Kim Ngyuen von der Roten Hilfe Leipzig unterstützt linke politische Aktivisten bei Rechtsfragen. Im Interview erklärt sie das polizeiliche und gerichtliche Vorgehen im Kontext der Legida-Gegenproteste.
kreuzer: In Folge der Sitzblockade gegen Legida im Mai 2016 wurden die Identitäten von 163 Leuten festgestellt zurzeit viele Bußgeldbescheide in Höhe von 300 bis 400 Euro an Demonstranten verschickt. Die Summe scheint hoch, ist das ein übliches Vorgehen?
KIM NGYUEN: Es lässt sich schon sagen, dass das Vorgehen in diesem Fall außergewöhnlich ist und von einem hohen Verfolgungswillen der Behörden zeugt.
Zum einen sehen wir dies an der konkreten Höhe der einzelnen Bußgelder, die vergleichsweise viel für diesen Vorwurf sind, zum anderen aber auch an der Anzahl der verhängten Bußgelder. Noch gibt es keine absolute Zahl. Aber selbst dann, wenn nicht alle Menschen, die im Kessel identitätsfestgestellt beziehungsweise erkennungsdienstlich behandelt wurden, betroffen sein sollten, sondern bloß die, von denen wir wissen, ist das schon eine ganze Menge.
kreuzer: Wie schätzen Sie das rechtliche Vorgehen der Behörden gegen die Anti-Legida-Proteste der vergangenen zwei Jahre ein?
NGUYEN: Da lässt sich keine stringente Linie erkennen.
Es gibt Tage, an denen die Polizei nur Maßnahmen ergreift, die in die informationelle Selbstbestimmung eingreifen, wie Identitätsfeststellungen. An anderen Tagen hingegen gibt es haufenweise Repressionen, sowohl gegen aktionistische Gruppen als auch gegen den studentischen und zivilgesellschaftlichen Protest. Das verläuft so gewaltsam und willkürlich, dass es auch aus der Logik der Strafverfolgung keinen Sinn mehr ergibt.
kreuzer: Können Sie Statistiken zu Maßnahmen im Rahmen der Anti-Legida-Proteste nennen?
NGUYEN: Nein, das können wir nicht. In unsere Sprechstunde kommen auch nicht alle, die Repressionen im Kontext von Protest gegen Legida erhalten.
Es ist auch immer recht unabsehbar, was aus den Maßnahmen folgt, was Ordnungsbehörden, Staatsanwaltschaft und Gericht daraus machen. Nicht jedes Verfahren führt zur einer Strafe. Ob es einen Anstieg solcher behördlichen Maßnahmen gibt, ist schwer einzuschätzen und noch schwerer in Relation zum tatsächlichen Protestgeschehen zu setzen. Ziel von Repression ist ja aber immer auch Abschreckung.