Wenn sich die Menschenmasse am Buchmessesonnabend in Richtung Neues Messegelände bewegt, dann existiert seit acht Jahren eine Alternative, um in der Innenstadt neue Bücher und Buchprojekte zu bestaunen sowie über Inhalt und Form nachzudenken und zu reden.Unter dem Motto »It’s a book« treffen sich unabhängige Verleger, Gestalter und das interessierte Publikum bereits zum fünften Mal in der Hochschule für Grafik und Buchkunst – allein deren Name verpflichtet.
Die Messe selbst begann an einem ganz anderen Ort: Vor acht Jahren trug das Schauspielhaus unter dem damaligen Intendanten Sebastian Hartmann seinen ursprünglichen Namen Centraltheater und Dramaturg Johannes Kirsten fragte beim Leipziger Verlag Spector Books an, ob er nicht etwas in Richtung »Aufführung des Buchs« zur Buchmesse veranstalten wolle. Damals galt unabhängiges Publizieren – independent publishing – als Schlagwort für Ausstellungen und Artikel. Überall entstanden Messen, um nicht nur die Ware, sondern auch Ideen und Wissen auszutauschen. So war es auch in Leipzig. Spector Books – Markus Dreßen, Anne König und Jan Wenzel – lud 2010 seine zwanzig Lieblingsverlage zu »It’s a Book, it’s a Stage, it’s a Public Place« ins Centraltheater ein. Die Tische standen im Foyer und auch die Garderobentheken blieben nicht ungenutzt, um Bücher und Zeitschriften zu zeigen. Auf der Treppe zur ersten Etage referierten eingeladene Gäste zur Entwicklung der Typografie. Die erste Ausgabe überzeugte, so dass man sich entschloss, das Projekt parallel zur Buchmesse weiterzuentwickeln. Bis zum Ende der Intendanz von Hartmann lud Spector Books ein. Die Ausstellungsfläche vergrößerte sich um die erste Etage. »It’s a book« verstand sich als »sozialen Knotenpunkt« und »große Selbstmanifestation der Buchenthusiasten«, wie Spector Books resümiert. Hier ging Gespräch vor Verkauf, sagen die Messemacher Dreßen, König, Wenzel. Nach 2013 stellte sich die Frage, ob unter dem neuen Intendanten das ebenso funktioniert oder ob nicht die Doppelbelastung mit einem eigenen Stand auf der Buchmesse die eigenen Kräfte übersteigt.
Markus Dreßen, der seit mehr als zehn Jahren die Grafik-Design-Professur im HGB-Grundstudium innehat, entschied, die Messe zukünftig mit Studierenden im Rahmen eines Projektseminars zu organisieren. 2014 fand die erste Ausgabe im HGB-Lichthof statt. Neben den unabhängigen Verlegern, deren Zahl mittlerweile auf vierzig anwuchs, und einem Symposium werden nun auch Projektideen von zwanzig Studierenden vorgestellt.
Im Vorjahr kooperierte das Projektseminar mit dem HGB-Studiengang Kulturen des Kuratorischen. Daraus ergab sich das diesjährige Thema: »It’s a book, it’s the old to protest, it’s the new to request.« Das Thema schlug die ehemalige Absolventin des Kuratorenstudiengangs Sabine Schmid vor.
So dreht sich die 2018er-Ausgabe um Manifeste. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und »manifestus« bedeutet so viel wie handgreiflich gemacht. Eine öffentliche Erklärung also, die sowohl inhaltlich als auch gestalterisch neue Formen aufweist. Dazu erscheint eine Zeitung mit einer Auswahl von Manifesten und deren gestalterischer Neuinterpretation. Im Mittelpunkt des Symposiums geht es unter anderem darum, welche Relevanz historische Manifeste für die Gegenwart besitzen. Auf der Gästeliste stehen Florian Ebner, langjähriger Mitarbeiter in der Fotografie-Klasse von Timm Rautert und heute Leiter der Fotografie-Abteilung am Centre Pompidou in Paris, Till Gathmann, Gestalter, das Münchner Künstlerinnenkollektiv Hammann von Mier sowie Isabel Seiffert, Gestalterin und Mitherausgeberin von Migrant Journal.
Wer über die Frage nach der Relevanz des Gestern im Heute nachdenkt, kommt nicht umhin, den Blick gen Zukunft zu lenken. »Bild und Text zur Zukunft« – so lautet die Unterzeile eines neuen Magazins aus Leipzig. Am Strand heißt es und wird auch bei »It’s a book« zu finden sein. Seine zweite Ausgabe trägt den Titel »Endlich Wolken« und versucht »die Unsichtbarkeit digitaler Evolution sichtbar zu machen und auszuloten«. Wolken faszinieren durch ihre Unbestimmtheit, und so greift das Magazin Zukunftspläne auf, die das digitale Zeitalter charakterisieren. So teilen sich die Beiträge in Neue Wirklichkeiten, Phänomene der Wolke und Nach den Wolken. Ob Essays oder künstlerische Beiträge, sie fragen nach den Handlungsoptionen und sind doch hier auf Papier gebannt. Angefangen vom Beitrag des Medienwissenschaftlers Manfred Faßler über »Das Soziale nach der Gesellschaft« bis zu Dirk Baeckers »Endlich Nebel«. Ihnen zur Seite stehen Bild- und Fotofolgen, die der Unbestimmtheit neue Formen geben. Sie zeigen aber auch, dass das digitale Zeitalter noch lange nicht das Ende der Papierseite bedeuten muss. Sowohl das Magazin als auch »It’s a book« locken mit neuen Optionen alter Technik im 21. Jahrhundert.