In den Ruch des Populismus wird dieses Haus gewiss nicht geraten, es wird sicher nicht einmal populär«, so orakelte vor zwanzig Jahren der damalige kreuzer-Kunstredakteur Tim Sommer zur Eröffnung der Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK). Er bezeichnete das Haus als »Villa Werner« im Wissen um das große Engagement des ersten Direktors Klaus Werner.
Für Werner ging am 16. Mai 1998 ein Traum in Erfüllung. Geboren 1940 im Erzgebirge, studierte er Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität Berlin, von 1974 bis 1981 leitete er die Ostberliner Galerie »Arkade« am Strausberger Platz. Wie bereits zuvor eckte er an und wurde entlassen. Drei Jahre später zog Werner nach Leipzig und arbeitete freiberuflich. 1989 bereisten Mitglieder der Gruppe Bildende Kunst des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie die DDR. Werner hielt den Interessierten einen Vortrag. Dabei erzählte er von seinen Plänen zu einem Stiftermuseum für moderne und zeitgenössische Kunst. Arend Oetker fand das spannend und die Weltgeschichte spielte beiden in die Hände. So wurde am 10. November 1990 der Förderkreis der Galerie für Zeitgenössische Kunst gegründet.
Ein Jahr später eröffnete die erste Ausstellung, die Werner für den Förderkreis kuratierte. Unter dem Titel »Zone D – Innenraum« lud er 23 Künstler (von Joseph Beuys und Günther Uecker über Astrid Klein und Rosemarie Trockel zu Lutz Dammbeck und Hartwig Ebersbach) in das Untergrundmessehaus ein.
Wichtig für seine Auswahl war Werner, dass die vormals ewig gezeigten Künstler nicht dabei sind. Stattdessen gab es jede Menge Videoinstallationen, um »bisher ungewohnte künstlerische Lösungen« dem Publikum zu zeigen. Im LVZ-Interview erklärte er zudem, dass »Internationalität nicht nur Richtung Westen« zu denken sei. Seiner Meinung nach fördert die Schau den Abbau der Schranken zwischen Ost und West und überwindet so die »lange Isolierung ostdeutscher Kunst«. Denn für Klaus Werner stellt Kunst einen »produktiven Widerstand« dar.
Anlässlich der Ausstellung wurde auch die Bibliothek eröffnet, die sich damals in der ersten Etage der Katharinenstraße 23 (Romanushaus) befand. Ein eigener Neubau war fest eingeplant. Bis dahin fand der Förderkreis in der Sternwartenstraße Unterschlupf und organisierte dort Ausstellungen unter dem Motto »staircase«. Die Präsentationen kuratierte nicht nur Klaus Werner, sondern Harald Kunde oder Josef Filipp.
Um das Interesse für ein Haus der zeitgenössischen Kunst in der Stadt zu schaffen, folgten nach »Zone D« weitere Projekte. 1995 zeigten Maria Eichhorn, Douglas Gordon und Lawrence Weiner Arbeiten im Hauptbahnhof und ein Jahr später war die Lichtprojektion »KriegsZustand« von Jenny Holzer an der Fassade des Völkerschlachtdenkmals zu sehen.
Am 16. Mai 1998 war es dann endlich so weit. In der sogenannten Herfurthschen Villa an der Karl-Tauchnitz-Straße eröffnete der erste Museumsbau für Zeitgenössische Kunst auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Die Villa wurde ursprünglich für den Geologen Hermann Gredner in den 1890er Jahren erbaut. Nach seinem Tod gelangte sie in den Besitz des Leipziger Neueste Nachrichten-Verlegers Paul Herfurth. Seit dessen Enteignung 1945 nutzte die Uniklinik und nach 1990 die nebenan befindliche Musikhochschule das Haus. Für das Ausstellen von zeitgenössischer Kunst mussten einige rigorose Veränderungen in der Wohnbürgerlichkeit mit Kamin und Holztäfelung vorgenommen werden.
Nach den Plänen von Peter Kulka, der unter anderem den MDR-Kubus am Augustusplatz schuf, wurde die Villa entkernt und um einen Anbau auf der Gartenseite ergänzt. Zur Gewinnung von Atelierräumen geschah dies ebenso mit dem Kutscherhaus.
In den neuen Räumen stellten Werner und der zweite Kurator Jan Winkelmann eine Melange aus internationaler Zeitgenossenschaft sowie regionalen Positionen aus und fanden damit ein großes Publikum.
Zur Eröffnung kuratierte Winkelmann die Gruppenausstellung »ONTOM«. Bei der Eröffnung war eine Performance von halbnackten Frauen in den Ausstellungsräumen der italienischen Künstlerin Vanessa Beecroft zu sehen. Der aus Thailand stammende Rirkrit Tiravanija erinnerte an die vergangenen Bewohner und ließ das Hochzeitsessen einer Tochter von Gredner aufführen.
Als erste Einzelposition zeigte Werner danach eine Schau von Carsten Nicolai und als letzte »Randgebiet« von Neo Rauch.
Werner begründete zudem die jährlich stattfindende Sammlungsausstellung, die damals nur einige Wochen zu sehen war. Bei »Collection 98« vereinte er unter anderem Arbeiten von Nan Goldin, Jenny Holzer, Franz West zu Thomas Florschuetz, Hermann Glöckner, Carlfriedrich Claus, Olaf Nicolai oder Neo Rauch.
2001 verließ Werner die Villa und ging als Rektor an die HGB. Es folgte Barbara Steiner bis 2012, dann übernahm Franciska Zólyom.
In der Zwischenzeit änderte sich sehr viel. Ein Neubau kam hinzu, der die Ausstellungsfläche vergrößerte samt eigenem Café. Aus den Künstlerstudios wurden Hotelzimmer.
Wer eine große Sause zum 20. Geburtstag erwartet, der wird enttäuscht. Das Jubiläum wäre ein schöner Anlass gewesen, um über die Institution mal laut nachzudenken und anderen zuzuhören, wofür die GfZK heute eigentlich steht, ob/wie sie wahrgenommen wird, was sie eigentlich möchte. Bis Mai 2019 finden Veranstaltungen mit dem Förderkreis statt. Im Sommer zeigt die Ausstellung »Baugrund« Nutzungsoptionen für das Gartengelände. Immerhin steht da in Richtung HGB ein Baum, der an Klaus Werner erinnert. Er starb 2010 nach langer Krankheit.