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Semantisches Geklapper

Sebastian Weber bringt neue Bildkraft in den Stepptanz – und Schweiß für dreißig Handtücher

  Semantisches Geklapper | Sebastian Weber bringt neue Bildkraft in den Stepptanz – und Schweiß für dreißig Handtücher

Sebastian Weber hat sich mit dem kreuzer-Fotografen in sein Tanzstudio verzogen. Die Tür ist verschlossen. Von draußen ist nur das Klappern der Taps zu hören. Dipdadidadipdada. Dipdapdipdap. Dipdapdap. Minutenlang. Obwohl es früh am Morgen ist, entsteht sofort Tanzlaune, springt der Funke der Rhythmen über, den die Metallplatten unter Webers Schuhen seinen Bewegungen entsprechend produzieren. Normalerweise findet der Tanz natürlich auf der Bühne statt, sodass es nicht nur was zu hören, sondern auch was zu sehen gibt. An diesem visuellen Programm hat Weber seit dem letzten Jahr gearbeitet, und zwar gründlich.

Seit vielen Jahren bedient sich der Stepptänzer zeitgenössischer Formen des Tanzes, die er auf der Bühne unter anderem auch mit Film oder Schauspiel kombinierte. Anfang 2016 begann er eine Recherche, während der er noch einmal grundsätzliche Fragen an den Stepptanz stellte: Wie kann Bewegung klingen? Was ist eigentlich Stepptanz? Dabei fiel ihm auf, dass es zwar ein ausgefeiltes Vokabular für das »Geklapper« gibt, wie Weber es nennt, dass aber völlig unklar bleibt, was der Rest des Körpers währenddessen tut und wie sich dessen einzelne Teile zueinander verhalten. Das ist natürlich von Vorteil, weil ohne Korsett Freiheit möglich ist. Es ist seinem Ursprung im Jazz geschuldet, dass der Stepptanz dieselbe Philosophie vertritt, bei der es keine verbindliche Ästhetik gibt und jeder seinen Ausdruck findet. Allerdings kann es so passieren, dass die visuelle Gestaltung hinter der musikalischen stark zurückfällt. Gerade wenn Weber für ein Ensemble choreografierte, ging das in der Vergangenheit nicht gut auf, weil die Tänzer in ihren Bewegungen zu unterschiedlich aussahen. Fazit: »Wir haben kein Handwerkszeug, um visuell zu gestalten.« Diese Leerstelle wollte er füllen, ohne die Gruppe gleichzuschalten.

Zunächst hieß das Recherche: Bewegungen beobachten und analysieren, die Körperorganisation neu begreifen und Bezeichnungen für die Abläufe finden. Dabei blieb es nicht, denn schnell kamen zur Recherche dramaturgische Ideen hinzu, zum Beispiel der Gedanke, mit Stepptanz als klingendem Tanz zu arbeiten, der bestimmte Themen auf die Bühne bringt. Und zwar ohne Mittel von außerhalb des Tanzes. Wenn das gesprochene Wort für die Message herhalten muss, weil die Tänzer dem Tanz diese Leistung nicht zutrauen, dann heißt dies auch, dass die Tänzer nicht in der Lage sind, sich mit dem Tanz zu äußern. »Ein Armutszeugnis«, fasst Weber seinen Befund zusammen. Also diente die Recherche auch dazu, die Sprache seines Tanzes wiederzuentdecken.

Und so suchte Weber nach bedeutungsvollen Bewegungen – nicht Geklapper aus Gewohnheit also, sondern semantisches Geklapper. Das Ergebnis ist die neue Produktion »Caboom« und: »Jetzt ist das alles neu, ganz neu ausgerichtet.« Hilfreich war die transparente Entwicklung von »Caboom«, die einen ständigen Publikumstest ermöglichte. Auf diese Weise ließ sich abschätzen, ob diese neue Sprache des Tanzens ankommt und ob verständlich ist, was die fünf Tänzer antreibt und was sie vermitteln wollen.

Bei »Caboom« ist es das Chaos und der Umgang damit. Oder auch nicht: »Eigentlich geht es um Komplexität«, wie Weber präzisiert, denn das Stück ist nicht chaotisch, es ist komplex. Aber Chaos klingt besser. Warum brennt ihm gerade die Komplexität unter den Nägeln? »Wir lassen uns derzeit zu oft von komplexen Situationen Angst einjagen und treffen dann seltsame Entscheidungen.« Das hat natürlich politische Implikationen – siehe besorgte Wutbürger –, wobei es sicher zu einem gewissen Grad verständlich ist, wenn Komplexität verwirrt. Andererseits ist Komplexität auch gut, weil gerade das Ungeplante inspirieren kann und aus dem Unvorhergesehenen Schönes oder sogar Großes erwachsen kann. »Das Stück will Werbung für das Komplexe machen, es nicht reduzieren, sondern die Chance darin sehen«.

Weil die Vereinfachung nicht automatisch gut ist, probierten Weber und sein Ensemble viele Methoden und Bilder aus. Workshops und Residenzen standen im Zeichen der Hingabe an die Komplexität im Stepptanz, weil ihn das Thema umtreibt und er es in seiner Sprache auf die Bühne bringen will: »Ich bin nun mal Stepptänzer.« Und für ihn ist Stepptanz die direkte Verbindung von Musik und Rhythmus, eine zeitgenössische Tanzform, die nebenbei groovt.

Die Sebastian Weber Dance Company kommt aus ganz Europa zusammen, um in Leipzig zu grooven. Wie der Titel es nahelegt, knallt »Caboom« richtig. Gerüchten zufolge brauchen sie für eine Vorstellung ungefähr dreißig Handtücher. Dafür findet dort ausschließlich Tanz statt. Das hat Weber seit vielen Jahren nicht mehr gemacht.


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