gen Bayer Leverkusen verabschiedet hatte, übernahm Adi Hütter für eine Saison. Der geplante Ausbildungsstatus der Elf führte zum Ende seiner Trainerzeit. Auf ihn folgten konsequenterweise Peter Zeidler und Thomas Letsch, die zuvor im 2012 von Red Bull übernommenen FC Liefering, dem offiziellen Farmteam von Salzburg, tätig waren. Seit dem 28. Dezember 2015 ist Óscar García Cheftrainer Ref Bull Salzburg.
Das Interview
kreuzer: Herr García, mit welchen Erwartungen sind Sie nach Salzburg gekommen?
Óscar García: Ich wusste damals schon einiges über den Klub, habe die Mannschaft spielen sehen, und mir war klar, dass sie sehr erfolgreich war und eine spezielle Art von Fußball spielt. Es gab also nicht so viel Neues. Ich habe den Weg von Red Bull Salzburg auch deshalb mitverfolgt, weil Jonatan Soriano (Anm.: aus der Zeit beim FC Barcelona) hier spielt und ich mir immer wieder angesehen habe, wie es ihm geht.
kreuzer: Was reizte Sie vor dem Antritt?
García: Es war zum einen die Art, wie man bei Red Bull Salzburg Fußball spielt. Zum anderen möchte ich mich als Trainer stets weiterentwickeln und verbessern und neue Dinge lernen. Das ist hier sehr gut möglich.
kreuzer: Was reizt Sie heute nach einem Jahr in der österreichischen Liga?
García: Wie gesagt, ich will als Trainer lernen, Erfahrungen sammeln und mich laufend verbessern. Das ist für mich nicht von der Größe der Liga oder des Landes abhängig.
kreuzer: Haben Sie zuvor die Entwicklung von Salzburg und RB Leipzig verfolgt?
García: Den Weg von Red Bull Salzburg habe ich verfolgt, den von Leipzig nicht.
kreuzer: Schauen Sie heute auf die deutsche Bundesliga?
García: Natürlich! Die deutsche Bundesliga ist eine der besten Ligen der Welt, ich habe schon immer beobachtet, was da passiert.
kreuzer: Herr Mateschitz beschrieb in den Salzburger Nachrichten Ihre Mannschaft als Ort, an dem Rohdiamanten geschliffen werden. Als welchen Trainertyp würden Sie sich selbst beschreiben?
García: Das passt sehr gut, weil ich denselben Zugang dazu habe. Denn so wie ich mich als Trainer ständig verbessern will, gilt das auch für unsere Spieler. Dafür müssen sie in jedem Training und bei den Matches ihr Bestes geben und hart arbeiten. Wenn ich dann am Ende einer Saison die Entwicklung der Spieler analysiere, ist das ein wichtiger Aspekt. Und dass uns das bisher sehr gut gelungen ist, zeigt der Umstand, dass wir erfolgreich gespielt und zusätzlich von Österreich aus Spieler um viele Millionen in die besten Ligen der Welt verkaufen konnten. Darauf können wir stolz sein.
kreuzer: In das Salzburger Stadion passen fast 31.000 Zuschauer. Bei Ligaspielen sehen derzeit um die 4.000 Ihrer Mannschaft zu. Sehen Sie das als Motivation, um mit einem attraktiven Spiel und Heimsiegen mehr Zuschauer für Ihre Mannschaft gewinnen zu können?
García: Wir spielen bereits erfolgreich und attraktiv. So haben wir zum Beispiel in der letzten Saison zum dritten Mal in Serie das Double (Meister und Pokal, Red.) geholt und heuer in der Europa League-Gruppenphase Nizza oder Schalke geschlagen (Anm.: vor 23.000 Zuschauern). Daran liegt es also nicht wirklich. Aber natürlich hätten wir gern viele Zuschauer im Stadion und tun alles dafür.
kreuzer: Welche Ziele möchten Sie mit der Mannschaft bis zu Ihrem derzeitigen Vertragsende 2018 erreichen?
García: Mein Ziel ist, dass sich meine Spieler und auch ich weiterentwickeln und jeden Tag besser werden. Und es ist auch unser Anspruch, in Österreich um die Titel mitzuspielen.
kreuzer: Verwundert Sie der derzeitige Tabellenplatz von RB Leipzig als Aufsteiger in der Bundesliga und was trauen Sie der Mannschaft perspektivisch noch zu?
García: Die Art und Weise, wie RB Leipzig agiert, ist für mich keine Überraschung. Sie spielen schon sehr lange mit diesem Stil und auch viele Spieler sind schon lange dabei. Sie kennen einander und das System gut. Außerdem haben die Leipziger sehr gute Neuzugänge. Ich glaube, dass sie diesen Lauf heuer fortsetzen können.
Óscar García: Geboren 1973 in der Nähe von Barcelona, spielte von 1990 bis 1999 beim FC Barcelona, von 2010–12 trainierte er die dortige A-Jugend, danach arbeitete er u.a. als Trainer von Macabi Tel Aviv, FC Watford und seit dem 28.12.2015 als Cheftrainer von Red Bull Salzburg
Die Zahlen: Laut Transfermarkt unterscheiden sich RB Leipzig und Red Bull Salzburg schon rein zahlenmäßig sehr voneinander. Der Wert des 22 Spieler umfassenden Leipziger Kaders wird mit fast 79 Millionen Euro bei einem Durchschnittsalter von 24,2 Jahren und einem Transferminus von 59,50 Millionen angegeben. Im Gegensatz dazu verfügt die Salzburger Mannschaft bei einem Kader von 27 Spielern über einen Gesamtwert von knapp 47 Millionen Euro, ein Transferplus von 31,35 Millionen Euro sowie ein Durchschnittsalter von 24,3 Jahren.