Im Prozess um den Überfall auf Connewitz durch über 200 Rechtsradikale im Januar 2016 haben zwei Beteiligte ausgesagt: Andreas C. und David D. sprachen über unbekannte Handynummern, Treffpunkte und ihre angebliche Angst vor Übergriffen durch Linksradikale. Richter Marcus Pirk setzte die Freiheitsstrafen von einem Jahr und vier Monaten zur Bewährung aus. Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung hatten sich wegen der Aussagen darauf verständigt. Zeugen aus dem ersten Verfahren wurden wieder ausgeladen.
Andreas C. und David D. brechen das Schweigen der Angeklagten im Prozess um den Überfall auf Connewitz: Sie sehen sich als unbeteiligte Mitläufer eines Aufmarsches, den sie als Demonstration verstanden hätten. Laut einer Erklärung, die der Verteidiger von David D., Olaf Klemke verlaß, begann der Abend des 11. Januar 2016 mit einer SMS, die er von einem Unbekannten erhielt: »Leipzig macht sich gerade«, las er da und einen Verweis auf das linksalternative Connewitz. Und so fuhr er zu einem Sammelpunkt nahe Naunhof. Dort traf er auf eine Gruppe schwarz gekleideter Männer, die er nicht gekannt habe. Dass diese mit Holzlatten, Schlagringen und Quarzsandhandschuhen bewaffnet waren, sei für ihn verständlich gewesen. Er habe seine Schlaghandschuhe schließlich auch dabei gehabt – aus Angst vor Übergriffen »durch Linke«.
Aus Angst dabei geblieben
Sie hätten erwartet, dass es nach dem Aufmarsch in Connewitz weiter zur Legida-Demonstration in die Innenstadt ginge, sagten David D. und Andreas C. An den Verwüstungen hätten sie sich selbst nicht beteiligt, im Gegenteil. Sie hätten sich entfernen wollen, als die ersten Schaufenster eingeschlagen wurden. Das sei jedoch nicht möglich gewesen: David D. habe sich nicht alleine durch Connewitz getraut, aus Angst vor Übergriffen, sagte sein Anwalt Olaf Klemke, der auch den NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben im Münchner Prozess verteidigt hatte. Andreas C. sei mit eingekesselt worden, ehe er die Gruppe verlassen konnte.
»Mein Mandant wollte lediglich zeigen, dass die Straßen in Connewitz allen gehören, nicht nur den Linksextremisten.« Olaf Klemke, Verteidiger von David D.
Richter Marcus Pirk verurteilte die beiden Angeklagten zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und vier Monaten zur Bewährung. Wie auch im
ersten Verfahren vor dem Leipziger Amtsgericht habe man den Angeklagten keine individuelle Straftat nachweisen können, wohl aber die Beteiligung an einem Landfriedensbruch, hieß es in der Begründung. Vor der Verhandlung hatte es eine Absprache zwischen Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung gegeben, dass es Bewährungsstrafen gebe, wenn die Angeklagten aussagten. Durch ihre »geständigen Einlassungen« seien sie auch den
Opfern und Zeugen der Verwüstungen entgegengekommen, da diese deshalb nicht noch einmal vorgeladen werden mussten, um ihre Aussagen zu wiederholen. Wie schon im ersten Prozess redete Richter Marcus Pirk den Angeklagten am Ende der Urteilsbegründung eindringlich ins Gewissen:
»Sie haben Riesenglück gehabt, dass die linken und militanten Bewohner bei Legida waren. Das hätte ein Blutbad gegeben.« Amtsrichter Marcus Pirk
PAUL HILDEBRAND