Johannes Kirchberg hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach die Texte von Männern aus dem letzten Jahrhundert vorgenommen und auf Platte vertont: Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Wolfgang Borchert. Kirchberg, der Schauspieler und Sänger, der schon mit dem Etikett des Musikkabarettisten versehen worden ist, hat sich nun Johannes R. Becher gewidmet, dramatisch pointiert begleitet vom Canea Quartett Hamburg, unter der musikalischen Leitung von Jens-Uwe Günther.
Das klingt mal melancholisch, mal verspielt und trägt bisweilen eine Verschmitztheit in sich, wie man sie von Christian Morgenstern und seinen Galgenliedern kennt. Solch ein Chanson-Programm entsteht nicht um der Tanznummern willen, sondern wegen der Texte, die Alltagsglück und kleine wie größere Sehnsüchte kennen: »Drei Silben sag ich vor mich hin, Geliebte, Ende und Anbeginn« oder – »der Käuzchen weher Nachtgesang« – auf samtene Weise lyrisch daherkommen.
Düster kündigen dagegen die Streicher »Still, mein Herz« an, die Düsternis in einer Art Wellenbewegung durch das gesamte Lied tragend. Im »Testament des Dichters« spielen sie dagegen trotzig-bestimmt darüber hinweg, dass es hier um die Endlichkeit geht. Die Streicher sind leicht genug um den Gesang arrangiert, aber auch nicht zu luftig, nehmen dramatische Spitzen mit und lassen ein wenig emotionale Distanz, womit die Texte zur Geltung kommen, die ihrerseits nicht durch abenteuerliche Metaphorik und hölzerne Sprache auffallen und deshalb erst recht gehört zu werden verdienen. Das ist also nicht nur bewegte Verspieltheit, und es sind nicht nur »Sternenweiten« oder die nicht näher benannte Geliebte, die hier angesprochen werden. Becher, Präsident des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands und später DDR-Kulturminister, dürfte derjenige der von Kirchberg bereits vertonten Herren sein, der in westdeutschen Schulen so gut wie nie, in ostdeutschen Schulen nach der Wende ebenfalls nicht gelesen wurde. »Wer uns will bange machen«, fragt es rhetorisch und kämpferisch im »Schritt der Jahrhundertmitte«, und spätestens da erinnert sich die Hörerin diffus daran, dass Becher mit seiner Rolle und seinen Rollenzuweisungen in der jungen DDR nicht so komplett glücklich war, zwischen den Fronten stand und nicht jeder Text zu Lebzeiten so gedruckt wurde, wie er niedergelegt war. Oder? War es nicht so? Um einige der solcherart entstandenen Fragezeichen aufzulösen, hätte der Platte eine kleine Einordnung beigegeben werden können. Davon abgesehen können wir uns sicher darauf einigen: »Alle haben wir nur ein Verlangen: Einmal frei, einmal glücklich sein.«