Wenn die Kunst von der Realität überholt wird: Im Theater der Jungen Welt beleuchten Jugendliche das Thema Widerstand und Protest aus verschiedenen Blickwinkeln. Seit einigen Wochen haben die Schulstreik-Demos »Fridays for Future« jugendlichen Protest wieder auf die Straße gebracht. Einige Jugendliche findet man bei beiden Darstellungen des »Teenage Widerstand«.
»Huch, meine Tochter engagiert sich jetzt politisch!« So wie Lillys Taschengeldgeber werden sich manche Eltern gewundert haben, als ihre Kinder freitags lieber auf die Straße statt zur Schule gehen. Das Konzept »Fridays for Future« hat auch in Leipziger Schüler und Schülerinnen wie Lilly zum Schulstreik für den Klimaschutz motiviert.
Doch was treibt Jugendliche überhaupt an, Opposition zu ergreifen, sich zu engagieren und auch mal laut zu sagen: »Nein. Fuck you!« Das wollten auch einige Jugendliche selbst wissen und bringen nun ihre Fragen und Antworten auf die Theaterbühne – wenn sie nicht gerade demonstrieren. Lilly, Freya und Maria sind drei von ihnen.
»Meine Stiefmutter hat mich zum Casting gezwungen«, es klingt nicht wie ein Scherz, als Freya das sagt. Vorher hätte sie nie daran gedacht, sich im Theater der Jungen Welt (TdJW) zu melden. »Sie meinte, das wäre genau richtig für mich. Also sollte ich da hin.« So groß war Freyas »Teenage Widerstand« nicht, um sich für die Teilname am gleichnamigen Stück zu bewerben. Sie hat dann gleich fürs Casting einen Protestsong für die Ukulele geschrieben, der es auch ins Stück geschafft hat. »Der ist nicht gegen Bestimmtes gerichtet, sondern handelt von so allem, was mich bewegt.«
»Wir haben das Gefühl, dass es immer wichtiger wird, sich zu positionieren«, sagt Regisseurin Caroline Mährlein über das Stück. Ziel sei es, »zu überlegen, wann man wie in Widerstand tritt und was Widerstand eigentlich bedeuten kann.« Dabei knüpft man lose an den Stoff um die Leipziger Meuten an, also Jugendliche, die keinen Bock auf NS-Gleichschritt und Hitlerjugend hatten. Dieser Bezug habe sich nicht nur wegen lokaler Nähe angeboten, sondern auch da die Jugendlichen in einem ähnlichen Alter sind.
Doch »Teenage-Widerstand« wird sich dem Thema nicht nur historisch annähern. Die 15 Jugendlichen füllen die Produktion, an der sie seit September arbeiten, mit vielen Dingen, die sie beschäftigen. »Es geht auch darum, wie man aus der Komfortzone herauskommt«, sagt die beteiligte Maria. »Es sind auch persönliche Momente oder Grundsätzliches wie Freiheit versus Gruppenzwang.«
Die Frage, ob es schwer sei, sich als Jugendliche Gehör zu verschaffen, beantwortet Maria differenziert. Das sei schon möglich, aber manche sähen ihr politisches Engagement schon reserviert – auch Gleichaltrige. »Bei Jugend gegen Rechts hatten meine Eltern ein bisschen Angst, dass ich ins Extremistische abdrifte.« Lilly kennt es, nicht ernstgenommen zu werden: »Einige reagieren skeptisch, nur weil sie das Wort Teenager hören. Sie denken, dass wir Jugendliche unreif sind, keine Ahnung haben und nur unserer Einbildung folgen.«
Auch auf die Aktion »Fridays for Future« waren die Reaktionen ihrer Lehrer gemischt. Während der Klassenlehrer Freya zuerst moralisch unterstützte, soll er von der Schulleitung »zurückgepfiffen« worden sein. Ähnlich schildert es Lilly. Ein Lehrer Freyas spickte eine Matheaufgabe immerhin mit Zahlen zum Klimaschutz. Erbost zeigen sich alle drei jungen Frauen über den Leipziger Stadtschülerrat, der sich gegen den Streik ausgesprochen hatte, weil damit die Schulpflicht verletzt werde. Ganz so, als ob es nicht genau darum bei einem Streik ginge. Gemischt waren auch die Gefühle unter den Mitschülern. Einige waren beim ersten Mal auf der Demonstration mit, andere mehrmals. Bei vielen herrscht auch einfach Desinteresse.
Einig sind sich die drei auch in der Bewertung der Anfeindungen, die die 16-jährige Greta Thunberg für ihren Anstoß der Demonstrationen erntete. »Ich bin nicht wütend«, sagt Freya. »Das war zu erwarten.« Lilly ergänzt: »Die kommen nicht damit klar, dass ein 16-Jähriges Mädchen alles auf den Kopf stellt. Da muss Angst herrschen.« Maria bringt es auf den Punkt: »Erwachsene Menschen, die so auf eine Jugendliche losgehen, kann ich nicht ernst nehmen.« – Teenage Widerstand eben.