Wenn das Boulevard-Portal Tag24 über das Conne Island berichtet, verheißt das meist nichts Gutes. Entweder will dann mal wieder ein konservativer Politiker wegen »linker Gewalt« irgendwo in Deutschland das soziokulturelle Zentrum in Connewitz schließen lassen. Oder eine Diskussion innerhalb der linken Szene Leipzigs droht sich zur Schlammschlacht zu entwickeln und wird deshalb auch über ebenjene Szene hinaus wahrgenommen.
Im aktuellen Fall berichtete Tag24 von einem gegen das Conne Island gerichteten Boykottaufruf. In dem Aufruf, unterzeichnet von einer »Initiative für eine linke Gegenkultur«, ist von einer »jahrelangen Rechtsentwicklung« des linken Kulturzentrums die Rede. Das Conne Island sei ein »Querfront-Projekt«, in dem »rechte Ideologie ihren festen Platz hat«, kann man darin verwundert lesen, verbunden mit der Forderung, die städtische Förderung zu entziehen. Was war passiert?
Ende Mai hatte dort im Rahmen der Veranstaltungsreihe 70 Jahre Israel der umstrittene Autor Thomas Maul referiert. Maul kommt aus der linken antideutschen Strömung, fällt aber schon seit geraumer Zeit durch Veröffentlichungen auf, die manche noch als provokante Polemik verteidigen, andere jedoch als plumpen Sexismus und Rassismus kritisieren. Ursprünglich sollte sein Vortrag zur »Kritik des islamischen Antisemitismus« an der Universität stattfinden, jedoch teilte Maul kurz vor seinem Auftritt in Leipzig, passend zu dem von ihm gepflegten Selbstbild als Agent Provocateur, auf Facebook die Bundestagsrede des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland zum 70. Jahrestag der Staatsgründung Israels. Dazu schrieb er, die AfD erscheine angesichts des »herrschenden Linkskartells« immer wieder »als einzige Stimme der Restvernunft im Deutschen Bundestag«.Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Der StuRa der Uni Leipzig verweigerte die Räume, mehrere Gruppen zogen sich aus der Veranstaltungsreihe zurück. Der Vortrag fand dann im großen Saal des Conne Islands statt, wo Maul unter Protesten seine kruden Thesen zur AfD als »einzig antisemitismuskritischen Partei« wiederholte. Wie es dazu kommen konnte und wo die Grenzen des Diskussionswürdigen in linken Räumen liegen, darüber wird nun viel innerhalb und außerhalb des Conne Islands diskutiert.
Die Boykottinitiative will sich an dieser Diskussion offenbar nicht beteiligen. Dass der Aufruf nicht von enttäuschten Ex-Freunden und -Freundinnen des Conne Islands verfasst wurde, sondern die Chance genutzt werden soll, gegen den »antideutschen«, also israelsolidarischen, Laden Stimmung zu machen, ist offensichtlich. Aber auch für viele, die sich dem Conne Island verbunden fühlen, wurde hier eine Grenze überschritten. Die Kritik geht dabei über Mauls AfD-Kommentar hinaus. Ein während der Veranstaltung verteiltes Flugblatt erinnerte zum Beispiel das Conne Island an seinen eigens formulierten Anspruch, »sexistisches Mackertum« in seinen Räumen nicht zu tolerieren.
Tatsächlich stellt sich die Frage, wieso ein linkes Bündnis überhaupt jemanden einlädt, der schon seit Jahren mit antifeministischen und rassistischen Aussagen hausieren geht und Ideologiekritik mit der »Verteidigung des Abendlandes« verwechselt. Und wie es so ein Typ dann auf die Bühne des Conne Islands schafft, während bei dort auftretenden Bands stets vorab die Texte geprüft werden. Die Kontroverse verweist auf ein strukturelles Problem, das sich in jedem linken Zentrum ab einer gewissen Größe beobachten lässt: Wie und von wem werden Entscheidungen in einem kollektiv und zugleich professionell verwalteten Betrieb getroffen? Und welches politische Selbstverständnis ist dafür die Basis? Offenbar gehen diesbezüglich die Meinungen im Plenum weit auseinander und es scheint eine Diskussion nötig, worin der linke Grundkonsens konkret besteht, auf den sich das Conne Island abstrakt bezieht. So auch in einer ersten Stellungnahme, die jedoch nur an die Agenturen und Bands gerichtet ist und in der zwar auf den Boykott, nicht jedoch auf die umstrittene Veranstaltung eingegangen wird.
Viele warten nun darauf, dass das Plenum auch hierzu eine Position findet und diese artikuliert. Dafür bedarf es aber einer (selbst)kritischen Auseinandersetzung, die über den aktuellen Fall hinausgeht. Sonst droht das linke Kulturzentrum sein politisches Profil zu verlieren, das angesichts der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung wichtiger denn je erscheint. Boykottaufrufe oder identitäre Grabenkämpfe hingegen dienen nur dem Boulevard.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in der August-Ausgabe des kreuzer.Mittlerweile hat das Conne Island eine Stellungnahme zum Vortrag von Thomas Maul veröffentlicht.