Heute wollen wir uns um ein Thema kümmern, was nicht erst seit gestern vielen auf der Seele drückt und in den letzten Tagen zu einigen Auseinandersetzungen führte: Das Regionalligaspiel SV Babelsberg 03 gegen den FC Energie Cottbus am 28. April.
Damals geschahen einige unfriedliche Szenen im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion. Pyrotechnik kam zum Einsatz, im Cottbuser Block wurde nicht nur einmal der Hitlergruß gezeigt und Nazi-Parolen gerufen. Das Spiel wurde zwei Mal unterbrochen, da Cottbuser den Platz stürmten.
Das Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) verhing Mitte Juni für Energie Cottbus eine Strafe über 10.000 Euro und 7.000 Euro für Babelsberg sowie jeweils ein Geisterspiel in der Regionalligasaison. Das Urteil gegen Cottbus wurde noch revidiert und das Geisterspiel aufgehoben. In der Urteilsbegründung ist unter anderem nachzulesen: »Etwa ab der 15. Spielminute rief eine Person mit rotem Punkerhaarschnitt aus dem Babelsberger Fanblock in Richtung des Cottbuser Fanblockes: ›Nazischweine raus‹«. Es folgt eine nach Spielminuten getaktete Beschreibung des Einsatzes von Pyrotechnik auf beiden Seiten sowie Platzsturm aus dem Cottbuser Block. Unter »Inaugenscheinnahme der TV-Bilder über die Vorfälle« erging das Urteil.
Fünf Monate nach dem Spiel kochen nicht nur die Emotionen immer noch hoch, sondern werden offene Briefe mit offenen Briefen beantwortet. Dreh- und Angelpunkt bilden dabei die nichtformulierten neonazistischen Aktionen auf Cottbuser Seite.
Mit einer Stellungnahme meldete sich beispielsweise die BSG Chemie Leipzig am 20. September zu Wort. Darin kritisierte der Verein unter Betonung des »absolut professionellen, konstruktiven und partnerschaftlichen Verhältnisses« zum NOFV das Urteil gegen Babelsberg mit den Worten: »Wir begrüßen, wie sich der DFB seit geraumer Zeit – und zuletzt nochmals im Falle der rechtsradikalen Ausfälle einiger deutscher Fans beim Länderspiel in Prag – vehement gegen rechte Umtriebe und Diskriminierung im Stadion positioniert und dagegen vorgeht. Allerdings kann dieser Kampf nach unserem Empfinden nur dann langfristig von Erfolg gekrönt werden, wenn die von DFB vorgegebene Haltung auch in den Ebenen darunter eingenommen und umgesetzt werden.« Falls dies nicht geschieht, gebe es »Anlass zur Besorgnis.«
Einen Tag nach dieser Stellungnahme tagte das Präsidium des NOFV und sprach über das Urteil und die damit verbundenen Berichterstattungen. In einer Pressemitteilung stellt der NOFV fest, dass das Urteil gegen Babelsberg »ausschließlich wegen des massiven Entzündens von pyrotechnischen Gegenständen, Bengalischen Feuern und wegen des Abschießens einer Brandrakete« erfolgte und nicht aufgrund des antifaschistischen Rufes. Gleichzeitig wurde aber auch festgehalten, dass die »rassistischen Fehlhandlungen« weder in den Berichten des Spielleiters, der Schiedsrichter und der NOFV-Sicherheitsaufsicht auftauchten. Wieso das nicht geschah, wurde nicht ergründet.
Am Montag ging ein offener Brief aus Potsdam an die Frankfurter DFB-Zentrale mit der Bitte um Unterstützung, dass die Nazirufe nicht unbeachtet bleiben.
Darauf reagierte wiederum der DFB-Präsident Grindel in einem offenen Brief, in dem er feststellt: »Jede Form von Rassismus, Diskriminierung oder Antisemitismus darf keinen Platz in den Fußballstadien haben, auf und neben dem Rasen.« Dem Vorsitzenden des NOFV-Sportgerichts, Stephan Oberholz, bescheinigt er eine »hohe Sensibilität und Entschlossenheit« auf dem Gebiet der Diskriminierung. Laut Grindel strebt Oberholz nun wiederum ein Verfahren an, um die bisher vom Verband vernachlässigten »rassistischen Fehlhandlungen« von Cottbuser Seite aufzuklären, denn so mahnt der DFB-Oberste: »Jeder ist aufgerufen, jede Form von Rechtsextremismus und Antisemitismus anzuzeigen.«
Und um nun noch einen weiteren Bogen nach Leipzig zu spannen: Ende Mai schrieb der Rote Stern dem Sächsischen Fußball-Verband ebenfalls einen offenen Brief. Darin stellte er einige Forderungen auf, um »endlich Mindeststandards in der Auseinandersetzung mit Nazis, vor allem von Verbandsseite auszuarbeiten und durchzusetzen.«
Unter Punkt 4 wurde gefordert: »Verbindung von Sanktion und Prävention im Bezug auf Sportgerichtsverfahren aufgrund von diskriminierenden und neonazistischen Vorfällen in Stadien oder Vereinen – Bildungs- und Aufklärungsprogramme müsse verpflichtend werden, wenn eine Problemlage offensichtlich wird.«
Und der Punkt 5 sah vor: »Erarbeitung einer belastbaren Linie zur Bekämpfung von Neonazismus und Diskriminierung von Seiten des SFV – dies umfasst ein Verbot von Nazisymbolen im Stadion anhand der DFB-Broschüre »Gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung. Für Vielfalt und Respekt!« sowie den Ausschluss von einschlägig bekannten Neonazis durch den Landessportbund Sachsen und einen Erfahrungsaustausch zwischen den Landesverbänden der Republik.«
Auf kreuzer-Anfrage, welche Schritte der SFV seit Mai unternahm, um den Forderungen nachzukommen, gab es bisher noch keine Antwort.