Die einen reden von laktosefrei, glutenfrei, vegan, paleo. Die anderen packen beim Discounter Billigware und Fertigprodukte aufs Band, geben sich mit Fastfood zufrieden und glauben Verpackungen, die Hilfe beim Abspecken oder Nahrung fürs Gehirn verheißen. Warum isst eigentlich kaum einer mehr normal? In Leipzig gibt es viele Kleingärten sowie Gartenbetriebe, und rings um die Stadt ackern Bauern für natürliche Lebensmittel. Auch klassische Bäcker- und Fleischermeister achten auf Qualität. Das gern zitierte Argument der höheren Preise lässt sich mit dem Hinweis entkräften, doch weniger einzukaufen, dafür aber besser zu essen und nichts wegzuwerfen. Und mal im Ernst: Was gibt es Wichtigeres als gute Ernährung?
Passend zum Thema stellte Bundesernährungsminister Christian Schmidt Anfang Januar den »Essensreport 2017« vor, der auf einer Befragung von rund tausend Bürgern ab 14 Jahren nach ihren Ernährungs- und Einkaufsgewohnheiten basiert. Fazit nach dem Lesen: Die Deutschen lieben Fleisch, sehen in Superfood einen Medienhype, plädieren für mehr Tierwohl und beim Kochen soll es vor allem schnell gehen. Streetfood- und Bauernmärkte müssten eigentlich einen wahren Boom erleben. In Leipzig sind Initiativen wie Food Assembly oder Hofläden aber eher zarte Pflänzchen.
Für das Essen in Kitas und in der Schule fordern laut der Studie 90 Prozent der Befragten verbindliche Qualitätsstandards. Doch dass vor allem in Großstädten Eltern bereit wären, mehr Geld für Bio-Essen zu bezahlen, wie uns der Report weismachen will, stimmt in der Praxis nicht. Geschäftsführerin Jana Haase vom Cateringunternehmen Sonnenmahl berät Eltern und bietet Extraportionen an, auch für Allergiker: »Wer will, bekommt schweinefleischfreie, vegane oder vegetarische Kost. Manche testen uns, sagen aber dann doch, wir seien zu teuer.« Doch was ist teuer? »Viele ausschreibende Schulen und Kommunen wünschen sich zwar einen Bio-Anteil im Speisenplan, jedoch ist kaum jemand bereit, den deutlich höheren Preis dafür zu zahlen«, bestätigt Michaela Mehls vom Unternehmen Dussman. Speziell in Leipzig besteht nach ihrer Auskunft bei der Kinder- und Schulverpflegung bisher wenig bis kein Bedarf für Bio-Essen. Vom Cateringbetrieb Sodexo, der in der Region täglich rund 2.200 Menüs an Schulen liefert, ist zu erfahren, dass Bio davon meist nur einen Anteil von etwa 300 Portionen ausmacht.
Die Suche nach Alternativen treibt zum Teil seltsame Blüten. Superfood scheint die Lösung zu sein. Aber was ist das eigentlich? Unter dem Motto werden Schönheits-, Schlankheits- und Fitnessprodukte, Früchte und Samen verkauft. Claudia Lasarczik von der Verbraucherzentrale (VZ) Sachsen dämpft die Erwartungen: »Superfood ist nicht gleich Super-Essen. Es ist auch kein geschützter Begriff. Meist sind es pflanzliche Lebensmittel oder Teile von wenig bekannten oder exotischen Pflanzen, die frisch, getrocknet oder pulverisiert als Nahrungsergänzungsmittel angeboten oder Lebensmitteln als Zutat beigefügt werden«, erklärt die Ernährungsspezialistin. Als Beispiele nennt sie sogenanntes Green-Food wie Chlorella oder grünes Blattgemüse, Baobab, Chia, Quinoa und Amaranth. Auch Produkte mit Granatapfel, Curcuma oder Weizengras werden gern »super« beworben. Eine ungesunde Lebensweise können sie nicht ausgleichen. Alles nur Werbung? Ein Marktcheck der VZ Hessen zur Bestimmung von 25 Superfood-Smoothies brachte es 2016 an den Tag: Die Zutatenlisten zeigten oft nur verschwindend geringe Anteile am namensgebenden Produkt. Dafür lagen die Preise um bis zu 40 Prozent über denen normaler Smoothies. Während die Hersteller vom medialen Hype profitieren, haben die Konsumenten weder gesundheitliche Vorteile noch sonst einen zusätzlichen Nutzen von den gern als »Detox« oder »Kraftpaket« angepriesenen Produkten. Lasarcziks Tipp: »Man sollte besser heimische Alternativen prüfen, selbst herstellen oder frisches Obst und Gemüse verzehren.« Statt der teureren AÇai-Beere können es zum Beispiel Brom-, Heidelbeeren oder Holunder sein, Leinsamen und Nüsse statt Chia. Exotik birgt zudem Risiken, da manche Menschen überempfindlich auf exotische Lebensmittel reagieren, es Wechselwirkungen mit Medikamenten geben kann oder beispielsweise bei Chia die Tagesmenge von 15 Gramm der Samen nicht überschritten werden sollte. Zudem sind meist weder die Anbau- und Arbeitsbedingungen vor Ort noch die Pestizidbelastung nachvollziehbar. Nicht unerwähnt bleiben sollen die langen Transportwege, vor allem bei Flugware. Und wenn man bedenkt, dass 500 Gramm Gojibeeren etwa 10 bis 15 Euro, die gleiche Menge Macapulver gar zwischen 15 und 20 Euro kosten, kommt man preislich viel besser mit einer Obst- und Gemüsekiste von einem Bauern der Region weg, der für zwei bis drei Kilogramm frisch angebautes Obst und Gemüse kaum 15 Euro verlangt.
Lasarcziks Fazit: »Superfood schadet in der Regel nicht, ist aber meist überflüssig. Wunder sollte man nicht erwarten, vielleicht ein paar neue Geschmackserlebnisse.«