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Politik

»Keine Freiheit im Sozialismus«

Stadtrat beschließt Antrag zur Aufnahme von Geflüchteten aus Seenot

  »Keine Freiheit im Sozialismus« | Stadtrat beschließt Antrag zur Aufnahme von Geflüchteten aus Seenot

Der Antrag der Linken, aus Seenot gerettete Geflüchtete aufzunehmen, hat im Stadtrat zu heftigen Diskussionen geführt. Asyl als Debattiergrundlage über Recht, Moral und Sozialismus.

In Leipzig hatten sich im vergangenen Jahr zeitgleich mit anderen deutschen Großstädten unter dem Schlagworte »Seebrücke« solidarische Zusammenschlüsse gegründet, deren klares Ziel es war, aus Seenot gerettete Geflüchtete aufzunehmen. Wöchentlich konnten Aufrufe der »Seebrücke« tausende Menschen aus der Zivilbevölkerung zusammenführen, die die Bundesländer aufforderten, Stellung zu beziehen. Und auf kommunalpolitischer Ebene klar zu signalisieren, dass die prekäre Situation im Mittelmeer erkannt und dagegen vorgegangen werden müsse.

Ende August letzten Jahres wurde der Antrag auf Seenothilfe im Leipziger Stadtrat an die zuständigen Gremien verwiesen. Vergangenen Februar folgte plötzlich ein Änderungsantrag der CDU: Der Beschluss solle abgeändert werden, die Stadt Leipzig erkläre sich zwar bereit Geflüchtete aufzunehmen, aber nur politisch Verfolgte aus Venezuela. Der SPD und der Linken schien das »zynisch« und als »Heuchelei«, man spiele Menschenleben gegeneinander aus, so die Kritik.

Heute wurde schließlich über den Antrag verhandelt, vor dem Rathaus hatte sich eine größere Gruppe der Leipziger »Seebrücke« zusammengefunden. »Was im Mittelmeer passiert, ist eine humanitäre Katastrophe«, äußerte Stadträtin Jule Nagel von der Linkspartei. »Wie will sich Europa definieren?«, fragte sie in die Gruppe. Eine Petition mit 3500 Unterschriften zeige klar, dass man bereit sei, Verantwortung zu übernehmen. Natürlich könne man das als Kommune nicht autark entscheiden, es bedürfe einer Überprüfung des Bundesinnenministeriums. Jedoch sei das ein wichtiges Signal – ein maßgeblicher Punkt, der später auch von der SPD unterstützt wurde.

CDU wollte nur Geflüchtete aus Venezuela aufnehmenMichael Weickert, Stadtrat der CDU Fraktion, ergriff direkt nach Nagel das Wort und bezweifelte die Rechtmäßigkeit des Antrags der Linken. »Es gibt keine größere Moralität als die Einhaltung von Gesetzen«, setzte er an. »Sie stellen die Moral über das Recht.« Das Asylrecht ermögliche nach derzeitiger Gültigkeit den Menschen sehr ausreichend, sich in diesem Rahmen zu bewegen. Die CDU unterstütze hingegen »wirklich politisch Verfolgte«, die unter der sozialistischen Diktatur von Nicolás Maduro in Venezuela leiden würden. Diese müsse man aufnehmen, »denn es gibt keine Freiheit im Sozialismus, nur Freiheit statt Sozialismus«, fügte Weickert unter klopfender Zustimmung der AfD und CDU Fraktion hinzu.

Schon die Voraussetzungen der Einreise nach Deutschland würden sich jedoch nicht ansatzweise decken, äußerte die Fraktion der Freibeuter und bezog sich auf das Visa-Verfahren. Dieses ermöglicht Geflüchteten aus Venezuela im Rahmen ihres legalen 90-tägigen Aufenthalts einen Asylantrag zu stellen und Deutschland auf dem Luftweg zu erreichen. Faktoren, die für den Großteil der hier ankommenden Geflüchteten aus anderen Ländern zur Aberkennung des Asylanspruchs führen könnten. »Den Menschen, die hierher kommen, geht es nicht wirklich schlecht«, pflichtete Andrea Niermann von der CDU Fraktion kurz vor Abstimmung bei, »das ist eine Einladung für alle«.

Mehrheitlich beschlossen wurde dem Antrag der Linken schließlich stattgegeben. Den Änderungsantrag der CDU Fraktion lehnte die Ratsversammlung hingegen mit großer Mehrheit ab. Die Stadt Leipzig erklärt sich somit bereit, einhundert weitere aus Seenot gerettete Menschen aufzunehmen. Der mehrfach gelobte Verwaltungsstandpunkt der Stadt Leipzig hatte diese Anzahl festgesetzt – vorrangig, um an die politischen Handlungsstrukturen des Verteilungsschlüssels des Bundes zu verweisen, auf den auch die Entscheidung der Kommune letztlich wenig Einfluss hätte.


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