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Politik

Seebrücke aus der Zivilgesellschaft

Die Bewegung ist die Chance auf ein humanistisches Comeback in der Flüchtlingsdebatte

  Seebrücke aus der Zivilgesellschaft | Die Bewegung ist die Chance auf ein humanistisches Comeback in der Flüchtlingsdebatte

Zum zweiten Mal geht die Seebrücke-Bewegung am Samstag in Leipzig auf die Straße. Mit zum Teil spektakulären Aktionen setzten Aktivistinnen bereits in den vergangenen Tagen Zeichen gegen das Sterben im Mittelmeer.

Der mediale Coup war gelungen. Nur ein paar Minuten hing ein riesiges Plakat am Völkerschlachtdenkmal, lange genug, um die Botschaft bundesweit in den Nachrichten zu platzieren: »Wie viele Leichen passen ins Mittelmeer? Seenotrettung erlauben!« stand auf dem Transparent, das laut Polizeidirektion Leipzig mehrere junge Leute am Denkmal angebracht hatten.

Wenige Tage später spannten Aktivistinnen zwischen Kanus auf der Elster an der Sachsenbrücke ein Transparent mit der Aufschrift »Stoppt das Sterben im Mittelmeer«. Fotos der Aktion machten zumindest in den sozialen Netzwerken die Runde.

[caption id="attachment_68384" align="aligncenter" width="320"] Foto: Seebrücke Leipzig[/caption]

Man muss viel tun, um auf die humanitäre Katastrophe im Mittelmeer aufmerksam zu machen, das steht fest. Obwohl bundesweit Woche für Woche Menschen in Notruforange auf die Straße gehen, um gegen die Abschottung Europas und für sichere Fluchtwege zu demonstrieren, bleibt vor allem das parteipolitische Echo verhalten.

Der Start der Seebrücke-Bewegung, die laut eigenen Angaben international vernetzt und in der Zivilgesellschaft verankert ist, liegt am moralischen Gefrierpunkt der Debatte über Flüchtlingspolitik in Deutschland. Im Juni waren zwei Rettungsschiffe für Tage auf dem Mittelmeer blockiert worden, weil sie in europäische Häfen nicht einlaufen durften, Schiffe wurden beschlagnahmt und ein Kapitän landete auf Malta vor Gericht (siehe Interview im aktuellen Heft oder hier). Die EU tat einen weiteren Riesenschritt Richtung Abschottung, stärkere Abriegelung der Außengrenzen und geschlossene Asylzentren werden kommen. In Deutschland hat sich die Debatte so weit nach rechts stabilisiert, dass scheinbar ganz normale Leute Postion gegen Seenotretter und in der Konsequenz pro ertrinken im Mittelmeer bezogen. Willkommenskultur, positive Nachrichten über Flüchtlinge waren seit der Kölner Silversternacht sowieso unerwünscht, beziehungsweise stehen Unterstützerinnen und Unterstützer seither unter noch massiverem Druck. Bundesinnenminister Horst Seehofer rückte erst kürzlich Seenotretter in die Nähe von Schlepperbanden.

Zur selben Zeit veröffentlichte die HuffPost die überraschenden Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, laut der sich eine Mehrheit der Deutschen für private Seenotrettung auf dem Mittelmeer ausspricht. Im Osten zwar weniger als im Westen, aber immerhin auch 42 Prozent der Befragten. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung, der über die Seebrücke-Bewegung die Chance auf ein Comeback in den öffentlichen Diskurs hat. In Leipzig sind das, soweit bekannt, die üblichen Verdächtigen: das Aktionsnetzwerk »Leipzig nimmt Platz«, das immer wieder Proteste gegen rechte Aufmärsche initiiert, linke Gruppen und der Sächsische Flüchtlingsrat. Die Stadt soll sich »zum sicheren Hafen für Geflüchtete und Menschen in Not erklären« und habe die »Pflicht das selbstgewählte Label der ›Weltoffenen Stadt‹ wirklich einmal mit Leben zu füllen«, heißt es im Aufruf der Seebrücke Leipzig zur Demonstration am Samstag. Einzelne Kommunen und Städte hatten sich im Juni bereiterklärt, Flüchtlinge von den abgewiesenen Rettungsschiffen der NGOs aufzunehmen. Leipzig war nicht dabei.


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