Ganz geschickt hat Thomas Bauer-Friedrich, der Direktor des Kunstmuseums Moritzburg, aus der Not eine Tugend gemacht, die seit Ende Februar auf 1.500 Quadratmetern zu sehen ist. Erstmals in der Geschichte des Museums präsentiert sich eine Dauerausstellung der eigenen Sammlungsbestände auf so großem Raum.
Zuvor konnte man aus der von 2001 bis 2017 im Haus beherbergten Sammlung Gerlinger mit ihrem Sammlungsschwerpunkt Brücke-Künstler – von Ernst Ludwig Kirchner über Erich Heckel oder Karl Schmidt-Rottluff bis zu Max Pechstein – Sonderausstellungen generieren. Mit dem Verlust gewann nun die eigene Sammlungs- und Institutionsgeschichte an Bedeutung und präsentiert sich selbstbewusst unter dem Motto »Hallo Moderne«.
Bereits im September wurde der erste Teil eröffnet, der sich mit der Zeit von 1900 bis 1945 beschäftigt. Halle ging mit seiner Präsentation einen eigenen Weg und klammerte die Zeit nach 1933 nicht aus. Saaltexte beschreiben zudem die unterschiedlichen Interessen der jeweiligen Direktoren. Neben Gemälden und Plastiken treffen Medaillen und Objekte aus dem Bereich der angewandten Kunst aufeinander. Nicht uncharmant im Hinblick auf Gemeinsamkeiten wirkt daher die Nähe von El Lissitzkys »Proun 30« und dem gläsernen Bevorratungsensemble von Wilhelm Wagenfeld.
Ende Februar eröffnete nun der zweite Teil der Dauerausstellung, der sich mit der Zeit von 1945 bis 1989 beschäftigt. Und erfreut sich bereits unmittelbar nach der Eröffnung einer großen Resonanz samt überregionalen Besuchern.
Gleich zu Beginn empfängt Wolfgang Mattheuers »Der Jahrhundertschritt« aus dem Jahr 1984 das Publikum und weist so auf den besonderen Ansatz der Präsentation hin. Hier geht es nicht darum, die lokale Kunstentwicklung aufzuzeigen, sondern anhand von ausgewählten Beispielen der Sammlung Geschichten zu erzählen. Auch wenn die Zeitachse die Richtung durch die kleinen Kabinette vorgibt, so konzentrieren sich einzelne Abschnitte auf inhaltliche Schwerpunkte.
Allein die enge räumliche Abfolge führt zu vielen Blickachsen. Sie versinnbildlichen einerseits, dass das Kunstfeld der DDR zwar über viele Formsprachen und Akteure verfügte, die allerdings immer auch gemeinsam gedacht werden müssen. Andererseits können sich die Oberflächlichen daran laben, dass die DDR ja auch klein war. Der eigenen Fantasie und dem selbstverordneten Geschichtsbewusstsein sind somit keine Grenzen gesetzt.
Neben Hallenser Künstler – wie den Malern Willi Sitte, Otto Möhwald und Wasja Götze oder Gerhard Lichtenfeld, der prägend für die Bildhauerausbildung an der Burg war – treten einige Leipziger. So ist hier von Mattheuer das Gemälde »Kain« zu sehen, das der Künstler 1965 bei der Leipziger Bezirkskunstausstellung präsentierte. In der Kunstgeschichte gilt sie als Beginn der sogenannten Leipziger Schule.
Auch wenn aus konservatorischen Gründen weder Fotografien noch grafische Blätter Platz in der Präsentation fanden, so ist Direktor Bauer-Friedrich sehr stolz darauf, dass sein Haus derzeit das einzige ostdeutsche Museum ist, welches kontinuierlich auf 400 Quadratmetern Kunst aus der DDR zeigt. Wie bereits im ersten Teil verbinden sich auch hier Medaillen und angewandte Kunst miteinander.
Zudem sorgt die Fotogalerie eine Etage über der Dauerausstellung für einen Ausgleich. Seit 1987 sammelt die Moritzburg Fotografien und die derzeitige Sammlungspräsentation zeigt von Helga Paris »Frauen im Bekleidungswerk Treffmodelle« (1984) und von Werner Mahler »Fans« (1986).
Neben der Dauerausstellung existiert eine 100 Quadratmeter große Box, die Bauer-Friedrich als »Vertiefungsebene« versteht. Hier finden Ausstellungen statt, die sich speziellen Fragen in der Kunstentwicklung nach 1945 widmen. Derzeit sind Gemälde, Plastiken und Vasen zum Thema »Die Kunst in Halle im Kontext der Formalismusdebatte« zu sehen. Zukünftig folgen Ausstellungen zur Druckgrafik oder Plastik in der DDR.
So harmonisch das Ganze in Halle wirkt, so ungemütlich wirkten in den letzten Jahrzehnten die Debatten. Im Herbst sorgte der »Dresdner Bilderstreit« für hohe Wellen, bei dem es darum ging, ob DDR-Kunst im Albertinum weggeschlossen wird. Der Besucheransturm auf die Potsdamer Schau »Hinter der Maske. Künstler in der DDR« wiederum ließ darauf schließen, dass das Interesse an ostdeutscher Kunst sehr hoch ist. Aus kunsthistorischer Perspektive verwunderten vor allem die Saaltexte und deren eindimensionale, ideologische Sichtachse.
Daher ist es sehr zu begrüßen, dass Mitte April der Hallenser Direktor seine Kollegen aus Dresden, Potsdam und Leipzig zu einem Podiumsgespräch einlädt. Gegenstand soll die Frage sein, wie in einem Museum mit der Kunst der SBZ und DDR umzugehen ist.