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Matthias Kleindienst verlässt nach mehr als 40 Jahren die Kunsthochschule

  Ade | Matthias Kleindienst verlässt nach mehr als 40 Jahren die Kunsthochschule

Das Reich von Matthias Kleindienst befindet sich im obersten Geschoss der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB), direkt unter dem Dach mit Blick auf die Kuppel des Bundesverwaltungsgerichts. Wer an den Räumen des Malereigrundstudiums vorbeigeht, rechts abbiegt, die knarrende Treppe hinabsteigt, der steht vor der Tür zur Holzschnittwerkstatt

Genauer genommen endet seine Regentschaft am 1. April. Dann verlässt der amtierende HGB-Dienstälteste und Leiter der Holzschnittwerkstatt jenes Haus, das er vor mehr als 40 Jahren zum ersten Mal betrat.

1976 kam Kleindienst an die Leipziger Hochschule. Dafür brach der gebürtige Karl-Marx-Städter seine dort angefangene Buchhändlerausbildung ab. In der Holzschnittwerkstatt wurde gerade die neue Stelle eines technischen Mitarbeiters eingerichtet. In den Holzschnitt fuchste er sich ein, auch wenn der im Vergleich zu anderen Techniken einfach erscheint. Mit dem richtigen Gefühl kann man eine Menge machen, das steht für Kleindienst fest.

Karl-Georg Hirsch leitete die Werkstatt seit 1970, hatte von 1960 bis 1965 an der HGB studiert und einige Studierende für die Technik begeistern können. Zu der Zeit war die Werkstatt im Sommer zu warm und im Winter zu kalt. Die Atmosphäre an der Schule lässt sich mit der heutigen nicht mehr vergleichen, studierten vor 1989 doch nicht mehr als 150 Menschen hier. Die Feste waren legendär, im Keller befand sich ein Café, wo Bands auftraten. Das Gebäude lebte.

Wer heute den wuchtigen Bau in der Wächterstraße betritt, hört meist aus der Ferne Schritte und Stimmen sowie Klänge aus dem heutigen Café im Erdgeschoss. In den neunziger Jahren wurde das Haus lange saniert und präsentiert sich schmuck und aufgeräumt.

Die Werkstatt unter dem Dach blieb abgesehen von den äußerlichen Veränderungen unberührt. Hier kann wie vor Jahrzehnten jeder Studierende Holzschnitte an den vier Kniehebelpressen produzieren, wenn er im Grundstudium einen Einführungskurs besucht hat. Das Angebot wird unterschiedlich aufgenommen. Allerdings gab es vor einigen Jahren eine kleine Holzschnittwelle mit Jennifer König, Jens Schubert oder Sebastian Speckmann.

Letzterer ist Künstler der Galerie Kleindienst.

Neben seiner Arbeit in der Werkstatt brachte Matthias Kleindienst Editionen heraus. Als der Raum zu Hause immer weniger wurde, entschied er sich für einen Galerieraum. So entstand 1994 die Galerie und Edition M im Hinterhof der Nonnenstraße 42, wo sich heute der Elster-Business-Park befindet. Dort gab es damals noch keine schmucken Lofts in den benachbarten ehemaligen Buntgarnwerken. Stattdessen fanden in den unsanierten Hallen Kunstausstellungen statt.

Im August 1995 erschien der kreuzer mit dem Schwerpunkt »Kunst«. Darin ist über die Galerie von Matthias Kleindienst nachzulesen: »Eine Spezialität des Hauses: die exzellenten Künstlerbücher von Professoren und Absolventen der Leipziger Schule. Diese bilden auch den Stamm seiner Künstler: Wolfgang Mattheuer, Dietrich Burger, Volker Stelzmann, Walter Libuda, Karl-Georg Hirsch zieren das Programm ebenso wie Frank Wahle, André Böhme und Uwe Walter.«

In seiner ersten Ausstellung zeigte er Gemälde von Wolfgang Mattheuer. Der bekannte Kunstwissenschaftler Klaus Honnef hielt die Eröffnungsrede. Obwohl kein Bild einen Käufer fand, ging es seitdem weiter. Nicht nur klassische Ausstellungen waren bei ihm zu sehen, sondern auch Experimente. Als sich etwa Jan Bauer aus der Astrid-Klein-Klasse eine Woche lang im Galerieraum einmauerte und dort lebte.

Später zog die Galerie unter dem neuen Namen »Galerie Kleindienst« in die Grassistraße 20 und etablierte die Reihe »Junge Kunst«. Hier stellten Julia Schmidt, David Schnell, Christoph Ruckhäberle und Matthias Weischer noch zu Studienzeiten aus und damit vor der Ausstellung »Sieben mal Malerei« 2003 im Museum der bildenden Künste, die das Phänomen »Neue Leipziger Schule« ankurbelte.

2005 zog die Galerie – wie auch Jochen Hempel oder Eigen + Art – auf das Gelände der Spinnerei. Heute betreut sie 22 Stammkünstler der unterschiedlichsten Generationen von Annette Schröter bis Sebastian Stumpf.

Als Gastkünstler sind Dietrich Burger, Walter Libuda oder Uwe Walter aus der Anfangszeit noch im Programm. Nach seiner Zeit an der HGB widmet sich Kleindienst nun ganz der Galerie, die er seit 2009 mit Christian Seyde leitet.

In seinem kleinen HGB-Büro sitzend resümiert Kleindienst, dass die Zeit an der Schule schön gewesen sei, aber man müsse auch merken, wann es reicht. Und er hat nun wahrlich schon einiges im Haus erlebt. Obwohl von Leitungsseite seit 1989 immer wieder betont wird, dass gerade die künstlerischen Werkstätten eins der Alleinstellungsmerkmale unter anderen Kunstakademien darstellen, müssen sich solche Lippenbekenntnisse nicht unmittelbar auf die Realität auswirken. Seitdem rangeln die Fachbereiche immer wieder um Oberwasser. Wenn es nach Kleindienst gehen würde, sollte sich nie jemand aufspielen, sondern alle gleichberechtigt existieren.

Mitte Januar endete der Kurs für das Grundstudium der Buchkunst. Die Studierenden haben sich ein Weißwurstessen gewünscht. Auf die Ausgabe des Neuen Deutschland aus dem Jahr 1987, die Kleindienst letztens fand und in die Werkstatt legte, sprach ihn noch kein Studierender an.

Den letzten HGB-Betriebsausflug entlang der Saale hat er organisiert. Nun steht die Galerie auf dem Programm – trotz Abstand von der Schule bleibt er weiter auf der Suche nach guter Kunst, die ihn anspricht.


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