Extrem rechte Verlage, unbegründete Erklärungen besorgter Autoren und nicht viel Fortschritt im Bildungssektor – das alles konnte man auf der Buchmesse in diesem Jahr finden. Ein bisschen lustig war sie aber auch.
Wo sind denn jetzt die rechten Verlage? Man musste ein Weile suchen, bis man den »rechtsextremen Block« gefunden hatte, in dem die Junge Freiheit nicht platziert werden wollte und weswegen sie gar ihre Teilnahme an der Leipziger Buchmesse abgesagt hatte. In der letzten Ecke von Halle 3 stehen drei Stände (von Compact, von Antaios und ein gemeinsamer von Europa Terra Nostra und Deutsche Stimme) – hinter den liebevoll gestalteten Ständen der Kunsthochschulen und direkt vorm Fressstand. Viel los ist hier nicht, kaum einer kommt zufällig vorbei.
Rechte Security
Zur ihren Veranstaltungen mussten sie eigens Besucher herankarren. Die Kundgebung von Verlage gegen rechts entzog ihnen zusätzlich die Aufmerksamkeit. Hier konnte man Sven Liebich aus Halle (Ex-Blood-and-Honour, »Halle Leaks«) frustriert toben sehen, weil die Kameras sich nicht um ihn scherten. Am Freitag standen Götz Kubitschek und Ellen Kositza (Verlag Antaios) allein in der Nähe der Assoziation Linker Verlage herum. Auch sie wirkten sehr verwirrt, dass sie niemand wahrnahm. Sie wurden auch nicht physisch angegangen, als sie versuchten, bei einer Diskussion mit Zwischenfragen zu intervenieren, wie es bei ihrer eigenen Veranstaltung geschah. Am Samstag bekam Kubitschek dann doch Aufmerksamkeit, als Demonstranten mit lauten Sprechchören eine Lesung von ihm störten und es zu Rangeleien kam.
Dass offensichtlich rechtes Klientel als eigene Sicherheitsdienste bei den rechten Verlagen zum Einsatz kam, ist ein Eklat. So konnte temporär der Eindruck einer nationalbefreiten Zone entstehen, weil nur die Verlage bestimmen konnten, wer auf die Leseinsel kommen durfte. Ein entsprechendes Video dokumentiert dann auch, wie Ordner und Zuschauer zwei friedliche Gegendemonstranten aus dem Raum schieben und zerren. Zudem fühlten sich viele der umliegenden Stände bedrängt und unwohl durch die extrem rechten Nachbarn.
Neues von Uwe Tellkamp
Auch jenseits ihrer kleinen Ecke waren die rechten Verlage Thema. Gleich zu Beginn hatte der Börsenverein zur Debatte mit Buchhändlern geladen. Verkaufen sie auch rechte Bücher? Ja, sagt Michael Lemling aus München, weil man sie kennen müsse, um sie zu bekämpfen »Man muss Texte wie die von Kubitschek auch aushalten. Denn da kann man lesen, was Rechte denken.« Die Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen lädt sich auch Autoren des Antaios Verlag in ihren Laden ein und betonte: »Wir sind keine Zensoren.«
Dagen wurde bereits nach der Frankfurter Buchmesse auffällig, als sie sich in in ihrer »Charta 17« öffentlich darüber beschwerte, dass »unsere Gesellschaft nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt« sei. Einer der ersten Unterzeichner war Uwe Tellkamp.
Der Schriftsteller, der gerade erst durch den fragwürdigen Satz aufgefallen war, dass über 95 Prozent der Flüchtlinge nicht vor Krieg und Verfolgung fliehen, sondern herkämen, um in die Sozialsysteme einzuwandern, unterzeichnete nach der Leipziger Buchmesse gleich das nächste Ding. Die »Erklärung 2018«, die von der ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld initiiert wurde, kommt mit nur zwei Sätzen aus: »Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird.« Zu den anderen Unterzeichnern gehören Henryk M. Broder, Thilo Sarrazin und Matthias Mattussek.
»Interaktives Klassenzimmer«
Den meisten Besuchern der Messe waren die »Grenzen unseres Landes« allerdings eher egal. Manche kamen in Manga-Kostümen und interessierten sich für Elfen-Ohren, manche freuten sich über kostenlose Groschenromane, manche standen stundenlang für eine Signatur ihres Lieblingsautors an und manche lauschten, was Peer Steinbrück über »Das Elend der Sozialdemokratie« zu erzählen hatte. Andere wollten wissen, wie es in der Schule weitergehe.
Im Bereich »Fokus Bildung« konnte man sehen, warum Deutschland in der digitalen Bildung im internationalen Vergleich zurückliegt. Auf den ersten Blick dominierten Lehr- vor Lernhilfen und Apps, die die Unterrichtsorganisation erleichtern. »So leben Lehrer/innen leichter«, lockte ein Schild. Ein »interaktives Klassenzimmer« setzte vor allem auf Technik, ein riesiger Flachbildschirm ersetzt die Tafel. Man kann direkt darauf schreiben, Inhalte vom Rechner darauf ziehen. Was den Apparat aber grundlegend von Tafel und Polylux unterscheidet, erfuhr man nicht. Viele schienen einfach Papierinhalte in digitaler Form anzubieten.
»Netzwerken statt Arbeiten«
Die beste Platzierung bekam der Aussteller gegenüber vom riesigen Stand des Arbeitsamtes. Er warb mit dem Slogan: »Netzwerken statt Arbeiten«.
Schön auch: Ausgerechnet die Stiftung Lesen bot Ladestationen an.
Und die weit verbreitete Mitnehmen-was-man-kriegen-kann-Mentalität führte zu der absurden Accessoires-Kombination eines Pärchens: Die eine trug eine »Compact«-Tüte, die andere einen »Verlage gegen rechts«-Beutel.
In der S-Bahn zurück sagte der Sitznachbar aus Braunschweig, der in Mockau übernachtete: »Leipzig-Nord ist immer noch besser als Dresden.« Und in der überfüllten Straßenbahn meinte ein Junge, der sich aus Interesse oder Protest etwas von Kubitschek angehört hatte: »Spannend war das nicht.«